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Venus. Ey, ey, schöne Luna1), was die Leute nicht von dir sprechen? So oft du in deinem Laufe die Grenze von Carien erreichest, hältst du, sagt man, mit deinem Wagen still, um auf den Endymion, der als Jäger auf dem Latmos unter freyem Himmel schläft, herabzuschauen; ja man will wissen, daß du sogar schon mitten aus dem Wege zu ihm herabgestiegen seyest.
Luna. Frage deinen Sohn, Venus, der ganz allein Schuld daran ist.
Venus. Es ist freylich ein leichtfertiger Junge! wie hat er nicht mir selbst schon mitgespielt? Bald verleitet er mich dem Anchises zu lieb2) auf den Ida, bald auf den Libanus zu dem bekannten Assyrischen Jüngling3). Und um diesen hat er mich noch gar zur Hälfte gebracht, weil ich ihn mit Proserpinen theilen muß, die er ebenfalls in ihn verliebt machte. An Zucht lasse ich es gewiß nicht bey ihm fehlen. Wie oft hab' ich ihm nicht schon gedroht, ihm, wenn er seine Bübereyen nicht lassen werde, Bogen und Pfeile zu zerbrechen, und sogar die Flügel zu beschneiden4). Ja ich hab' ihm wohl eher mit meinem Pantoffel den Hintern tüchtig ausgeklopft. Für den Augenblick gebehrdet er sich dann freylich ganz demüthig und verspricht Besserung; allein, ich weiß nicht wie in kurzem alles bey ihm wieder vergessen ist. - Aber sage mir doch, liebe Luna, ist Endymion schön? Denn, wenn man ja in dieß Unglück gerathen müßte, so gereicht wenigstens die Schönheit des Gegenstandes zu einigem Troste.
Luna. Mir, liebe Venus, scheint er sehr schön zu seyn: zumal wenn er auf seinem über den Felsen hingespreiteten Jagdpelze schlummert, und in der Linken etliche Wurfpfeile hält, die ihm schon aus der Hand entschlüpfen, den rechten Arm aber mit einer unbeschreiblichen Grazie um seinen Kopf herumgebogen hat, so daß die Hand einen Theil seines schönen Gesichtes verdeckt.5) So liegt er in den reizendsten Schlummer aufgelöst, und sein sanfter Athem ist so rein und lieblich als wär' er mit Ambrosia genährt. Ich gestehe dir, daß ich mich dann nicht enthalten kann, so sachte als möglich herabzusteigen, auf den äussersten Fußspitzen, aus Furcht ihn aufzuwecken, zu ihm hinzuschleichen, und dann - doch, wozu brauche ich dir zu sagen was weiter erfolgt? Genug, ich läugne nicht daß ich vor Liebe schier von Sinnen komme.
Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.
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