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George Berkeley - Abhandlungen über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis

(Treatise concerning the principles of human knowledge)

 

George Berkeley [ˈbɑrkli] (* 12. März 1685 in der Grafschaft Kilkenny (Irland); † 14. Januar 1753 in Oxford) war ein anglikanischer Theologe, Sensualist und Philosoph der Aufklärung. Er entstammte einer royalistisch-protestantischen Familie der anglo-irischen Oberschicht.

Berkeley kann als das Bindeglied zwischen Locke und Hume angesehen werden. Er leistete seine Beiträge aus der Sicht eines Denkers, der von den Gegenständen seines Wahrnehmens ausging, daraus seine jeweils eigenen Schlussfolgerungen zog und diese gegen Theorien setzte, die aus seiner Sicht nicht zutreffend waren. In der Folge seiner zetetischen Annahmen vertrat er eine nominalistische Philosophie. Sehr viele Philosophen bezeichneten ihn als Immaterialist.

https://de.wikipedia.org/wiki/George_Berkeley

George Berkeley - Abhandlungen über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis

(Treatise concerning the principles of human knowledge)

Einleitung

I. Da die Philosophie nichts anderes ist als das
Streben nach Weisheit undWahrheit, so sollte man
vernunftgemäss erwarten dürfen, dass die, welche am
meisten Zeit und Mühe auf dieselbe verwendet haben,
sich einer grösseren Ruhe und Heiterkeit des Gemüthes,
einer grösseren Klarheit und Sicherheit der
Erkenntniss erfreuen und weniger durch Zweifel und
Bedenken beunruhigt werden, als andere Menschen.
Wir sehen dagegen, dass vielmehr die ungelehrte
Menge der Menschen, die auf der Landstrasse des
schlichten Menschenverstandes wandelt und durch die
Gebote der Natur geleitet wird, grösstentheils zufrieden
und ruhig lebt. Ihnen scheint nichts, was gewöhnlich
ist, unerklärlich oder schwer zu begreifen. Sie
klagen nicht über irgend welche unzuverlässigkeit
ihrer Sinne und sind ganz frei von der Gefahr, in
Zweifelsucht zu gerathen. Sobald wir aber der Leitung
der Sinne und der Natur uns entziehen, um dem
Lichte eines höheren Princips zu folgen, um über die
Natur der Dinge Schlüsse zu ziehen, nachzudenken,
zu reflectiren, so erheben sich sofort tausend Zweifel
in unserem Geist in Betreff eben der Dinge, welche
wir vorher völlig zu begreifen meinten. Vorurtheile
und Irrthümer der Sinne enthüllen sich von allen
Seiten her unserem Blick, und indem wir diese durch
Nachdenken zu berichtigen streben, werden wir unvermerkt
in seltsame, von der gewöhnlichen Meinung
abweichende Behauptungen, Schwierigkeiten undWidersprüche
verstrickt, die sich in dem Maasse, als wir
in der Betrachtung weiter gehen, vermehren und steigern,
bis wir zuletzt, nachdem wir manche verschlungene
Irrgänge durchwandert haben, uns gerade an dem
Punkte wiederfinden, von welchem wir ausgegangen
waren, oder, was schlimmer ist, bis wir die Forschung
aufgeben und, in Zweifelsucht verloren, die Hände in
den Schooss legen.

II. Man hält dafür, die Ursache hiervon liege in der
Dunkelheit der Dinge oder in der natürlichen Schwäche
und Unvollkommenheit unseres Verstandes. Man
sagt, unsere Geisteskräfte seien beschränkt, und dieselben
seien von der Natur dazu bestimmt, zur Erhaltung
und Erleichterung des Lebens zu dienen, nicht
zur Erforschung des inneren Wesens und der Einrichtung
der Dinge. Zudem sei es nicht verwunderlich,
dass der menschliche Verstand, da er endlich sei,
wenn er Dinge behandle, die an der Unendlichkeit
Theil haben, in Ungereimtheiten undWidersprüche
verfalle, aus welchen sich jemals herauszuarbeiten
ihm unmöglich sei, da es zu der Natur des Unendlichen
gehöre, nicht vom Endlichen begriffen werden
zu können.

III. Doch sind wir vielleicht zu parteiisch für uns
selbst eingenommen, wenn wir die Quelle des Fehlers
in den Anlagen unseres Geistes suchen und nicht vielmehr
in dem unrichtigen Gebrauch, den wir von denselben
machen. Es ist misslich, vorauszusetzen, dass
richtige Schlüsse aus wahren Vordersätzen jemals zu
Endergebnissen führen sollten, welche nicht aufrecht
erhalten oder mit einander in Uebereinstimmung gebracht
werden könnten. Man sollte doch denken, dass
Gott nicht so ungütig gegen die Menschenkinder verfahren
sei, diesen ein lebhaftes Verlangen nach einem
Wissen einzuflössen, welches er ihnen zugleich völlig
unerreichbar gemacht hätte. Dies würde nicht zu dem
gewöhnlichen liebevollen Verfahren der Vorsehung
stimmen, mit welchem sie regelmässig ihren Geschöpfen
die Mittel gegeben hat, durch deren rechten
Gebrauch dieselben alle ihnen eingepflanzten Triebe
unfehlbar zu befriedigen vermögen. Kurz, ich bin geneigt,
zu glauben, dass weitaus die meisten, wo nicht
alle Schwierigkeiten, welche bisher die Philosophen
hingehalten und ihnen denWeg zur Erkenntniss versperrt
haben, durchaus von uns selbst verschuldet
seien; dass wir zuerst eine Staubwolke erregt haben
und uns dann beklagen, nicht sehen zu kennen.

IV. Mein Vorsatz ist demgemäss, zu versuchen, ob
ich ausfindig machen kann, welche Grundannahmen
es seien, die jene Fülle von Zweifeln und jenes
unsichere Schwanken, die alle jene Ungereimtheiten
undWidersprüche bei den verschiedenen Secten der
Philosophen in solchemMaasse verursacht haben,
dass die weisesten Menschen unsere Unwissenheit für
unheilbar gehalten haben, indem sie annahmen, dieselbe
rühre von der natürlichen Schwäche und Beschränktheit
unserer Geisteskräfte her. Und es ist gewiss
eine die Mühe lohnende Aufgabe, eine genaue
Untersuchung über die ersten Principien der menschlichen
Erkenntniss anzustellen, dieselben allseitig zu
sichten und zu prüfen, zumal da die Vermuthung
nicht unbegründet sein durfte, dass jene Hindernisse
und Anstösse, welche den Geist bei dem Suchen der
Wahrheit aufhalten und verwirren, nicht sowohl in irgend
einer Dunkelheit und Verwickelung der Objecte
oder in einer natürlichen Schwäche des Verstandes
ihre Quelle haben, als vielmehr in falschen Grundannahmen,
an denen man festgehalten hat und die sich
doch hätten vermeiden lassen.

V. Wie schwierig und aussichtslos auch immer dieser
Versuch erscheinen mag, wenn ich in Betracht
ziehe, wie viele grosse und ausserordentliche Männer
vor mir die gleiche Absicht gehegt haben, so bin ich
doch nicht ohne einige Hoffnung, welche sich auf die
Erwägung gründet, dass die weitesten Aussichten
nicht immer die deutlichsten sind, und dass der Kurzsichtige,
weil er genöthigt ist, die Objecte dem Auge
näher zu bringen, vielleicht durch eine genaue Besichtigung
aus geringer Entfernung solches zu erkennen
vermag, was weit besseren Augen entgangen ist.

VI. Um den Geist des Lesers zu einem leichteren
Verständniss des Folgenden zu befähigen, ist es angemessen,
Einiges einleitend vorauszuschicken, was das
Wesen und den falschen Gebrauch der Sprache betrifft.
Die Erörterung dieses Gegenstandes aber führt
mich dazu, einigermaassen meine Hauptfrage schon
im Voraus mitzubehandeln, indem ich etwas berühre,
das einen Hauptantheil an der Verwickelung und Trübung
der Forschung gehabt und unzählige Irrthümer
und Anstösse in fast allen Theilen derWissenschaft
veranlasst zu haben scheint. Dies ist die Meinung, der
Geist habe ein Vermögen, abstracte Ideen (»abstract
ideas«) oder Begriffe (»notions«) von Dingen zu bilden.
Wer nicht durchaus ein Fremdling in den Schriften
und Disputationen der Philosophen ist, muss zugeben,
dass kein kleiner Theil derselben sich auf abstracte
Ideen bezieht. Man nimmt an, dass diese vorzugsweise
dass Object derWissenschaften bilden,
welche die Namen Logik und Metaphysik tragen, und
überhaupt derjenigen, welche für die abstractesten
und höchsten Lehrobjecte gelten; in diesen allen wird
man schwerlich eine Frage so behandelt finden, dass
nicht vorausgesetzt würde, dass abstracte Ideen in
dem Geiste existiren und dieser mit denselben wohl
bekannt sei.

VII. Allseitig wird anerkannt, dass die Eigenschaften
(Qualitäten) oder Beschaffenheiten (Modi, Daseinsweisen)
der Dinge nicht einzeln für sich und gesondert
von allen anderen in Wirklichkeit existiren,
sondern dass jedesmal mehrere derselben in dem nämlichen
Object gleichsam mit einander vermischt und
verbunden seien. Man sagt uns aber, dass der Geist,
da er fähig sei, jede Eigenschaft einzeln zu betrachten,
oder sie von den anderen Eigenschaften, mit welchen
sie vereinigt ist, abzusondern, hierdurch sich selbst
abstracte Ideen bilde. Wenn z.B. durch den Gesichtssinn
ein ausgedehntes, farbiges und bewegtes Object
wahrgenommen worden ist, so bildet, sagt man, der
Geist, indem er diese gemischte oder zusammengesetzte
Idee in ihre einfachen Bestandtheile auflöst und
einen jeden derselben für sich mit Ausschluss der übrigen
betrachtet, die abstracten Ideen der Ausdehnung,
Farbe, Bewegung. Nicht als ob es möglich wäre, dass
Farbe oder Bewegung ohne Ausdehnung existiren; es
soll nur der Geist für sich selbst durch Abstraction
die Idee der Farbe ohne Ausdehnung und der Bewegung
ohne Farbe und Ausdehnung bilden können.

VIII. Da ferner der Geist beobachtet hat, dass in
den einzelnen durch die Sinne wahrgenommenen Ausdehnungen
etwas Gleiches, ihnen allen Gemeinsames
ist, und etwas Anderes, den einzelnen Ausdehnungen
Eigenthümliches, wie diese oder jene Form oder Grösse,
wodurch sie sich von einander unterscheiden: so
betrachtet er das Gemeinsame besonders oder scheidet
es als ein Object für sich ab, und bildet demgemäss
eine sehr abstracte Idee einer Ausdehnung, die weder
Linie, noch Fläche, noch Körper ist, noch auch irgend
eine bestimmte Form oder Grösse hat, sondern eine
von diesem allem abgelöste Idee ist. In gleicher
Weise bildet der Geist, indem er von den einzelnen
sinnlich percipirten Farben dasjenige weglässt, was
dieselben von einander unterscheidet, und nur dasjenige
zurückbehält, was allen gemeinsam ist, eine Idee
von Farbe in abstracto, die weder Roth, noch Blau,
nochWeiss, noch irgend eine andere bestimmte Farbe
ist. In gleicher Art wird auch die abstracte Idee der
Bewegung, welche gleichmässig allen einzelnen sinnlich
wahrgenommenen Bewegungen entspricht, dadurch
gebildet, dass die Bewegung nicht nur abgesondert
von dem bewegten Körper, sondern ebenso auch
von der beschriebenen Figur und von allen besonderen
Richtungen und Geschwindigkeiten betrachtet
wird.

IX. Wie der Geist sich abstracte Ideen von Eigenschaften
oder Beschaffenheiten (Bestimmtheiten,
Modis) bildet, so erlangt er durch denselben Act der
sondernden Unterscheidung oder Vorstellungszerlegung
auch abstracte Ideen von den mehr
zusammengesetzten Dingen, welche verschiedene zusammen
existirende Eigenschaften enthalten. Hat z.B.
der Geist beobachtet, dass Peter, Jakob und Johann
einander durch gewisse, ihnen allen gemeinsam zukommende
Bestimmtheiten der Gestalt und anderer
Eigenschaften gleichen, so lässt er aus der complexen
oder zusammengesetzten Idee, die er von Peter, Jakob
und anderen einzelnen Menschen hat, dasjenige weg,
was einem jeden derselben eigenthümlich ist, behält
nur dasjenige zurück, was ihnen allen gemeinsam ist,
und bildet so eine abstracte Idee, an welcher alle einzelnen
gleichmässig Theil haben, indem er von allen
den Umständen und Unterschieden, welche dieselbe
zu irgend einer Einzelexistenz gestalten können,
gänzlich abstrahirt und dieselben ausscheidet. Auf
dieseWeise, sagt man, erlangen wir die abstracte Idee
des Menschen oder, wenn wir lieber wollen, der
Menschheit oder der menschlichen Natur, worin zwar
die Idee der Farbe liegt, da kein Mensch ohne Farbe
ist, aber dies kann weder die weisse, noch die schwarze,
noch irgend eine andere einzelne Farbe sein, weil
es keine einzelne Farbe giebt, an der alle Menschen
theilhaben. Ebenso liegt darin auch die Idee der Körpergestalt,
aber dies ist weder eine grosse, noch eine
kleine, noch eine mittlere Gestalt, sondern etwas von
diesen allen Abstrahirtes. Das Gleiche gilt von allem
Uebrigen. Da es ferner eine grosse Menge anderer
Geschöpfe giebt, die in einigen Theilen, aber nicht in
allen mit der abstracten Idee »Mensch« übereinkommen,
so lässt der Geist die Theile weg, welche den
Menschen eigenthümlich sind, hält nur diejenigen
fest, welche allen lebendenWesen gemeinsam sind,
und bildet so die Idee des »animal«, worin nicht nur
von allen einzelnen Menschen, sondern auch von
allen Vögeln, Vierfüsslern, Fischen und Insekten abstrahirt
wird. Die constituirenden Theile der abstracten
Idee eines Thieres (animal) sind: Körper, Leben,
Sinnesempfindung und freiwillige Bewegung, unter
»Körper« wird verstanden ein Körper ohne irgend
eine besondere Gestalt oder Figur, da keine solche
allen Thieren gemeinsam ist, ohne Bedeckung mit
Haaren, Federn oder Schuppen u.s.w., aber auch nicht
nackt, da Haare, Federn, Schuppen und Nacktheit unterscheidende
Eigenthümlichkeiten einzelner Thiere
sind und darum aus der abstracten Idee wegbleiben.
Aus demselben Grunde darf die freiwillige Bewegung
weder ein Gehen, noch ein Fliegen, noch ein Kriechen
sein; sie ist nichtsdestoweniger eine Bewegung, - was
für eine Bewegung aber, ist nicht leicht zu begreifen.

