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XXII
Merkur wird wider seinen Willen von Pan überwiesen, daß er sein Vater sey.

Pan und Merkur.

Pan. Guten Tag, Vater Merkur.

Merkur. O guten Tag auch! Aber seit wann sind wir so nahe Verwandte?

Pan. Bist du denn nicht etwa Merkur von Cyllene1)?

Merkur. Das bin ich allerdings; aber wie folgt daraus, daß du mein Sohn bist?

Pan. So ganz mit rechten Dingen giengs wohl nicht zu - ein Kind der Liebe von deiner Fasson.

Merkur. Zum Jupiter, du siehest eher dem Sohn einer Ziege von der Fasson eines Bockes ähnlich. Wie sollte ich zu einem Sohne mit Hörnern, und mit einer solchen Nase und einem solchen Zottelbart und gespaltnen Bocksfüssen und einem Schwanz über dem Hintern, gekommen seyn?

Pan. Daß du so verächtlich von deinem eigenen Sohne sprichst, Vater, davon hab' ich zwar wenig Ehre; aber gewiß, du selbst hast noch weniger davon, daß du solche Kinder in die Welt setzest; ich kann nichts für meine Gestalt.

Merkur. Wer wäre denn also deine Mutter? Ich bin doch hoffentlich nicht unwissender Weise irgend einer Ziege zu nahe gekommen?

Pan. Das eben nicht; aber besinne dich nur, ob du nicht einmal in Arkadien einem edeln Mädchen Gewalt angethan hast? Was nagst du so am Finger, und thust, als ob du dich nicht besinnen könntest? Ich spreche von der Tochter des Ikarius, Penelope2).

Merkur. Aber was für eine Grille war das von ihr, mich mit einem Sohne, der einem Bock ähnlich sieht, zu beschenken?

Pan. Ich will dir sagen wie sie selbst die Sache erzählt hat. Wie sie mich nach Arkadien schickte, sprach sie zu mir: Mein Sohn, ich, deine Mutter, bin die Spartanerin Penelope: wisse aber, daß du einen Gott, den Merkur, Jupiter und Majens Sohn, zum Vater hast. Übrigens laß dich deine Hörner und deine Bocksfüße nicht verdrießen: es kommt bloß daher, weil Merkur, um nicht entdeckt zu werden, die Gestalt eines Ziegenbocks annahm, da er dein Vater wurde.

Merkur. Ich erinnere mich nachgerade, daß mir einmal so etwas begegnet seyn mag. Aber daß ich, der ich mir immer so viel auf meine Gestalt zu gute that und noch dato ein glattes Kinn führe, für deinen Vater passiren, und mich von allen Leuten meiner schönen Zucht wegen auslachen lassen soll, das will mir nicht recht in den Kopf!

Pan. Ich werde dir keine Schande machen, Vater; ich bin ein Musikus, und blase dir auf der Rohrpfeiffe, daß es eine Lust ist; und Bacchus, der gar nicht mehr ohne mich leben kann, hat mich zu seinem beständigen Kameraden und zum Anführer seines Chors gemacht; und wenn du die Heerden, die ich bey Tegea und um den Berg Parthenius habe, besehen wolltest, du würdest deine Freude daran sehen! Ganz Arkadien ist mir unterthan; und es ist noch nicht lange, daß ich den Atheniensern zu Hülfe zog, und mich bey Marathon so gut hielt, daß sie mir die Höle unter der Burg zur Belohnung meiner Tapferkeit zuerkannt haben3). Wenn du einmal nach Athen kommst, wirst du hören, was sich Pan für einen Namen dort gemacht hat.

Merkur. Weil du denn so eine vielbedeutende Person bist, Pan, - denn so däucht mich, nennen sie dich - hast du dir auch schon eine Gemahlin beygelegt?

Pan. Ich danke dafür, Herr Vater! - Ich bin etwas verliebter Natur, und mich mit einer einzigen zu behelfen wäre meine Sache nicht.

Merkur lachend. Du behilfst dich vermuthlich mit deinen Ziegen?

Pan. Das sagst du doch wohl nur im Spas? - O! ich habe ganz andere Liebschaften! Die Echo, die Pitho4), und alle Mänaden des Bacchus, so viele ihrer sind, und ich gelte sehr viel bey ihnen, das kann ich dir versichern.

Merkur. Wohl, mein Sohn, willst du mir was zu Gefallen thun, wenn ich dich darum bitte?

Pan. Du hast zu befehlen, Vater; wir wollen dann sehen was möglich ist.

Merkur. Komm her und umarme mich! Aber den Namen Vater laß künftig weg, zumal wenn es jemand hören könnte.


  1. Cyllenius ist einer der gewöhnlichsten Beynamen des Merkurs, von dem Berge Cyllene in Arkadien, wo Maja den verstohlnen Besuch vom Jupiter erhielt, der sie zu Merkurs Mutter machte. Zurück
     
  2. Es ist nicht zu bergen, daß die von Homer verewigte Penelope sich die Anekdote, wovon hier die Rede ist, von bösen Zungen nachsagen lassen mußte, aber Homer, der in der Geschichte des Olymps am besten unterrichtet seyn mußte, da er aus unmittelbarer Eingebung der Musen schrieb, giebt dem Pan, in seinem Hymnus auf ihn, die Nymphe Dryope zur Mutter. Zurück
     
  3. Pausanias erwähnt dieser Höle im 28sten Kap. seiner Beschreibung von Attica, und erzählt bey dieser Gelegenheit das Histörchen, wovon Lukian hier Gebrauch macht. Als nehmlich die Athenienser bey dem Einfall der Perser in ihr Gebiet die Lacedämonier um schleunigen Beystand baten, meldete der an sie abgeschickte Gesandte Philippides bey seiner Zurückkunft: die Spartaner könnten sobald nicht kommen, weil es ein Religionspunkt bey ihnen wäre, vor dem Vollmond nicht ins Feld zu rücken: ihm, Philippides, aber wäre Pan am Berge Parthenius erschienen, und hätte ihm versprochen, daß er den Atheniensern, deren besonders guter Freund er wäre, zu Marathon gegen die Perser beystehen wollte. Zurück
     
  4. Hemsterhuys macht es wahrscheinlich, daß hier PeiJoi [statt Pitui] gelesen werden müsse. Diese Pitho war eine der Grazien, von welcher Pan die Nymphe Iynx gehabt haben soll. Nach andern war Pitys eine Nymphe, welche Pan liebte, und, da sie von seinem Nebenbuhler Boreas aus Eifersucht an einem Felsen zerschmettert wurde, in den Baum, mit dessen Zweigen er gewöhnlich bekränzt war, nehmlich in eine Fichte, verwandelte. Zurück

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Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.

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