X. Ob Andere diese wunderbare Fähigkeit der Ideenabstraction
besitzen, können sie uns am besten
sagen; was mich betrifft, so finde ich in der That in
mir eine Fähigkeit, mir die Ideen der einzelnen Dinge,
die ich wahrgenommen habe, vorzustellen oder zu
vergegenwärtigen, und dieselben mannichfach zusammenzusetzen
und zu theilen. Ich kann mir einen Mann
mit zwei Köpfen oder auch die oberen Theile eines
Menschen mit dem Leibe eines Pferdes verbunden
vorstellen. Ich kann die Hand, das Auge, die Nase,
jedes für sich abstract oder getrennt von den übrigen
Theilen des Körpers betrachten. Was für eine Hand
oder was für ein Auge ich dann aber auch mir vorstellen
mag, so muss doch dieser Hand oder diesem Auge
irgend eine bestimmte Gestalt und Farbe zukommen.
Ebenso muss auch die Idee eines Mannes, die ich mir
bilde, entweder die eines weissen oder eines schwarzen
oder eines rothhäutigen, eines gerade oder krumm
gewachsenen, eines grossen oder kleinen oder eines
Mannes von mittlerer Grösse sein. Es ist unmöglich,
durch ein angestrengtes Denken die oben beschriebene
abstracte Idee zu erfassen. Ebenso unmöglich ist es
mir, die abstracte Idee einer Bewegung ohne einen
sich bewegenden Körper, die weder schnell, noch
langsam, weder krummlinig, noch geradlinig sei, zu
bilden, und das Gleiche gilt von jedweder anderen abstracten
allgemeinen Idee. Um mich genauer zu erklären:
ich finde mich selbst befähigt zur Abstraction in
Einem Sinne, nämlich wenn ich gewisse einzelne
Theile oder Eigenschaften gesondert von anderen betrachte,
mit denen sie zwar in irgend welchem Object
vereinigt sind, ohne die sie aber inWirklichkeit
existiren können. Aber ich finde mich nicht befähigt,
diejenigen Eigenschaften von einander durch Abstraction
zu trennen oder gesondert zu betrachten, welche
nicht möglicherweise ebenso gesondert existiren können,
oder einen allgemeinen Begriff durch Abstraction
von den besonderen in der vorhin bezeichneten Weise
zu bilden. In diesen beiden letzteren Bedeutungen
aber wird eigentlich der Terminus Abstraction gebraucht.
Auch ist die Annahme nicht unbegründet,
dass die meisten Menschen zugeben werden, mit mir
in gleichem Falle zu sein. Die meisten Menschen,
welche schlicht und ungelehrt sind, machen keinen
Anspruch auf den Besitz abstracter Begriffe. Man
sagt, dieselben seien schwierig und nicht ohne Mühe
und Studium zu erlangen. Wir dürfen nach dem Obigen
vernünftigerweise schliessen, dass, wenn es abstracte
Ideen giebt, dieselben nur bei Gelehrten sich
finden.

XI. Ich schreite nun zur Prüfung dessen fort, was
zur Vertheidigung der Lehre von der Abstraction vorgebracht
werden kann, und versuche zu entdecken,
was es sei, wodurch wissenschaftliche Männer bewegen
werden, eine Meinung anzunehmen, welche dem
gemeinen Menschenverstande so fremd ist, wie es
diese zu sein scheint. Ein kürzlich verstorbener, mit
Recht geschätzter Philosoph hat ohne Zweifel dieser
Meinung grossen Vorschub geleistet, indem er zu
denken scheint, der Besitz abstracter Ideen sei das,
was zwischen der Verstandeskraft des Menschen und
der Thiere den grössten Unterschied ausmache. »Der
Besitz allgemeiner Ideen« (sagt er) »begründet einen
durchgängigen Unterschied zwischen dem Menschen
und den vernunftlosenWesen und ist ein Vorzug, der
den Fähigkeiten der letzteren in keinerWeise erreichbar
ist. Denn es ist offenbar, dass wir bei denselben
keine Spur des Gebrauches allgemeiner Zeichen für
universale Ideen finden, wonach wir Grund haben anzunehmen,
dass sie nicht die Fähigkeit zu abstrahiren
oder allgemeine Ideen zu bilden besitzen, da sie keine
Worte oder irgend welche allgemeine Zeichen gebrauchen.
« Und kurz nachher: »Demgemäas dürfen wir,
denke ich, annehmen, dass hierin der specifische Unterschied
der Thiere von den Menschen bestehe; dieser
eigenthümliche Unterschied sondert sie gänzlich
und erweitert sich zuletzt zu einem so beträchtlichen
Abstände. Denn haben die Thiere überhaupt irgend
welche Vorstellungen und sind sie nicht, wie Einige
wollen, blosse Maschinen, so können wir nicht leugnen,
dass sie in einem gewissen Sinne Vernunft besitzen.
Ebenso offenbar wie die Thatsache, dass sie
Sinne besitzen, scheint mir auch dies zu sein, dass einige
von ihnen in gewissen Fällen Schlüsse ziehen,
aber nur mittelst solcher Einzelvorstellungen, wie sie
dieselben von ihren Sinnen empfangen. Auch die
obersten Thierklassen bleiben in diese engen Grenzen
gebannt, und vermögen dieselben nicht durch irgend
welche Abstraction zu erweitern.« (Versuch über den
menschlichen Verstand, Buch II, Cap. IX, Section 10
u. 11.) Ich stimme diesem gelehrten Schriftsteller unbedenklich
darin bei, dass den Fälligkeiten der Thiere
die Abstraction durchaus unerreichbar sei; nur fürchte
ich, dass, wenn hierin ihr Unterscheidungsmerkmal
liegen soll, sehr viele von denen, die für Menschen
gelten, mit ihnen in Eine Klasse zu setzen seien. Der
hier angegebene Grund, den Thieren keine abstracten
Ideen zuzuschreiben, liegt darin, dass wir bei ihnen
keinen Gebrauch vonWorten oder anderen allgemeinen
Zeichen beobachten. Dieser Grund ruht auf der
Voraussetzung, dass der Gebrauch vonWorten an
den Besitz Allgemeiner Ideen geknüpft sei, woraus
folgt, dass Menschen, die sich der Sprache bedienen,
fähig seien zu abstrahiren oder ihre Ideen zu verallgemeinern.
Dass dieses der Sinn und die Folgerung des
Verfassers ist, geht ferner aus seiner Antwort auf die
Frage hervor, die er an einer anderen Stelle aufwirft:
»Da doch alle existirenden Dinge Einzelobjecte sind,
wie gelangen wir zu allgemeinen Bezeichnungen?« Er
antwortet: »Worte werden dadurch allgemein, dass sie
zu Zeichen allgemeiner Ideen gemacht werden« (a. a.
O. B. III, Cap. III, Sect. 6). Es scheint jedoch, dass
einWort allgemein wird, indem es als Zeichen
gebraucht wird nicht für eine abstracte allgemeine
Idee, sondern für mehrere Einzelideen, deren jede es
besondere im Geiste anregt. Wird z.B. gesagt: die Bewegungsänderung
ist proportional der aufgewandten
Kraft, oder: alles Ausgedehnte ist theilbar, so
sind diese Regeln von Bewegung und Ausdehnung im
Allgemeinen zu verstehen; dennoch folgt nicht, dass
sie in meinem Geiste eine Vorstellung von Bewegung
ohne einen bewegten Körper oder ohne eine bestimmte
Richtung und Geschwindigkeit anregen, oder dass
ich eine abstracte allgemeine Idee einer Ausdehnung
bilden müsse, die weder Linie, noch Fläche, noch
Körper, weder gross, noch klein, weder schwarz, noch
weiss, noch roth, noch von irgend einer anderen bestimmten
Farbe sei; sondern es liegt darin nur, dass,
welche Bewegung auch immer ich betrachten mag, sei
dieselbe schnell oder langsam, senkrecht, wagerecht
oder schräg, sei sie die Bewegung dieses oder jenes
Objectes, das sie betreffende Axiom sich gleichmässig
bewahrheite. Ebenso bewahrheitet sich der andere
Satz bei jeder besonderen Ausdehnung, wobei es keinen
unterschied macht, ob dieselbe eine Linie oder
eine Fläche oder ein Körper, ob dieselbe von dieser
oder jener Grösse oder Figur sei.

XII. Indem wir beobachten, wie Ideen allgemein
werden, gelangen wir zu einem richtigeren Urtheil
darüber, wieWorte dies werden. Ich muss hier
bemerken, dass ich nicht absolut die Existenz von allgemeinen
Ideen, sondern nur die von abstracten allgemeinen
Ideen leugne; denn an den obigen Stellen,
wo allgemeine Ideen erwähnt werden, ist stets vorausgesetzt,
dass sie durch Abstraction gebildet seien, auf
die in Section VIII. u. IX. auseinandergesetzteWeise.
Wollen wir nun mit unserenWorten einen bestimmten
Sinn verknüpfen und nur von Begreiflichem reden, so
müssen wir, glaube ich, anerkennen, dass eine Idee,
die an und für sich eine Einzelvorstellung ist, allgemein
dadurch wird, dass sie dazu verwendet wird, alle
anderen Einzelvorstellungen derselben Art zu repräsentiren
oder statt derselben aufzutreten. Damit dies
durch ein Beispiel klar werde, stelle man sich vor,
dass ein Geometer den Nachweis führe, wie eine Linie
in zwei gleiche Theile zu zerlegen sei. Er zeichnet
etwa eine schwarze Linie von der Länge eines Zolls;
diese Linie, die an und für sich eine einzelne Linie ist,
ist nichtdestoweniger mit Rücksicht auf das, was
durch sie bezeichnet wird, allgemein, da sie, wie sie
hier gebraucht wird, alle einzelnen Linien, wie auch
immer dieselben beschaffen sein mögen, repräsentirt,
so dass, was von ihr bewiesen ist, von allen Linien,
oder mit anderenWorten, von einer Linie im Allgemeinen
bewiesen ist. Ebenso, wie die einzelne Linie
dadurch, dass sie als Zeichen dient, allgemein wird,
so ist der Name Linie, der an sich particular ist,
dadurch, dass er als Zeichen dient, allgemein geworden,
und wie die Allgemeinheit jener Idee nicht darauf
beruht, dass sie ein Zeichen für eine abstracte oder
allgemeine Linie wäre, sondern darauf, dass sie ein
Zeichen für alle einzelnen geraden Linien ist, die existiren
können, so muss auch angenommen werden,
dass dasWort Linie seine Allgemeinheit derselben
Ursache verdanke, nämlich dem Umstände, dass es
verschiedene einzelne Linien unterschiedslos bezeichnet.

XIII. Um dem Leser eine noch klarere Einsicht in
die Natur abstracter Ideen und in die Anwendungen,
um deren willen man derselben zu bedürfen glaubt, zu
verschaffen, will ich noch folgende Stelle aus dem
»Versuch über den menschlichen Verstand« anführen:
»Abstracte Ideen sind Kindern oder im Denken noch
ungeübten Personen nicht so nahe liegend oder leicht
zu bilden, wie Einzelideen; so weit sie dies den Erwachsenen
sind, sind sie es nur durch den beständigen,
gewohnten Gebrauch geworden. Achten wir
genau auf sie, so werden wir finden, dass allgemeine
Ideen Gebilde und Erfindungen des Geistes sind, die
nicht ohne Schwierigkeit gebildet werden und sich
nicht so leicht von selbst einstellen, wie wir zu glauben
geneigt sind. Erheischt es z.B. nicht einige Mühe
und Geschicklichkeit, die allgemeine Idee eines Dreiecks
zu bilden, die doch noch keine der abstractesten,
umfassendsten und schwierigsten ist? Es soll die Idee
eines Dreiecks gebildet werden, welches weder schiefwinkelig,
noch rechtwinkelig, weder gleichseitig,
noch gleichschenkelig, noch ungleichschenkelig sei,
sondern alles dieses und zugleich auch nichts von diesem.
In der That ist dies etwas unvollständiges, das
nicht existiren kann, eine Idee, worin einige Theile
von verschiedenen und mit einander unvereinbaren
Ideen zusammengestellt sind. Allerdings bedarf der
Geist in seinem gegenwärtigen unvollkommenen Zustande
solcher Ideen und eilt möglichst sie zu bilden
zum Behuf der Mittheilung und Erweiterung der Erkenntniss,
da er zu beidem von Natur eine sehr starke
Neigung hat. Doch lässt sich mit Recht vermuthen,
dass solche Ideen Merkmale unserer Unvollkommenheit
seien. Zum mindesten reicht das Gesagte hin, zu
beweisen, dass die abstractesten und allgemeinsten
Ideen nicht diejenigen seien, mit welchen der Geist
zuerst und am leichtesten vertraut wird, nicht diejenigen,
auf welche seine ersten Kenntnisse sich beziehen
« (a. a. O. IV, VII, 9). Falls irgend Jemand die Fähigkeit
besitzt, in seinem Geiste eine solche Dreiecksidee
zu bilden, wie sie hier beschrieben ist, so ist es
vergeblich, sie ihm abdisputiren zu wollen; ich unternehme
das nicht. MeinWunsch geht nur dahin, der
Leser möge sich vollständig und mit Gewissheit überzeugen,
ob er eine solche Idee habe oder nicht. Und
dies, denke ich, kann für Niemanden eine schwer zu
lösende Aufgabe sein. Was kann einem Jeden leichter
sein, als ein wenig in seinen eigenen Gedankenkreis
hineinzuschauen und zu erproben, ob er eine Idee, die
der Beschreibung, welche hier von der allgemeinen
Idee eines Dreiecks gegeben worden ist, entspreche,
habe oder erlangen könne, die Idee eines Dreiecks,
welches weder schiefwinkelig, noch rechtwinkelig,
weder gleichseitig, noch gleichschenkelig, noch ungleichseitig,
sondern dieses alles und zugleich auch
nichts von diesem sei?

XIV. Es wird hier vieles von der Schwierigkeit gesagt,
welche sich an abstracte Ideen knüpfe, von der
Mühe und Kunst, die erforderlich sei, um sie zu bilden.
Und es ist gar nicht zu bezweifeln, dass es grosser
Mühe und Anstrengung des Geistes bedarf, unser
Denken von den Einzelobjecten loszumachen und sich
zu den hohen Speculationen zu erheben, welche sich
auf abstracte Ideen beziehen. Die natürliche Consequenz
hieraus scheint doch zu sein, dass etwas so
Schwieriges, wie die Bildung abstracter Ideen, nicht
eine Bedingung der Möglichkeit der Gedankenmittheilung
sei, die etwas allen Klassen der Menschen so
Leichtes und Gewöhnliches ist. Doch man sagt uns,
wenn sie Erwachsenen nahe liegend und leicht zu sein
scheinen, so seien sie dies nur durch beständigen und
gewöhnlichen Gebrauch geworden. Nun möchte ich
gern wissen, zu welcher Zeit die Menschen damit beschäftigt
seien, jene Schwierigkeit zu überwinden und
sich mit jenen nothwendigen Mitteln zur Unterredung
zu versorgen. Dies kann nicht dann geschehen, wenn
sie erwachsen sind, denn zu dieser Zeit sind sie, wie
es scheint, sich keiner derartigen Bemühung bewusst;
somit bleibt nur übrig, dass es einWerk ihrer Kindheit
sei. Gewiss wird man finden, dass die grosse und
vielfache Mühe der Bildung abstracter Ideen eine
schwere Aufgabe für dieses Alter sei. Ist es nicht
schwer sich vorzustellen, dass ein paar Kinder nicht
miteinander von ihren Zuckerbohnen und Klappern
und ihrem anderen Tand plaudern können, wenn sie
nicht zuvor zahlloseWidersprüche miteinander vereinigt
und so in ihrem Geist abstracte allgemeine
Ideen gebildet und dieselben an jeden Gemeinnamen,
dessen sie sich bedienen, geknüpft haben?

XV. Auch glaube ich, dass dieselben zur Erweiterung
der Erkenntniss ganz ebenso wenig wie zur Mittheilung
erforderlich sind. Es wird, wie ich wohl
weiss, entschieden behauptet, dass alle Erkenntniss
und Beweisführung allgemeine Begriffe betreffe, und
ich stimme meinerseits dieser Behauptung völlig bei;
doch scheint mir, dass diese Begriffe nicht durch Abstraction
in der vorhin bezeichneten Weise gebildet
seien; denn Allgemeinheit besteht, so viel ich begreifen
kann, nicht in dem absoluten positivenWesen
oder Begriffe von irgend etwas, sondern in der Beziehung,
in welcher etwas zu anderem Einzelnen steht,
was dadurch bezeichnet oder vertreten wird, wodurch
es geschieht, dass Dinge, Namen oder Begriffe, die
ihrer eigenen Natur nach particular sind, allgemein
werden. Wenn ich irgend einen Satz beweise, der
Dreiecke betrifft, so nimmt man an, dass ich den allgemeinen
Begriff des Dreiecks im Auge habe; dies
muss aber nicht so verstanden werden, als ob ich eine
Idee eines Dreiecks, das weder gleichseitig, noch ungleichseitig,
noch gleichschenkelig wäre, bilden könnte,
sondern nur so, dass das einzelne Dreieck, welches
ich betrachte, gleichgiltig ob dasselbe von dieser oder
jener Art sei, geradlinige Dreiecke aller Art repräsentirt
oder statt derselben stellt und in diesem Sinne allgemein
ist. Dieses alles scheint sehr klar zu sein und
keine Schwierigkeit zu involviren.

XVI. Doch mag hier gefragt werden, wie wir anders
wissen können, dass ein Satz von allen einzelnen
Dreiecken wahr sei, als wenn wir ihn zuerst an der abstracten
Idee eines Dreiecks, die von allen einzelnen
gleichmässig gelte, bewiesen gesehen haben. Denn
daraus, dass gezeigt sein mag, eine Eigenschaft
komme irgend einem einzelnen Dreieck zu, folgt ja
doch nicht, dass dieselbe gleicherweise auch irgend
einem andern Dreieck zukomme, welches nicht in
jedem Betracht identisch mit jenem ist. Habe ich z.B.
gezeigt, dass die drei Winkel eines gleichschenkeligen
rechtwinkeligen Dreiecks zwei rechtenWinkeln
gleich seien, so kann ich hieraus nicht schliessen, dass
das Nämliche von allen anderen Dreiecken gelte, welche
weder einen rechtenWinkel, noch zwei einander
gleiche Seiten haben. Es scheint demnach, dass wir,
um gewiss zu sein, dass dieser Satz allgemein wahr
sei, entweder einen besonderen Beweis für jedes einzelne
Dreieck führen müssen, was unmöglich ist, oder
es ein- für allemal zeigen müssen an der allgemeinen
Idee eines Dreiecks, woran alle einzelnen unterschiedslos
theilhaben, und wodurch sie alle gleichmässig
repräsentirt werden. Darauf antworte ich,
dass, obschon die Idee, die ich im Auge habe, während
ich den Beweis führe, z.B. die eines gleichschenkeligen
rechtwinkeligen Dreiecks ist, dessen Seiten
von einer bestimmten Länge sind, ich nichtsdestoweniger
gewiss sein kann, derselbe Beweis finde Anwendung
auf alle anderen geradlinigen Dreiecke, von
welcher Form oder Grösse auch immer dieselben sein
mögen, und zwar darum, weil weder der rechte Winkel,
noch die Gleichheit zweier Seiten, noch auch die
bestimmte Länge der Seiten irgendwie bei der Beweisführung
in Betracht gezogen worden sind. Zwar
trägt das Gebilde, welches ich vor Augen habe, alle
diese Besonderheiten an sich, aber es ist durchaus
keine Erwähnung derselben in dem Beweise des
Satzes geschehen. Es ist nicht gesagt worden, die drei
Winkel seien darum zwei rechten gleich, weil einer
von ihnen ein rechter sei, oder weil die Seiten, welche
diesen einschliessen, gleich lang seien, was ausreichend
zeigt, dass derWinkel, der ein rechter ist, ein
schiefer hätte sein mögen und die Seiten ungleich, und
dass nichtsdestoweniger der Beweis giltig geblieben
wäre. Ans diesem Grunde und nicht darum, weil ich
von der abstracten Idee eines Dreiecks den Beweis geführt
hätte, schliesse ich, dass das von einem einzelnen
rechtwinkeligen gleichschenkeligen Dreieck Erwiesene
von jedem schiefwinkeligen und ungleichseitigen
Dreieck wahr sei. Es muss hier zugegeben werden,
dass es möglich ist, eine Figur blos als Dreieck
zu betrachten, ohne dass man auf die besonderen Eigenschaften
derWinkel oder Verhältnisse der Seiten
achtet. Insoweit kann man abstrahiren; aber dies beweist
keineswegs, dass man eine abstracte allgemeine,
mit inneremWiderspruch behaftete Idee eines Dreiecks
bilden könne. In gleicher Art können wir Peter,
insofern er ein Mensch ist oder insofern er ein lebendesWesen
ist, betrachten, ohne die vorerwähnte abstracte
Idee eines Menschen oder eines lebendenWesens
zu bilden, indem nicht alles Percipirte in Betracht
gezogen wird.

XVII. Es wäre eine gleich sehr endlose wie nutzlose
Aufgabe, den Schulphilosophen, jenen grossen
Meistern der Abstraction durch alle die mannichfachen
unentwirrbaren Irrgänge von Irrthum und Disputation
zu folgen, in welche ihre Lehre von abstracten
Wesen und Begriffen sie hineingeführt zu haben
scheint. Was für Hader und Streit entstanden, wie viel
gelehrter Staub aufgewirbelt worden ist wegen dieser
Dinge, und welch einen herrlichen Vortheil die
Menschheit daraus geschöpft hat, ist heute zu gut bekannt,
als dass man darüber noch ausführlich zu handeln
brauchte. Und es stände noch gut, wenn die übelen
Folgen dieser Lehre auf den Kreis ihrer erklärten
Bekenner eingeschränkt geblieben wären. Erwägt man
die grossen Mühen, den Fleiss und die Fähigkeiten,
welche so manche Menschenalter hindurch auf die
Pflege und Förderung derWissenschaften verwendet
worden sind, erwägt man, dass trotz alledem der weitaus
grössere Theil derselben voll Dunkelheit und Ungewissheit
und voll von Streitigkeiten, die nie enden
zu sollen scheinen, geblieben ist, und dass selbst diejenigenWissenschaften,
die für gestützt auf die klarsten
und zwingendsten Beweise gelten, seltsame Behauptungen
enthalten, die dem Verständniss der Menschen
völlig unzugänglich sind, und dass, Alles zusammengefasst,
nur ein geringer Theil derselben der
Menschheit einen wirklichen Nutzen anderer Art gewährt,
als den einer unschuldigen Zerstreuung und Ergetzung;
erwägt man, sage ich, dies alles, so kann
man leicht zur Hoffnungslosigkeit und völligen Verachtung
alles Studiums gelangen. Doch mag man
vielleicht anders urtheilen bei einem Blick auf die falschen
Principien, welche zur Geltung in derWelt gelangt
sind, und unter welchen allen keines, dünkt
mich, einen weiter reichenden Einfluss auf die Denkweise
der Forscher geübt hat, als die Lehre von abstracten
allgemeinen Ideen.

XVIII. Ich wende mich nun zur Betrachtung des
Ursprungs dieser herrschenden Vorstellung. Dieser
scheint mir in der Sprache zu liegen. Gewiss hätte
nichts, was weniger verbreitet ist, als die Vernunft
selbst, eine so allgemein angenommene Meinung verursachen
können. Dass dies wahr sei, geht, wie aus
anderen Gründen, so besonders auch aus dem offenen
Bekenntniss der geschicktesten Vertheidiger der abstracten
Ideen hervor, dass dieselben zum Zweck der
Benennung gebildet worden seien, woraus offenbar
folgt, dass, gäbe es nicht etwas wie Sprache oder allgemeine
Zeichen, niemals irgendwie an Abstraction
gedacht worden wäre. Siehe »Versuch über den
menschlichen Verstand«, III, VI, 39 und an anderen
Stellen.Wir wollen demgemäss untersuchen, in welcherWeise
der Gebrauch vonWorten zur Entstehung
jenes Irrthums beigetragen habe. Es kommt hierbei
zuvörderst in Betracht, dass man angenommen hat,
jeder Name habe oder sollte haben eine einzige
bestimmte und feste Bedeutung, was die Menschen
geneigt macht, zu denken, es gebe gewisse abstracte
bestimmte Ideen, welche die wahre und allein unmittelbare
Bedeutung eines jeden Gemeinnamens ausmachen,
und durch Vermittelung dieser abstracten Ideen
gelange ein Gemeinname dazu, irgend ein einzelnes
Ding zu bezeichnen, während es doch in Wahrheit
keineswegs eine einzelne genau bestimmte Bedeutung
giebt, die sich an irgend einen Gemeinnamen knüpfte,
da sie alle eine grosse Zahl einzelner Ideen unterschiedslos
bezeichnen. Dieses Alles folgt offenbar aus
dem schon Gesagten und wird einem Jeden durch einiges
Nachdenken einleuchtend werden. Hiergegen
wird eingewandt werden, dass jeder Name, der eine
Definition habe, hierdurch auf eine bestimmte Bedeutung
eingeschränkt sei. Ist z.B. ein Dreieck definirt
als eine durch drei gerade Linien begrenzte ebene
Fläche, so ist hierdurch dieser Name darauf eingeschränkt,
eine einzige bestimmte Idee und keine andere
zu bezeichnen. Ich antworte hierauf, dass in der
Definition nicht gesagt ist, ob die Fläche gross oder
klein sei, schwarz oder weiss, ob die Seiten lang oder
kurz seien, gleich oder ungleich, auch nicht, unter was
fürWinkeln sie gegen einander geneigt seien; in diesem
Allem kann grosse Verschiedenheit bestehen, und
es ist demgemäss keine bestimmte Idee gegeben, auf
welche die Bedeutung desWortes Dreieck
eingeschränkt wäre. Einen Namen beständig im Sinne
einer bestimmten Definition gebrauchen, heisst nicht
das Nämliche, wie durch ihn jedesmal die nämliche
Idee bezeichnen. Das Erstere ist durchaus erforderlich,
das Andere nutzlos und unausführbar.

XIX. Um aber ferner noch Rechenschaft davon zu
geben, wie Worte den Anlass zu der Lehre von den
abstracten Ideen gegeben haben, muss bemerkt werden,
dass es eine herrschende Meinung ist, die Sprache
habe keinen anderen Zweck, als unsere Ideen mitzutheilen,
und jeder Name, der etwas bezeichne, stehe
für eine Idee. Setzen wir dies voraus und ist es zugleich
gewiss, dass Namen, die doch nicht für ganz
bedeutungslos gelten, nicht immer denkbare Einzelvorstellungen
ausdrücken, so lässt sich mit Strenge
folgern, dass sie für einen abstracten Begriff stehen.
Dass manche allgemeine Bezeichnungen unter Gelehrten
im Gebrauch sind, die nicht immer bei Anderen
bestimmte Einzelvorstellungen anregen, wird Niemand
leugnen. Und durch einiges Nachdenken wird
man finden, dass es nicht nothwendig ist, dass selbst
bei der strengsten Gedankenverknüpfung Namen, die
etwas bedeuten und Ideen vertreten, jedesmal, so oft
sie gebraucht werden, in dem Geiste eben dieselben
Ideen erwecken, zu deren Vertretung sie gebildet worden
sind, da im Lesen und Sprechen Gemeinnamen
grösstentheils so gebraucht werden wie Buchstaben in
der Algebra, wo, obschon durch jeden Buchstaben
eine bestimmte Quantität bezeichnet wird, es doch
zum Zwecke des richtigen Fortgangs der Rechnung
nicht erforderlich ist, dass bei einem jeden Schritt
jeder Buchstabe die bestimmte Quantität, zu deren
Vertretung er bestimmt war, ins Bewusstsein treten
lasse.

XX. Zudem ist nicht, wie gewöhnlich angenommen
wird, die Mittheilung von Ideen, welche durchWorte
ausgedrückt werden, der hauptsächliche und sogar
einzige Zweck der Sprache. Es giebt andere Zwecke,
wie z.B. die Erregung irgend einer Leidenschaft, die
Bewirkung des Entschlusses eine Handlung auszuführen
oder zu unterlassen, die Versetzung des Gemüths
in irgend einen bestimmten Zustand, Zwecke, denen
der erstgenannte in manchen Fällen völlig untergeordnet
ist; ja derselbe kann ganz wegfallen, wenn diese
Zwecke sich ohne ihn erreichen lassen, wie dies,
denke ich, nicht selten in dem gewöhnlichen Reden
der Fall ist. Ich bitte den Leser, selbst nachzudenken
und zu beobachten, ob es nicht beim Hören oder
Lesen einer Rede oft geschieht, dass die Affecte der
Furcht, der Liebe, des Hasses, der Bewunderung, der
Verachtung und ähnliche unmittelbar in seinem Geiste
entstehen, sobald er gewisseWorte vernimmt,
ohne dass irgend welche Ideen dazwischen treten. Ursprünglich
mögen in der That die Worte Ideen
angeregt haben, die geeignet waren, solche Gemüthsbewegungen
hervorzubringen; aber es lässt sich,
wenn ich nicht irre, beobachten, dass, wenn uns einmal
die Sprache geläufig geworden ist, das Hören der
Töne, das Sehen der Zeichen oft unmittelbar die Affecte
zur Folge hat, die anfänglich nur durch Vermittelung
der Ideen hervorgerufen werden konnten, welche
nun völlig ausbleiben. Können wir z.B. nicht
freudig afficirt werden durch das Versprechen eines
guten Dings, auch ohne eine Vorstellung davon zu
haben, worin dieses bestelle? Oder reicht nicht schon
die Bedrohung mit einer Gefahr zu, Furcht zu erregen,
obschon wir nicht an irgend ein einzelnes Uebel denken,
das uns wahrscheinlich treffen werde, und uns
auch nicht eine abstracte Vorstellung bilden? Ich
glaube, dass Jeder, der auch nur ein wenig eigenes
Nachdenken mit dem Gesagten verbinden will, gewiss
die Ansicht gewinnen wird, dass Gemeinnamen oft als
Bestandtheile der Sprache gebraucht werden, ohne
dass der Sprechende sie zu Zeichen solcher Ideen in
seinem eigenen Geiste bestimmt, welche sie nach seiner
Absicht in dem Geiste des Hörers hervorrufen sollen.
Auch sogar Eigennamen scheinen nicht immer in
der Absicht ausgesprochen zu werden, uns die Vorstellungen
der Individuen ins Bewusstsein zu rufen,
die, wie man voraussetzt, durch sie bezeichnet werden.
Sagt mir z.B. ein Schulphilosoph: »Aristoteles
hat dies gesagt«, so ist nach meinem Verständniss
alles, was er damit beabsichtigt, dies, mich geneigt zu
machen, seine Meinung mit der Ehrerbietung und Unterwürfigkeit
anzunehmen, welche die Gewohnheit an
jenen Namen geknüpft hat. Diese Wirkung kann im
Geiste solcher, die gewöhnt sind, ihr Urtheil dem Ansehen
dieses Philosophen zu unterwerfen, so augenblicklich
eintreten, dass unmöglich irgend, eine Vorstellung
seiner Person, seiner Schriften, seines Rufs
vorausgegangen sein kann. Unzählige Beispiele dieser
Art könnten aufgestellt werden; aber warum sollte ich
bei Dingen verweilen, die einem Jeden seine eigene
Erfahrung ohne Zweifel reichlich ins Bewusstsein
ruft?

XXI. Es ist von uns, denke ich, die Unmöglichkeit
abstracter Ideen erwiesen worden. Wir haben erwogen,
was von ihren geschicktesten Vertheidigern gesagt
worden ist und wir haben zu zeigen gesucht, dass
sie von keinem Nutzen für die Zwecke seien, um
deren willen man sie für erforderlich hält. Wir haben
schliesslich der Quelle nachgespürt, woraus die Annahme
derselben fliesst, und diese in der Sprache gefunden.
Es kann nicht geleugnet werden, dass Worte
trefflich dazu dienen, den ganzen Vorrath von Kenntnissen,
der durch die vereinten Bemühungen von Forschem
aller Zeiten und Völker gewonnen worden ist,
in den Gesichtskreis eines jeden Einzelnen zu ziehen
und in seinen Besitz zu bringen. Zugleich aber muss
anerkannt werden, dass die meisten Theile desWissens
erstaunlich verwirrt und verdunkelt worden sind
durch den Missbrauch vonWorten und allgemeinen
Redeweisen, worin sie überliefert worden sind. Weil
demgemässWorte so leicht den Geist zu täuschen
vermögen, so werde ich, welche Ideen auch immer ich
betrachte, versuchen, sie gleichsam bloss und nackt
anzuschauen, indem ich aus meinem Denken, so weit
ich es vermag, jene Benennungen entferne, welche
eine lange und beständige Gewohnheit so eng mit
ihnen verknüpft hat, und ich darf erwarten, dass hieraus
folgende Vortheile herfliessen werden.

XXII. Zuerst darf ich gewiss sein, von allen blos
verbalen Controversen loszukommen; das Emporwachsen
dieses Unkrauts aber ist in fast allen Wissenszweigen
ein Haupthinderniss des Gedeihens der
Wahrheit und gesunden Erkenntniss gewesen. Zweitens
scheint dies ein sicherer Weg zu sein, mich jenem
feinen und zarten Netze abstracter Ideen zu entziehen,
welches auf eine so kläglicheWeise den Geist der
Menschen verwirrt und verstrickt hat, und zwar in der
seltsamen Weise, dass je schärfer und wissbegieriger
der Verstand eines Menschen war, er desto leichter
tief verstrickt und gefesselt werden konnte. Drittens,
so lange ich meine Betrachtung auf meine eigenen der
Worte entkleideten Ideen einschränke, sehe ich nicht,
wie ich leicht in die Irre gerathen könnte. Die Objecte
meiner Betrachtung kenne ich klar und genau. Ich
kann nicht die falsche Meinung hegen, ich hatte eine
Idee, die ich nicht habe. Es ist mir nicht möglich, mir
einzubilden, einige meiner eigenen Ideen seien einander
ähnlich oder unähnlich, die dies nicht wirklich
sind. Die Uebereinstimmungen oder Verschiedenheiten
zu unterscheiden, die zwischen meinen Ideen bestehen,
zu sehen, welche Ideen in einer zusammengesetzten
Idee enthalten sind, und welche nicht dazu ist
nichtsWeiteres erforderlich, als eine aufmerksame
Wahrnehmung dessen, was in meinem eigenen denkenden
Geiste vorgeht.

XXIII. Aber die Erreichung aller dieser Vortheile
hat zur Voraussetzung eine völlige Befreiung von der
Täuschung durchWorte, und diese darf ich mir kaum
versprechen, so schwer ist es, eine Verbindung aufzulösen,
die so früh begonnen hat und durch eine so
lange Gewöhnung fest geworden ist, wie die, welche
zwischen Ideen undWorten besteht. Diese Schwierigkeit
scheint durch die Lehre von der Abstraction um
sehr vieles vermehrt worden zu sein. Denn es dürfte
nicht befremdlich sein, dass man, so lange man dafür
hielt, abstracte Ideen seien an die Worte geknüpft,
Worte statt der Ideen gebrauchte, da es unausführbar
gefunden wurde, das Wort bei Seite zu setzen und abstracte
Ideen im Geiste zu behalten, die an sich selbst
durchaus undenkbar waren. Dies scheint mir die
Hauptursache zu sein, warum die Männer, welche so
nachdrücklich Anderen empfohlen haben, allen Gebrauch
vonWorten in ihrem Nachsinnen bei Seite zu
setzen und ihre blossen Ideen zu betrachten, doch bei
dem Versuch, dies selbst zu leisten, gescheitert sind.
Neuerdings sind von Manchen die absurden Meinungen
und sinnlosen Streitverhandlungen, welche aus
dem Missbrauch derWorte erwachsen, wohl bemerkt
worden, und sie geben den guten Rath, um diese
Uebel zu vermeiden, solle man auf die bezeichneten
Ideen achten und seine Aufmerksamkeit von denWorten
ablenken, welche dieselben bezeichnen. Wie trefflich
aber auch dieser Rath sein mag, den sie Anderen
ertheilt haben, so ist doch klar, dass sie selbst ihn
nicht genügend befolgen konnten, so lange sie dafür
hielten, die Worte dienten unmittelbar nur zur Ideenbezeichnung,
und die unmittelbare Bedeutung eines
jeden Gemeinnamens sei eine bestimmte abstracte
Idee.

XXIV. Nachdem aber diese Meinungen als Irrthümer
erkannt sind, so kann man leichter sich davor
hüten, durchWorte getäuscht zu werden. Wer weiss,
dass er keine anderen Ideen als Einzelideen besitzt,
wird sich nicht vergeblich bemühen, die an irgend
einen Namen geknüpfte abstracte Idee herauszufinden
und zu denken.Wer weiss, dass Namen nicht immer
Ideen vertreten, wird sich die Mühe ersparen, nach
Ideen zu suchen, wo keine gewesen sind. Es wäre
demgemäss zu wünschen, dass ein Jeder so sehr als
möglich sich bemühte, eine klare Einsicht in die Ideen
zu gewinnen, die er betrachten will, indem er von denselben
alle die Bekleidung und allen den beschwerenden
Anhang vonWorten abtrennt, der so sehr dazu
beiträgt, das Urtheil zu trüben und die Aufmerksamkeit
zu theilen. Vergeblich erweitern wir unsern Blick
in die himmlischen Räume und erspähen das Innere
der Erde; vergeblich ziehen wir die Schriften gelehrter
Männer zu Rathe und verfolgen die dunkeln Spuren
des Alterthums; wir sollten nur den Vorhang von
Worten wegziehen, um klar und rein den Erkenntnissbaum
zu erblicken, dessen Frucht vortrefflich und unserer
Hand erreichbar ist.

XXV. Wenn wir nicht Sorge tragen, die ersten
Principien der Erkenntniss rein als solche zu denken,
abgelöst von der Verwirrung und Täuschung, die sich
anWorte knüpft, so mögen wir endlose Betrachtungen
über sie ohne irgend einen Erfolg anstellen; wir
mögen Consequenzen aus Consequenzen ziehen und
werden doch niemals weiser werden. Je weiter wir
gehen, um so unrettbarer werden wir in Schwierigkeiten
und Irrthümer uns verlieren, um so tiefer in diese
uns verwickeln. Ich bitte demgemäss einen Jeden, der
die folgenden Bogen zu lesen gedenkt, meineWorte
sich als Anlass zu eigenem Denken dienen zu lassen
und zu versuchen, beim Lesen den nämlichen Gedankengang
zu bilden, welcher der meinige beim Schreiben
war. Hierdurch wird es ihm leicht werden, die
Wahrheit oder Unwahrheit dessen, was ich sage, zu
entdecken. Er wird ganz ausser Gefahr sein, durch
meineWorte getäuscht zu werden, und ich sehe nicht,
wie er zu einem Irrthum verleitet werden könne, wenn
er seine eigenen nackten, der entstellenden Hülle entledigten
Ideen betrachtet.

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Ueber die Principien
der menschlichen Erkenntniss

I. Jedem, der einen Blick auf die Gegenstände der
menschlichen Erkenntniss wirft, leuchtet ein, dass dieselben
theils den Sinnen gegenwärtig eingeprägte
Ideen sind, theils Ideen, welche durch ein Aufmerken
auf das, was die Seele leidet und thut, gewonnen werden,
theils endlich Ideen, welche mittelst des Gedächtnisses
und der Einbildungskraft durch Zusammensetzung,
Theilung oder einfache Vergegenwärtigung der
ursprünglich in einer der beiden vorhin angegebenen
Weisen empfangenen Ideen gebildet werden. Durch
den Gesichtssinn erhalte ich die Licht- und Farben-
Ideen in ihren verschiedenen Abstufungen und qualitativen
Modificationen, durch den Tastsinn percipire
ich z.B. Härte und Weichheit, Hitze und Kälte, Bewegung
undWiderstand, und von diesem allem mehr
oder weniger hinsichtlich der Quantität oder des Grades.
Der Geruchssinn verschafft mir Gerüche, der Geschmackssinn
Geschmacksempfindungen, der Sinn
des Gehörs führt dem Geiste Schallempfindungen zu
in ihrer ganzen Mannichfaltigkeit nach Ton und Zusammensetzung.
Da nun beobachtet wird, dass einige
von diesen Empfindungen einander begleiten, so geschieht
es, dass sie mit Einem Namen bezeichnet und
in Folge hiervon als Ein Ding betrachtet werden. Ist
z.B. beobachtet worden, dass eine gewisse Farbe, Geschmacksempfindung,
Geruchsempfindung, Gestalt
und Festigkeit vereint auftreten, so werden sie für Ein
bestimmtes Ding gehalten, welches durch den Namen
Apfel bezeichnet wird. Andere Gruppen von Ideen
bilden einen Stein, einen Baum, ein Buch und ähnliche
sinnliche Dinge, die, je nachdem sie gefallen oder
missfallen, die Gefühle des Hasses, der Freude, des
Kummers u.s.w. hervorrufen.

II. Aber neben all dieser endlosen Mannichfaltigkeit
von Ideen oder Erkenntnissobjecten existirt ebensowohl
auch etwas, das sie erkennt oder percipirt und
verschiedene Thätigkeiten, wie wollen, sich vorstellen,
sich wiedererinnern, an den Ideen ausübt. Dieses
percipirende, thätige Wesen ist dasjenige, was ich Gemüth,
Geist, Seele oder mich selbst nenne. Durch
dieseWorte bezeichne ich nicht irgend eine meiner
Ideen, sondern ein von ihnen allen ganz verschiedenes
Ding, worin sie existiren oder, was das Nämliche besagt,
wodurch sie percipirt werden; denn die Existenz
einer Idee besteht im Percipirtwerden.

III. Dass weder unsere Gedanken, noch unsere Gefühle,
noch unsere Einbildungsvorstellungen ausserhalb
des Geistes existiren, wird ein Jeder zugeben. Es
scheint aber nicht weniger evident zu sein, dass die
verschiedenen Sinnesempfindungen oder den Sinnen
eingeprägten Ideen, wie auch immer dieselben mit
einander vermischt oder verbunden sein mögen (d.h.
was für Objecte auch immer sie bilden mögen), nicht
anders existiren können, als in einem Geiste, der sie
percipirt. Dies kann, glaube ich, von einem Jeden anschaulich
erkannt werden, der darauf achten will, was
unter dem Ausdruck existiren bei dessen Anwendung
auf sinnliche Dinge zu verstehen ist. Sage ich: der
Tisch, an dem ich schreibe, existirt, so heisst das: ich
sehe und fühle ihn; wäre ich ausserhalb meiner Studirstube,
so könnte ich die Existenz desselben in dem
Sinne aussagen, dass ich, wenn ich in meiner Studirstube
wäre, denselben percipiren könnte, oder dass irgend
ein anderer Geist denselben gegenwärtig percipire.
Es war da ein Geruch, heisst: derselbe ward
wahrgenommen; ein Ton fand statt, heisst: derselbe
ward gehört; eine Farbe oder Gestalt: sie ward durch
den Gesichtssinn oder durch den Tastsinn percipirt.
Dies ist der einzige verständliche Sinn dieser und
aller ähnlichen Ausdrücke. Denn was von einer absoluten
Existenz undenkender Dinge ohne irgend eine
Beziehung auf ihr Percipirtwerden gesagt zu werden
pflegt, scheint durchaus unverständlich zu sein. Das
Sein (esse) solcher Dinge ist Percipirtwerden (percipi).
Es ist nicht möglich, dass sie irgend eine Existenz
ausserhalb der Geister oder denkenden Wesen
haben, von welchen sie percipirt werden.

IV. Es besteht in der That eine auffallend verbreitete
Meinung, dass Häuser, Berge, Flüsse, mit Einem
Wort, alle sinnlichen Objecte, eine natürliche oder
reale Existenz haben, welche von ihrem Percipirtwerden
durch den denkenden Geist verschieden sei. Mit
wie grosser Zuversicht und mit wie allgemeiner Zustimmung
aber auch immer dieses Princip behauptet
werden mag, so wird doch, wenn ich nicht irre, ein
Jeder, der den Muth hat es in Zweifel zu ziehen, finden,
dass dasselbe einen offenbarenWiderspruch involvirt.
Denn was sind die vorhin erwähnten Objecte
anderes als die sinnlich von uns wahrgenommenen
Dinge, und was percipiren wir anderes als unsere eigenen
Ideen oder Sinnesempfindungen? und ist es
nicht ein vollkommenerWiderspruch, dass irgend
eine solche oder irgend eine Verbindung derselben
unwahrgenommen existire?

V. Wenn wir diese Annahme gründlich prüfen, so
wird sich vielleicht herausstellen, dass sie sich
schliesslich auf die Lehre von den abstracten Ideen
zurückführen lässt. Denn kann wohl die Abstraction
auf eine grössere Höhe getrieben werden, als bis zur
Unterscheidung der Existenz sinnlicher Dinge von
ihrem Percipirtwerden, so dass man sich vorstellt, sie
existirten unpercipirt? Licht und Farben, Hitze und
Kälte, Ausdehnung und Figuren, mit EinemWort, die
Dinge, welche wir sehen und fühlen, was sind sie
anderes als verschiedenartige Sinnesempfindungen,
Vorstellungen, Ideen oder Eindrücke auf die Sinne,
und ist es möglich, auch nur in Gedanken irgend eine
derselben vom Percipirtwerden zu trennen? Ich für
meine Person könnte ebenso leicht ein Ding von sich
selbst abtrennen. Ich kann in der That vermöge meines
Denkens solche Dinge von einander abtrennen
oder gesondert auffassen, die ich vielleicht niemals
durch die Sinne in solcher Trennung percipirt habe.
So stelle ich den Rumpf eines menschlichen Körpers
ohne die Glieder vor oder den Geruch einer Rose,
ohne an die Rose selbst zu denken. Insoweit, das
leugne ich nicht, vermag ich zu abstrahiren, wenn anders
der Ausdruck Abstraction hier noch im eigentlichen
Sinne gilt, wo es sich nur darum handelt, solche
Objecte gesondert zu denken, welche in der That von
einander getrennt existiren oder wirklich eins ohne
das andere percipirt werden können; aber meine Fähigkeit
zu denken oder vorzustellen erstreckt sich
nicht weiter, als die Möglichkeit einer realen Existenz
oder Perception. So unmöglich es mir ist, ein Ding
ohne eine wirklicheWahrnehmung desselben zu
sehen oder zu fühlen, eben so unmöglich ist es mir
hiernach, irgend ein sinnlich wahrnehmbares Ding
oder Object gesondert von der sinnlichenWahrnehmung
oder Perception desselben zu denken.

VI. Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind so
einleuchtend, dass man nur die Augen des Geistes zu
öffnen braucht, um sie zu erkennen. Zu diesen rechne
ich die wichtige Wahrheit, dass der ganze himmlische
Chor und die Fülle der irdischen Objecte, mit Einem
Wort, alle die Dinge, die das grosse Weltgebäude
ausmachen, keine Subsistenz ausserhalb des Geistes
haben, dass ihr Sein ihr Percipirtwerden oder Erkanntwerden
ist, dass sie also, so lange sie nicht wirklich
durch mich erkannt sind oder in meinem Geiste
oder in dem Geiste irgend eines anderen geschaffenen
Wesens existiren, entweder überhaupt keine Existenz
haben oder in dem Geiste eines ewigenWesens existiren
müssen, da es etwas völlig Undenkbares ist und
alle Verkehrtheit der Abstraction in sich schliesst,
wenn irgend einem Theile derselben eine von dem
Geiste unabhängige Existenz zugeschrieben wird. Um
sich hiervon zu überzeugen, braucht der Leser nur
durch eigenes Nachdenken den Versuch zu machen, in
Gedanken das Sein eines sinnlich wahrnehmbaren
Dinges von dessen Percipirtwerden zu trennen.

VII. Aus dem Gesagten folgt, dass es keine andere
Substanz giebt, als den Geist oder das, was percipirt.
Zum vollständigeren Erweis dieses Satzes aber werde
in Erwägung gezogen, dass die sinnlichen Qualitäten
Farbe, Figur, Bewegung, Geruch, Geschmack und
ähnliche sind, d.h. die durch die Sinne percipirten
Ideen. Nun ist es ein offenbarerWiderspruch, dass
eine Idee in einem nicht percipirenden Dinge existire;
denn eine Idee haben ist ganz dasselbe, was percipiren
ist; dasjenige also, worin Farbe, Figur und die
ähnlichen Qualitäten existiren, muss sie percipiren;
hieraus ist klar, dass es keine nicht denkende Substanz
oder kein nicht denkendes Substrat dieser Dinge
geben kann.

VIII. Aber, sagt ihr, obschon die Ideen selbst nicht
ausserhalb des Geistes existiren, so kann es doch
ihnen ähnliche Dinge, deren Copien oder Ebenbilder
sie sind, geben, und diese Dinge existiren ausserhalb
des Geistes in einer nicht denkenden Substanz. Ich
antworte: eine Idee kann nur einer Idee ähnlich sein,
eine Farbe oder Figur nur einer anderen Farbe oder
Figur. Wenn wir auch noch so wenig auf unsere Gedanken
achten, so werden wir es unmöglich finden,
eine andere Aehnlichkeit als zwischen unseren Ideen
zu begreifen. Ausserdem frage ich, ob diese vorausgesetzten
Originale oder äusseren Dinge, deren Abbilder
oder Darstellungen unsere Ideen seien, selbst percipirbar
seien oder nicht. Sind sie es, dann sind sie Ideen,
und wir haben erreicht, was wir wollten; sagt ihr dagegen,
sie seien es nicht, so gebe ich jedem Beliebigen
die Entscheidung anheim, ob es einen Sinn habe,
zu behaupten, eine Farbe sei ähnlich etwas Unsichtbarem,
Härte oder Weichheit ähnlich etwas Untastbarem
u.s.w.

IX. Einige machen einen Unterschied zwischen
primären und secundären Qualitäten: unter den ersteren
verstehen sie Ausdehnung, Figur, Bewegung,
Ruhe, Solidität oder Undurchdringlichkeit, und Zahl;
durch den letzteren Ausdruck aber bezeichnen sie alle
anderen sinnlichen Qualitäten, wie z.B. Farben, Töne,
Geschmacksempfindungen u. so fort. Sie erkennen an,
dass die Ideen, welche wir von diesen Qualitäten
haben, nicht die Ebenbilder von irgend etwas seien,
das ausserhalb des Geistes oder unpercipirt existire;
sie behaupten aber, unsere Ideen der primären Qualitäten
seien Abdrücke oder Bilder von Dingen, die ausserhalb
des Geistes existiren in einer nicht denkenden
Substanz, welche sie Materie nennen. Unter Materie
haben wir demgemäss eine träge, empfindungslose
Substanz zu verstehen, in welcher Ausdehnung,
Figur und Bewegung wirklich existiren. Aber es geht
aus dem schon Gesagten deutlich hervor, dass Ausdehnung,
Figur und Bewegung nur Ideen sind, die in
dem Geiste existiren, und dass eine Idee nur einer
Idee ähnlich sein kann, und dass demgemäss weder
sie selbst noch auch ihre Urbilder in einer nicht percipirenden
Substanz existiren können. Hieraus ist offenbar,
dass eben der Begriff von dem, was Materie
oder körperliche Substanz genannt wird, einen Widerspruch
in sich schliesst.

X. Diejenigen, welche behaupten, dass Figur,
Bewegung und die übrigen primären oder ursprünglichen
Qualitäten ausserhalb des Geistes in undenkenden
Substanzen existiren, erkennen gleichzeitig an,
dass von Farben, Tönen, Hitze, Kälte und derartigen
secundären Qualitäten nicht das Nämliche gelte; sie
behaupten, die letzteren seien Sinnesempfindungen,
die nur im Geiste existiren, und dieselben seien abhängig
oder werden veranlasst von der verschiedenen
Grösse, Structur und Bewegung der kleinen Theile
der Materie. Sie halten dies für eine unzweifelhafte
Wahrheit, für die sie Beweise, die keine Widerrede
zulassen, zu führen vermögen. Wenn es nun aber gewiss
ist, dass diese »ursprünglichen Qualitäten« untrennbar
mit den anderen sinnlichen Qualitäten vereinigt
sind und sogar nicht in Gedanken von ihnen abgesondert
werden können, so folgt offenbar, dass sie
nur in dem Geiste existiren. Ich bitte aber einen Jeden
nachzudenken und zu erproben, ob er irgendwie durch
eine Vorstellungszerlegung die Ausdehnung und Bewegung
eines Körpers ohne alle anderen sinnlichen
Qualitäten denken könne. Ich für meine Person sehe
deutlich, dass es nicht in meiner Macht steht, eine
Idee eines ausgedehnten und bewegten Körpers zu
bilden, ohne ihm zugleich eine Farbe oder andere
sinnliche Qualität zuzuschreiben, welche anerkanntermaassen
nur in dem Geiste existirt. Kurz, Ausdehnung,
Figur und Bewegung sind undenkbar, wenn sie
von allen anderen Eigenschaften durch Abstraction
gesondert werden.Wo also die anderen sinnlichen Eigenschaften
sind, da müssen sie auch sein, d.h. in dem
Geiste und nirgendwo anders.

XI. Ferner sind anerkanntermaassen Grösse und
Kleinheit, Raschheit und Langsamkeit nur in unserem
Geiste, da sie völlig relativ sind und sich ändern, wie
die Gestalt oder Lage der Sinnesorgane sich ändert.
Die Ausdehnung demgemäss, welche ausserhalb des
Geistes existirt, ist weder gross, noch klein, die Bewegung
weder rasch, noch langsam, d.h. diese Ausdehnung
und diese Bewegung sind überhaupt nichts.
Aber, sagt ihr, sie sind Ausdehnung im Allgemeinen
und Bewegung im Allgemeinen. So zeigt sich, wie
sehr die Annahme, dass es ausgedehnte, bewegbare
Substanzen ausserhalb des Geistes gebe, von jener
seltsamen Lehre der abstracten Ideen abhängt. Und
bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin zu bemerken,
wie sehr die vage und unbestimmte Vorstellung
einer Materie oder körperlichen Substanz, wozu
die neueren Philosophen durch ihre eigenen Voraussetzungen
gedrängt werden, jenem antiquirten und so
viel verlachten Begriff einer materia prima gleicht,
der bei Aristoteles und seinen Anhängern gefunden
wird. Ohne Ausdehnung kann Solidität nicht gedacht
werden. Ist demnach gezeigt worden, dass Ausdehnung
nicht in einer nicht denkenden Substanz existirt,
so muss das Gleiche von der Solidität wahr sein.

XII. Dass die Zahl durchaus ein Product des Geistes
sei, auch wenn zugegeben würde, dass die anderen
Qualitäten ausserhalb des Geistes existiren, wird
einem Jeden einleuchten, der bedenkt, dass das nämliche
Ding eine verschiedene Zahlbezeichnung erhält,
wenn der Geist es in verschiedenen Beziehungen betrachtet.
So ist z.B. die nämliche Ausdehnung 1 oder
3 oder 36, je nachdem der Geist sie im Verhältniss zu
einer Elle (einer engl. Elle von 3 Fuss) oder zu einem
Fuss oder zu einem Zoll betrachtet. Die Zahl ist so
augenscheinlich relativ und von dem menschlichen
Verstande abhängig, dass es kaum zu denken ist, dass
irgend Jemand ihr eine absolute Existenz ausserhalb
des Geistes zuschreiben könne. Wir sagen Ein Buch,
Eine Seite, Eine Linie; diese alle sind gleich sehr Einheiten,
obschon einige derselben mehrere der anderen
enthalten. Und in jedem Betracht ist es klar, dass die
Einheit sich auf eine besondere Combination von
Ideen bezieht, welche der Geist willkürlich zusammenstellt.

XIII. Ich weiss, dass Einige dafür halten, die Einheit
sei eine einfache oder unzusammengesetzte Idee,
die alle anderen Ideen in unserem Geiste begleite. Ich
finde nicht, dass ich irgend eine solche Idee habe, die
demWorte Einheit entspräche, und ich denke doch,
dass es, wenn ich sie hätte, nicht fehlen könnte, dass
ich sie fände, es müsste vielmehr mein Geist mit ihr
am allervertrautesten sein, da sie ja, wie behauptet
wird, alle anderen Ideen begleiten und durch alle Weisen
der sinnlichen und innerenWahrnehmung percipirt
werden soll. Um Alles mit EinemMale zu sagen:
sie ist eine abstracte Idee.

XIV. Ich füge hinzu, dass in derselben Weise, wie
neuere Philosophen beweisen, dass gewisse sinnliche
Eigenschaften keine Existenz in der Materie oder ausserhalb
des Geistes haben, das Gleiche auch von
allen anderen sinnlichen Eigenschaften bewiesen werden
kann. So wird z.B. gesagt, dass Hitze und Kälte
nur psychische Affectionen seien und durchaus nicht
Abdrücke von wirklichen in den körperlichen Substanzen,
durch welche sie angeregt werden, existirendenWesen;
denn der nämliche Körper, welcher einer
Hand als warm erscheine, erscheine einer anderen als
kalt. Warum sollen wir nun nicht ebensowohl schliessen,
dass Figur und Ausdehnung nicht Abdrücke oder
Aehnlichkeiten von in der Materie existirenden Eigenschaften
seien, da sie dem nämlichen Auge von verschiedenen
Punkten aus oder von dem nämlichen
Punkte aus Augen von verschiedener Structur verschieden
erscheinen und daher nicht Bilder von etwas
ausserhalb des Geistes unwandelbar Bestimmtem sein
können? Ferner wird bewiesen, dass Süssigkeit nicht
wirklich in dem wohlschmeckendes Dinge sei, weil
ohne Veränderung dieses Dinges die Süssigkeit sich
in Bitterkeit umwandelt, z.B. beim Fieber oder einer
anderweitigen Alteration des Gaumens. Ist es nicht
ebenso vernunftgemäss zu sagen, dass Bewegung
nicht ausserhalb des Geistes stattfinde, da, wenn die
Aufeinanderfolge von Vorstellungen in dem Geiste rascher
wird, die Bewegung anerkanntermaassen, ohne
dass irgend eine Veränderung in irgend einem realen
Object stattgefunden hat, langsamer zu sein scheinen
wird?

XV. Kurz, wenn Jemand jene Argumente recht erwägt,
von denen man glaubt, dass sie deutlich erweisen,
dass Farben und Geschmacksempfindungen bloss
in dem Geiste existiren, so wird er finden, dass sie mit
gleicher Kraft das Nämliche von der Ausdehnung,
Figur und Bewegung darzuthun vermögen. Doch
muss zugegeben werden, dass diese Argumentationsweise
nicht sowohl beweist, dass es keine Ausdehnung
oder Farbe in einem äusseren Objecte gebe, als
vielmehr nur, dass wir nicht durch die Sinne erkennen,
welches die wahre Ausdehnung oder Farbe des
Objectes sei. Aber die vorhergehenden Argumente
zeigen deutlich die Unmöglichkeit, dass überhaupt irgend
eine Farbe oder Ausdehnung oder sinnlich wahrnehmbare
Eigenschaft irgend welcher Art in einem
nicht denkenden Substrat ausserhalb des Geistes existire,
oder vielmehr die Unmöglichkeit, dass es irgend
etwas Derartiges, wie ein äusseres Object gebe.

XVI. Prüfen wir jedoch noch ein wenig die herrschende
Ansicht! Man sagt, Ausdehnung sei ein
Modus oder ein Accidens der Materie, und diese sei
das Substrat, welches jene trage. Nun möchte ich
gern, dass mir erklärt würde, was unter dem der Materie
zugeschriebenen Tragen der Ausdehnung zu verstehen
sei. Sagt ihr, ich habe keine Idee von der Materie
und kann dies daher nicht erklären, so antworte
ich: mögt ihr auch keine positive Idee der Materie
haben, so darf doch zum mindesten eine negative euch
nicht fehlen, wenn ihr überhaupt irgend einen Sinn
mit demWorte verknüpft; obschon ihr nicht wisst,
was sie ist, so muss doch vorausgesetzt werden dürfen,
dass ihr wisst, in welcher Beziehung sie zu ihren
Accidentien stehe und was unter ihrem Tragen derselben
zu verstehen sei. Offenbar kann dasWort »tragen
« hier nicht in seinem gewöhnlichen oder buchstäblichen
Sinne genommen werden, wie wenn wir
sagen, dass Säulen ein Gebäude tragen; in welchem
Sinne ist es denn nun zu verstehen?

XVII. Prüfen wir das, was die sorgfältigsten Philosophen
selbst unter dem Ausdruck »materielle Substanz
« zu verstehen erklären, so finden wir, dass sie
bekennen, keinen anderen Sinn mit diesen Lauten zu
verknüpfen, als die Idee einesWesens (eines Etwas,
eines Seienden, being) überhaupt, zusammen mit dem
relativen Begriff seines Tragens von Accidentien. Mir
scheint die allgemeine Idee einesWesens abstracter
und unbegreiflicher als alle anderen zu sein, und was
das Tragen von Accidentien betrifft, so kann dies, wie
vorhin bemerkt worden ist, nicht in dem gewöhnlichenWortsinn
verstanden, muss also in einem anderen
Sinne genommen werden, der unerklärt bleibt.
Demgemäss gelange ich, wenn ich die beiden Theile
oder Seiten der Bedeutung derWorte »materielle
Substanz« betrachte, zu der Ueberzeugung, dass
damit gar kein bestimmter Sinn verbunden ist. Doch
warum sollen wir uns noch weiter bemühen mit der
Erörterung dieses materiellen Substrats oder Trägers
von Figur, Bewegung und anderen sinnlichen Qualitäten?
Setzt dasselbe nicht voraus, dass diese eine Existenz
ausserhalb des Geistes haben? Und ist dies
nicht ein directer Widerspruch und durchaus unbegreiflich?

XVIII.Wäre es aber auch möglich, dass feste, gestaltete,
bewegliche Substanzen, die den Ideen, welche
wir von Körpern haben, entsprächen, ausserhalb
des Geistes existirten, wie sollte es uns möglich sein,
dies zu wissen? Entweder müssten wir es durch die
Sinne oder durch ein Denken erkennen. Durch unsere
Sinne aber haben wir nur die Kenntniss unserer Sinnesempfindungen,
Ideen oder jener Dinge, die, man
benenne sie, wie man wolle, unmittelbar sinnlich
wahrgenommen werden; aber die Sinne lehren uns
nicht, dass Dinge ausserhalb des Geistes oder unpercipirt
existiren, die denjenigen gleichen, welche percipirt
werden. Dies erkennen die Materialisten selbst
an. Es bleibt also nur übrig, dass wir, wenn wir überhaupt
irgend einWissen von äusseren Objecten besitzen,
dieses durch ein Denken erlangt haben, indem
wir die Existenz derselben aus dem, was unmittelbar
sinnlich percipirt ist, erschliessen.Welcher Schluss
aber kann uns bestimmen, auf Grund dessen, was wir
percipiren, die Existenz von Körpern ausserhalb des
Geistes anzunehmen, da doch gerade die Vertreter der
Lehre von der Materie selbst nicht behaupten, dass irgend
eine nothwendige Verbindung zwischen denselben
und unseren Ideen bestehe? Es wird ja allseitig
zugegeben (und was in Träumen, imWahnsinn und
ähnlichen Zuständen geschieht, setzt es ausser Zweifel),
dass es möglich sei, dass wir mit allen den Ideen,
die wir jetzt haben, ausgestattet seien, wenngleich
keine Körper ausser uns existirten, die ihnen glichen.
Also leuchtet ein, dass die Annahme der Existenz äusserer
Körper zur Erklärung unserer Ideenbildung
nicht erforderlich ist, da zugegeben wird, dass Ideen
in der nämlichen Ordnung, in welcher wir sie gegenwärtig
vorfinden, ohne Mitwirkung derselben zuweilen
wirklich hervorgebracht werden und möglicherweise
immer hervorgebracht werden können.

XIX. Jedoch wenn wir auch möglicherweise zu
allen unseren sinnlichen Wahrnehmungen ohne äussere
Objecte gelangen, so könnte man es doch vielleicht
für leichter halten, ihre Entstehungsweise durch die
Voraussetzung von äusseren Körpern, die ihnen ähnlich
seien, als auf andere Weise zu erklären, und so
würde es denn wenigstens für wahrscheinlich gelten
dürfen, dass solche Dinge wie Körper existiren, die
ihre Ideen in unseren Seelen anregen. Aber auch dies
kann nicht gesagt werden; denn geben wir auch den
Materialisten ihre äusseren Körper zu, so wissen sie
nach ihrem eigenen Bekenntniss doch noch ebenso
wenig, wie unsere Ideen hervorgebracht werden, da
sie sich selbst für unfähig erklären zu begreifen, in
welcher Art ein Körper auf einen Geist einwirken
könne, oder wie es möglich sei, dass eine Idee dem
Geiste eingeprägt werde. Hiernach leuchtet ein, dass
die Production von Ideen oder Sinneswahrnehmungen
in unserem Geiste kein Grund sein kann, Materie oder
körperliche Substanzen vorauszusetzen, da anerkannt
wird, dass diese Production unter jener Voraussetzung
und ohne dieselbe gleich unerklärlich bleibt. Also
selbst dann, wenn es möglich wäre, dass Körper ausserhalb
des Geistes existirten, müsste doch die Annahme,
dass solche wirklich existiren, eine sehr unsichere
Meinung sein, da dies voraussetzen hiesse, Gott
habe unzählige Dinge geschaffen, die durchaus
nutzlos seien und in keiner Art zu irgend welchem
Zwecke dienen.

XX. Kurz, gäbe es äussere Körper, so konnten wir
unmöglich zur Kenntniss derselben gelangen, und
gäbe es keine, so möchten wir doch die gleichen
Gründe, wie jetzt, für die Existenz derselben haben.
Macht die Voraussetzung, deren Möglichkeit Niemand
leugnen kann, eine Intelligenz habe ohne Mitwirkung
äusserer Körper die nämliche Reihe von Sinneswahrnehmungen
oder Ideen, die ihr habt, und zwar
sei dieselbe in der nämlichen Ordnung und mit gleicher
Lebhaftigkeit dem Geiste eingeprägt. Ich frage,
ob diese Intelligenz nicht ganz eben den Grund habe,
die Existenz körperlicher Substanzen, die durch seine
Ideen repräsentirt würden und dieselben in ihr anregten,
anzunehmen, den ihr möglicherweise haben
könnt, das Nämliche anzunehmen? Dies kann gar
nicht zweifelhaft sein, und diese Eine Betrachtung genügt
schon, jedem vernünftig Erwägenden die Kraft
der Argumente, von welcher Art auch dieselben sein
mögen, verdächtig zu machen, die er für die Annahme,
dass Körper ausserhalb des Geistes existiren,
vielleicht zu haben glaubt.

XXI. Wäre es erforderlich, irgend welchen ferneren
Beweis gegen die Existenz einer Materie dem schon
Gesagten noch beizufügen, so könnte ich einige von
jenen Irrthümern und Schwierigkeiten (um nicht zu
sagen Gottlosigkeiten) anführen, welche aus jener Annahme
hergeflossen sind. Dieselbe hat zahllose Streitfragen
und Disputationen in der Philosophie und nicht
wenige von weit grösserer Bedeutung in der Religion
hervorgerufen. Aber ich werde hier nicht speciell darauf
eingehen, theils weil ich dafür halte, dass es keiner
aus den Consequenzen (a posteriori) entnommenen
Argumente zur Bestätigung dessen bedürfe, was,
wenn ich nicht irre, zureichend aus den Realgründen
(a priori) erwiesen worden ist, theils darum, weil ich
hernach noch Gelegenheit finden werde, einiges darüber
zu sagen.

XXII. Ich fürchte, dass ich Anlass gegeben habe
zu glauben, ich sei unnöthigerweise weitläufig bei der
Behandlung dieses Gegenstandes gewesen. Denn
wozu dient es ausführlich zu sein über das, was mit
der grössten Deutlichkeit in einem oder zwei Sätzen
einem Jeden erwiesen werden kann, der auch nur des
geringsten Nachdenkens fällig ist? Ihr braucht blos
eure eigenen Gedanken zu betrachten und so zu erproben,
ob ihr für möglich halten könnt, dass ein Ton,
eine Figur, eine Bewegung oder eine Farbe ausserhalb
des Geistes oder unpercipirt existire. Dieser leichte
Versuch lässt euch erkennen, dass eure Behauptung
ein völliger Widerspruch ist, so sehr, dass ich damit
einverstanden bin, die Entscheidung der ganzen Frage
von dem Ergebniss abhängig zu machen. Falls ihr es
auch nur als möglich denken könnt, dass eine ausgedehnte
bewegliche Substanz oder im Allgemeinen irgend
eine Idee oder etwas einer Idee Aehnliches in
einer anderenWeise existire als in einem sie percipirenden
Geiste, so werde ich willig meinen Satz aufgeben
und euch die Existenz des ganzen Gefüges äusserer
Körper, die ihr behauptet, zugestehen, obschon ihr
mir keinen Grund angeben könnt, warum ihr glaubt,
dass es existire, und keinen Zweck, dem es diene,
wenn vorausgesetzt wird, dass es existire. Ich sage,
die blosse Möglichkeit, dass eure Meinung wahr sei,
soll für ein Argument gelten, dass sie in der That
wahr sei.

XXIII. Aber es ist doch, sagt ihr, gewiss nichts
leichter, als sich vorzustellen, dass z.B. Bäume in
einem Parke oder Bücher in einem Cabinet existiren,
ohne dass Jemand sie wahrnimmt. Ich antworte: es ist
freilich nicht schwer, dies vorzustellen, aber was, ich
bitte euch, heisst dies alles anders, als in eurem Geiste
gewisse Ideen bilden, die ihr Bücher und Bäume
nennt, und gleichzeitig unterlassen, die Idee von Jemandem,
der dieselben percipire, zu bilden? Aber
percipirt oder denkt ihr selbst denn nicht unterdess
eben diese Objecte? Dies führt also nicht zum Ziel; es
zeigt nur, dass ihr die Macht habt, zu erdenken oder
Vorstellungen in eurem Geiste zu bilden; aber es zeigt
nicht, dass ihr es als möglich begreifen könnt, dass
die Objecte eures Denkens ausserhalb des Geistes existiren;
um dies zu erweisen, müsstet ihr vorstellen,
dass sie existiren, ohne dass sie vorgestellt werden
oder an sie gedacht werde, was ein offenbarerWiderspruch
ist. Wenn wir das Aeusserste versuchen, um
die Existenz äusserer Körper zu denken, so betrachten
wir doch immer nur unsere eigenen Ideen. Indem aber
der Geist von sich selbst dabei keine Notiz nimmt, so
täuscht er sich mit der Vorstellung, er könne Körper
denken und denke Körper, die ungedacht von dem
Geiste oder ausserhalb des Geistes existiren, obschon
sie doch zugleich auch von ihm vorgestellt werden
oder in ihm existiren. Ein wenig Aufmerksamkeit
wird einem Jeden die Wahrheit und Evidenz dessen,
was hier gesagt worden ist, zeigen und es überflüssig
machen, andere Beweise gegen die Existenz einer materiellen
Substanz aufzustellen.

XXIV. Es ist schon bei der geringsten Prüfung unserer
eigenen Gedanken sehr leicht zu wissen, ob es
uns möglich sei zu verstehen, was gemeint sei mit der
absoluten Existenz sinnlich wahrnehmbarer Objecte
an sich oder ausserhalb des Geistes. Mir ist offenbar,
dass dieseWorte entweder einen directen Widerspruch
oder andernfalls überhaupt nichts bedeuten.
Um hiervon auch Andere zu überzeugen, weiss ich
keinen leichteren und geraderenWeg einzuschlagen,
als den, dass ich sie bitte, ruhig auf ihre eigenen
Gedanken zu achten, und wenn hierdurch die Sinnlosigkeit
dieser Ausdrücke oder derWiderspruch in
denselben zu Tage tritt, so ist gewiss nichtsWeiteres
zu ihrer Ueberzeugung erforderlich. Hierauf also lege
ich Gewicht, dass die Worte »absolute Existenz undenkender
Dinge« ohne Sinn oder mit einemWidersprach
behaftet seien. Dies wiederhole und betone ich
und empfehle es ernstlich dem aufmerksamen Nachdenken
des Lesers.

XXV. Alle unsere Ideen, Sinneswahrnehmungen
oder die Dinge, die wir percipiren, durch welche
Namen auch immer dieselben bezeichnet werden
mögen, sind augenscheinlich ohne Activität; es ist in
ihnen nichts von Kraft oder Thätigkeit enthalten, so
dass eine Idee oder ein Denkobject nicht irgend, eine
Veränderung in einem anderen hervorbringen oder bewirken
kann. Um uns von derWahrheit dieses Satzes
zu überzeugen, brauchen wir nur unsere Ideen zu beobachten.
Denn da sie und ein jeder ihrer Bestandtheile
nur In dem Geiste existiren, so folgt, dass nichts in
ihnen ist, als was percipirt wird. Ein Jeglicher, der auf
seine vermittelst der Sinne oder vermittelst der auf
Seelenvorgänge gerichteten Reflexion hervorgebrachten
Ideen achtet, wird in denselben keine Kraft oder
Thätigkeit wahrnehmen; es ist demgemäss nichts Derartiges
in ihnen enthalten. Ein wenig Aufmerksamkeit
wird uns zeigen, dass das Sein einer Idee die
Passivität oder Inactivität so durchaus involvirt, dass
es unmöglich ist, dass eine Idee etwas thue, oder, um
den genauen Ausdruck zu gebrauchen, die Ursache
von irgend Etwas sei; auch kann sie nicht das Abbild
oder der Abdruck von irgend einem activen Dinge
sein, wie aus Section VIII. hervorgeht. Hieraus folgt
offenbar, dass Ausdehnung, Figur und Bewegung
nicht die Ursache unserer Sinnesempfindungen sein
können.Wenn man sagt, dass diese dieWirkungen
von Kräften seien, die aus der Gestalt, Zahl, Bewegung
und Grösse von kleinsten Körpertheilen hervorgehen,
so muss dies hiernach gewiss falsch sein.

XXVI. Wir percipiren eine beständige Folge von
Ideen; einige derselben werden von Neuem hervorgerufen,
andere werden verändert oder verschwinden
ganz. Es giebt demnach eine Ursache dieser Ideen,
wovon sie abhängen und durch die sie hervorgebracht
und verändert werden. Dass diese Ursache keine Eigenschaft
oder Idee oder Verbindung von Ideen sein
kann, ist klar aus der vorigen Section. Dieselbe muss
also eine Substanz sein; es ist aber gezeigt worden,
dass es nicht eine körperliche oder materielle Substanz
giebt; es bleibt also nur übrig, dass die Ursache
der Ideen eine unkörperliche thätige Substanz oder ein
Geist ist.

XXVII. Ein Geist ist ein einfaches, untheilbares
thätigesWesen, welches, sofern es Ideen percipirt,
Verstand, und sofern es sie hervorbringt oder anderweitig
in Bezug auf sie thätig ist, Wille heisst. Daher
kann keine Idee einer Seele oder eines Geistes gebildet
werden; denn da (nach Section XXV.) alle Ideen
passiv oder unthätig sind, so können sie uns nicht als
Abbilder oder durch Aehnlichkeit das, was wirkt, repräsentiren.
Ein wenig Aufmerksamkeit wird einem
Jeden klar machen, dass es absolut unmöglich ist,
eine Idee zu haben, welche jenem thätigen Princip der
Bewegung und desWechsels der Ideen ähnlich sei.
Derartig ist die Natur des Geistes oder dessen, was
wirkt, dass derselbe nicht an sich selbst percipirt werden
kann, sondern nur vermöge der Wirkungen, die er
hervorbringt.Wenn Jemand an derWahrheit des hier
Vorgetragenen zweifelt, so mag er nur nachdenken
und versuchen, ob er die Idee irgend einer Kraft oder
eines thätigen Dinges bilden könne, und ob er Ideen
von zwei Grundkräften habe, die durch die Namen
Wille und Verstand bezeichnet werden und ebensowohl
von einander verschieden sind, wie von einer
dritten Idee, nämlich der Idee der Substanz oder des
Seienden überhaupt, die mit der Relationsvorstellung
verbunden ist, die vorhin genannten Kräfte zu tragen
oder ihr Substrat zu sein, und den Namen trägt Seele
oder Geist. Einige nehmen dies an; aber so viel ich
sehen kann, bezeichnen dieWorte Wille, Seele, Geist
nicht verschiedene Ideen oder inWahrheit überhaupt
nicht irgend eine Idee, sondern etwas, was von Ideen
sehr verschieden ist und was, da es etwas Thätiges ist,
nicht irgend welcher Idee ähnlich oder durch dieselbe
repräsentirt sein kann. Doch muss gleichzeitig zugegeben
werden, dass wir einen gewissen Begriff (notion)
von der Seele, dem Geist und den psychischen
Thätigkeiten, wie Wollen, Lieben, Hassen haben, sofern
wir den Sinn dieser Worte kennen oder verstehen.

XXVIII. Ich finde, dass ich Ideen in meinem Geiste
nach Belieben hervorrufen und die Scene so oft
wechseln und sich verändern lassen kann, als ich es
für geeignet halte. Ich brauche nur zu wollen und sofort
taucht diese oder jene Idee in meiner Phantasie
auf, und durch dieselbe Kraft tritt sie ins Unbewusstsein
zurück und macht einer anderen Platz. Dieses
Produciren und Aufheben von Ideen berechtigt uns,
den Geist recht eigentlich activ zu nennen. Dieses
alles ist gewiss und auf Erfahrung gegründet; wenn
wir dagegen von nicht denkenden activen Dingen oder
von einem Hervorrufen von Ideen durch etwas anderes
als denWillen reden, dann spielen wir nur mit
Worten.

XXIX. Aber was für eine Macht ich auch immer
über meine eigenen Gedanken haben mag, so finde
ich doch, dass die Ideen, die ich gegenwärtig durch
die Sinne percipire, nicht in einer gleichen Abhängigkeit
von meinemWillen stehen.Wenn ich bei vollem
Tageslicht meine Augen öffne, so steht es nicht in
meiner Macht, ob ich sehen werde oder nicht, noch
auch, welche einzelnen Objecte sich meinem Blicke
darstellen werden, und so sind gleicherweise auch
beim Gehör und den anderen Sinnen die ihnen eingeprägten
Ideen nicht Geschöpfe meinesWillens. Es
giebt also einen anderenWillen oder Geist, der sie
hervorbringt.

XXX. Die sinnlichen Ideen sind stärker, lebhafter
und bestimmter als die Ideen der Einbildungskraft; sie
haben desgleichen eine gewisse Beständigkeit, Ordnung
und Zusammenhang und werden nicht auf's Gerathewohl
hervorgerufen, wie es diejenigen oft werden,
welche die Wirkungen menschlicherWillensacte
sind, sondern in einer geordneten Folge oder Reihe,
deren bewunderungswürdige Verbindung ausreichend
dieWeisheit und Güte ihres Urhebers bezeugt. Nun
werden die festen Regeln oder bestimmtenWeisen,
wonach der Geist, von dem wir abhängig sind, in uns
die sinnlichen Ideen erzeugt, die Naturgesetze genannt,
und diese lernen wir durch Erfahrung kennen,
die uns belehrt, dass gewissen bestimmten Ideen bestimmte
andere Ideen in dem gewöhnlichen Laufe der
Dinge folgen.

XXXI. Dies giebt uns eine gewisse Voraussicht,
welche uns befähigt, unsere Handlungen zum Nutzen
des Lebens zu ordnen. Ohne diese Voraussicht
würden wir unablässig in Verlegenheit sein; wir
könnten nicht wissen, wie wir es anzustellen hätten,
uns auch nur das geringste Vergnügen zu verschaffen
oder den geringsten sinnlichen Schmerz abzuwehren.
Dass Speise uns nährt, Schlaf erfrischt, Feuer wärmt,
dass das Säen in der Saatzeit das Mittel ist, im Herbst
zu ernten, und im Allgemeinen, dass, um bestimmte
Zwecke zu erreichen, bestimmte Mittel dienlich sind,
dies alles wissen wir nicht durch Entdeckung irgend
einer nothwendigen Verbindung zwischen unseren
Ideen, sondern nur durch die Beobachtung der festen
Naturgesetze, ohne welche wir Alle in Ungewissheit
und Verwirrung wären und ein erwachsener Mann
ebensowenig wie ein neugeborenes Kind wüsste, wie
er sich im Leben zu benehmen habe.

XXXII. Und doch ist diese beständige gleichmässigeWirksamkeit,
welche so deutlich die Güte und
Weisheit des herrschenden Geistes offenbart, dessen
Wille die Gesetze der Natur constituirt, so weit davon
entfernt, unsere Gedanken zu ihm hinzuleiten, dass es
sie vielmehr veranlasst, zweiten Ursachen (Mittelursachen,
durch Gott bedingten Ursachen) nachzuforschen.
Denn wenn wir bemerken, dass bestimmten
sinnlichen Ideen beständig andere Ideen folgen, und
wenn wir wissen, dass dies nicht durch uns bewirkt
wird, so schreiben wir sofort Kraft undWirksamkeit
den Ideen selbst zu und betrachten die eine als die
Ursache einer anderen, und doch kann nichts thörichter
und unverständiger sein als dies. Haben wir z.B.
beobachtet, dass, wenn wir durch das Gesicht eine gewisse
runde leuchtende Gestalt wahrgenommen
haben, wir gleichzeitig durch das Gefühl die Idee oder
Sinneswahrnehmung erhalten, welche Hitze genannt
wird, so schliessen wir hieraus, die Sonne sei die Ursache
der Hitze. In gleicher Weise sind wir geneigt,
wenn wir wahrnehmen, dass die Bewegung und der
Zusammenstoss von Körpern mit einem Schall verbunden
ist, den letzteren für eine Wirkung jenes Vorgangs
zu halten.

XXXIII. Die durch den Urheber der Natur den
Sinnen eingeprägten Ideen heissen wirkliche Dinge;
diejenigen aber, welche durch die Einbildungskraft
hervorgerufen werden und weniger regelmässig, lebhaft
und beständig sind, werden als Ideen im engeren
Sinne oder als Bilder der Dinge, welche sie nachbilden
und darstellen, bezeichnet. Dann sind aber unsere
Sinneswahrnehmungen, wie lebhaft und bestimmt sie
auch sein mögen, nichtsdestoweniger Ideen, d.h. sie
existiren in dem Geiste oder werden durch den Geist
percipirt, ebenso gewiss wie die Ideen, welche er
selbst gestaltet. Es ist zuzugeben, dass die sinnlichen
Ideen mehr Realität in sich tragen, d.h. sie sind kräftiger,
geordneter, zusammenhängender, als die Geschöpfe
des Geistes; aber dies beweist nicht, dass sie
ausserhalb des Geistes existiren. Sie sind auch in geringerem
Grade von dem Geiste oder der denkenden
Substanz, welche sie percipirt, abhängig, indem sie
durch denWillen eines anderen und mächtigeren Geistes
hervorgerufen werden; aber sie sind doch Ideen,
und sicherlich kann keine Idee, sie mag schwach oder
stark sein, anders existiren, als in einem Geiste, der
sie percipirt.

XXXIV. Bevor wir weiter gehen, müssen wir einige
Zeit auf die Beantwortung von Einwürfen wenden,
die vermuthlich gegen die bisher dargelegten Principien
erhoben werden mögen. Wenn ich hierbei Personen
von rascher Auffassung zu ausführlich zu sein
scheine, so hoffe ich doch auf Verzeihung, weil nicht
alle Menschen mit gleicher Leichtigkeit Dinge von
dieser Art auffassen, und ich doch von Jedermann verstanden
werden mochte. Es wird wohl zuerst eingewandt
werden, dass durch die vorstehenden Principien
alles, was reell und substantiell in der Natur sei, aus
der Welt verbannt werde, und dass an die Stelle
davon ein phantastisches Ideensystem trete. Alles,
was existirt, existirt nur in dem Geiste, d.h. es wird
blos vorgestellt. Was wird demnach aus Sonne, Mond
und Sternen? Was müssen wir denken von Häusern,
Flüssen, Bergen, Bäumen, Steinen, ja von unserem eigenen
Körper? Sind diese alle nur ebenso viele Chimären
und Täuschungen der Phantasie? Auf alle diese
und alle derartigen Einwürfe antworte ich, dass wir
vermöge der vorstehenden Principien keines einzigen
Naturobjectes verlustig gehen. Was auch immer wir
sehen, fühlen, hören oder irgendwie begreifen oder
verstehen, bleibt so gewiss und ist so real, wie es je
gewesen ist. Es giebt eine Natur (rerum natura), und
die Unterscheidung zwischen Realitäten und Chimären
behält ihre volle Kraft. Dies geht klar hervor aus
Sect. XXIX, XXX, XXXIII, wo wir gezeigt haben,
was unter dem Ausdruck reelle Dinge im Unterschied
von Chimären oder durch uns selbst gebildeten Ideen
zu verstehen sei; beide jedoch existiren gleichmässig
in dem Geiste und sind in diesem Sinne gleich sehr
Ideen.

XXXV. Ich bestreite nicht die Existenz irgend
eines Dinges, das wir durch Sinneswahrnehmung oder
durch Reflexion auf unser Inneres zu erkennen vermögen.
Dass die Dinge, die ich mit meinen Augen sehe
und mit meinen Händen betaste, existiren, wirklich
existiren, bezweifle ich nicht im Mindesten. Das Einzige,
dessen Existenz wir in Abrede stellen, ist das,
was die Philosophen Materie oder körperliche Substanz
nennen. Und indem dies geschieht, verlieren die
übrigen Menschen nichts, die, wie ich wohl sagen
darf, diese Materie nicht vermissen werden. Allerdings
werden die Atheisten die anscheinende Stütze
verlieren, welche ein leeresWort ihrer unfrommen
Ansicht gewährt, und die Philosophen werden vielleicht
finden, dass sie einen mächtigen Anlass zur
Tändelei und Disputation verloren haben.

XXXVI. Wenn Jemand glaubt, dies thue der Existenz
oder Realität der Dinge Eintrag, so ist er weit
davon entfernt, das zu verstehen, was in so deutlichen
Ausdrücken, wie es mir nur möglich war, bisher auseinandergesetzt
worden ist. Ich fasse hier die Hauptpunkte
des Gesagten zusammen. Es giebt psychische
Substanzen, Geister oder menschliche Seelen, welche
in sich selbst Ideen nach Belieben durch ihrenWillen
hervorrufen; aber diese Ideen sind matt, schwach und
unbeständig im Vergleich mit anderen, die sie durch
die Sinne percipiren, und die, indem sie diesen nach
gewissen Regeln oder Naturgesetzen eingeprägt werden,
sich selbst alsWirkungen eines Geistes bekunden,
der mächtiger und weiser ist, als die menschlichen
Geister. Von diesen letzteren Ideen wird gesagt,
dass sie mehr Realität in sich tragen als die ersteren,
worunter zu verstehen ist, dass sie stärker afficiren,
mehr geordnet und bestimmt und nicht willkürliche
Gebilde des sie percipirenden Geistes sind. In diesem
Sinne ist die Sonne, welche ich bei Tage sehe, die
wirkliche Sonne, und die, welche ich zur Machtzeit
vorstelle, die (abbildliche) Idee der ersteren. In dem
hier bezeichneten Sinne von Realität ist offenbar jede
Pflanze, jeder Stern, jedes Mineral und im
Allgemeinen jeder Theil desWeltsystems nach unseren
Principien ebenso sehr, wie nach irgend welchen
anderen, ein wirkliches Ding. Ich bitte die Leser, ihre
eigenen Gedanken zu betrachten und zuzusehen, ob
sie etwas hiervon Verschiedenes unter dem Terminus
Realität verstehen.

XXXVII. Es wird entgegnet werden, es sei doch
wenigstens so viel wahr, dass wir alle körperlichen
Substanzen aufheben. Hierauf antworte ich, dass,
wenn das Wort Substanz in dem gewöhnlichen Sinne
genommen wird, als Bezeichnung einer Verbindung
sinnfälliger Eigenschaften, wie Ausdehnung, Solidität,
Gewicht und ähnlicher, mit einander, wir nicht beschuldigt
werden können, dies zu negiren; wird es
aber in einem philosophischen Sinne genommen,
worin es den Träger von Accidentien oder Eigenschaften
ausserhalb des Geistes bezeichnen soll, dann erkenne
ich in der That an, dass wir das hiermit Gemeinte
aufheben, wenn anders von Jemand gesagt
werden kann, dass er etwas aufhebe, was niemals irgend
eine Existenz gehabt hat, selbst nicht in der
blossen Vorstellung.

XXXVIII. Aber, sagt ihr, es lautet sehr anstössig,
wenn gesagt wird: wir essen und trinken Ideen und
sind bekleidet mit Ideen. Ich gebe zu, dass dies einen
solchen Eindruck mache, und zwar darum, weil das
Wort Idee in der gewöhnlichen Rede nicht gebraucht
wird, um die verschiedenen Combinationen sinnlicher
Eigenschaften zu bezeichnen, welche Dinge genannt
werden, und es ist gewiss, dass eine jegliche Ausdrucksweise,
die von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
abweicht, anstössig und lächerlich erscheint.
Aber dies betrifft nicht die Wahrheit dieses Satzes,
der, obschon in anderenWorten, nichts anderes besagt,
als dass wir uns nähren und bekleiden mit Dingen,
welche wir unmittelbar durch unsere Sinne percipiren.
Die Härte oderWeichheit, die Farbe, der Geschmack,
dieWärme, die Figur und derartige Eigenschaften,
welche in ihrer gegenseitigen Verbindung
die verschiedenen Arten von Lebensmitteln und Kleidungsstücken
ausmachen, existiren, wie gezeigt worden
ist, blos in dem Geiste, der sie percipirt, und nur
dies ist gemeint, wenn wir sie Ideen nennen; wäre diesesWort
ebenso im gewöhnlichen Gebrauch wie
Ding, so würde jener Ausdruck ebenso wenig seltsam
oder lächerlich klingen als dieser. Ich kämpfe nicht
für die Schicklichkeit, sondern für die Wahrheit des
Ausdrucks, und werde demgemäss, wenn ihr mit mir
in der Ansicht übereinkommt, dass wir die unmittelbaren
Objecte der Sinne, die nicht unpercipirt oder
ausserhalb des Geistes existiren können, essen und
trinken und zu unserer Bekleidung gebrauchen, gern
zugeben, dass es schicklicher oder dem Gebrauch angemessener
ist, sie »Dinge«, als »Ideen« zu nennen.

XXXIX.Wenn gefragt wird, warum ich dasWort
Idee gebrauche und sie nicht lieber im Anschluss an
den Sprachgebrauch Dinge nenne, so antworte ich:
ich thue das aus zwei Gründen: erstens, weil insgemein
vorausgesetzt wird, dass der Ausdruck Ding im
Gegensatz zu Idee etwas bezeichne, das ausserhalb
des Geistes existire, zweitens, weil Ding eine umfassendere
Bedeutung hat als Idee, indem es Geister oder
denkende Dinge ebensowohl wie Ideen bezeichnet.
Da nun die Sinnesobjecte blos in dem Geiste existiren
und durchaus ohne Denken und Thätigkeit sind, so
ziehe ich vor, sie durch dasWort Idee zu bezeichnen,
in dessen Bedeutung diese Merkmale liegen.

XL. Vielleicht aber erwidert Jemand, was wir auch
immer sagen mögen, er wolle seinen Sinnen glauben
und nicht zugeben, dass Argumente irgend welcher
Art, wie plausibel dieselben auch seien, mehr gelten
als die sinnliche Gewissheit. Dem sei so, behauptet,
so sehr ihr mögt, die Zuverlässigkeit der Sinne, wir
sind ganz damit einverstanden. Das, was ich sehe,
höre und fühle, existirt, d.h. es wird durch mich percipirt;
daran zweifle ich ebenso wenig wie an meinem
eigenen Sein. Aber ich sehe nicht, wie das Zeugniss
des Sinnes als ein Beweis der Existenz eines Dinges
angeführt werden kann, welches nicht durch den Sinn
percipirt wird. Wir wollen nicht, dass irgend Jemand
ein Zweifler werde und seinen Sinnen misstraue, wir
gestehen denselben im Gegentheil alle denkbare Kraft
und Zuverlässigkeit zu; auch giebt es keine Principien,
welche dem Skepticismus mehr widerstritten als
die von uns dargelegten, wie hernach klar gezeigt
werden wird.

XLI. Zweitens wird eingewandt werden, es sei ein
grosser Unterschied zwischen wirklichem Feuer z.B.
und der Idee eines Feuers, zwischen dem Traum oder
der Einbildung, man habe sich verbrannt und dem
wirklichen Verletztsein durch Feuer; dies und Aehnliches
mag zur Bekämpfung unserer Thesen vorgebracht
werden. Die Antwort auf alles dies ergiebt sich
klar aus dem schon Gesagten, und ich darf hier nur
beifügen, dass wenn wirkliches Feuer sehr verschieden
von der Idee Feuer ist, ebenso auch der wirkliche
Schmerz, den es verursacht, sehr verschieden von der
Idee des nämlichen Schmerzes ist, und es hat doch
noch Niemand behauptet, dass nur die Idee des
Schmerzes in dem Geiste sei, wirklicher Schmerz aber
in einem nicht percipirenden Dinge oder ausserhalb
des Geistes sei oder sein könne.

XLII. Drittens wird eingewandt werden, dass wir
Objecte thatsächlich ausserhalb unser oder in einer
Entfernung von uns erblicken, und dass dieselben
demgemäss nicht in dem Geiste existiren, da die Annahme
ungereimt sei, dass die Dinge, welche in der
Entfernung von einigen Meilen gesehen werden, uns
so nahe seien wie unsere eigenen Gedanken. Hierauf
antworte ich, man möge doch in Betracht ziehen, dass
wir im Traume oft Dinge so percipiren, als existirten
sie in einer grossen Entfernung von uns, und dass ungeachtet
dessen anerkannt wird, dass diese Dinge ihre
Existenz nur in dem Geiste haben.

XLIII. Um aber hierüber vollere Klarheit zu gewinnen,
mag es der Mühe werth sein, in Betracht zu
ziehen, wie es geschieht, dass wir durch den Gesichtssinn
Entfernungen und von uns entfernte Dinge wahrnehmen.
Denn wenn wir inWahrheit einen ausser uns
liegenden Raum und wirklich in ihm existirende Körper,
die einen in grösserer Nähe, die anderen in weiterer
Entfernung von uns wahrnehmen können, so
scheint dies einigermaassen dem oben Gesagten, dass
sie nirgendwo ausserhalb des Geistes existiren, zu widerstreiten.
Die Erwägung dieser Schwierigkeit war
das, was meinen »Versuch einer neuen Theorie des
Sehens« veranlasste, der vor nicht langer Zeit veröffentlicht
worden ist. Hierin wird gezeigt, dass Entfernung
oder Draussensein vermöge des Gesichtssinnes
nicht unmittelbar durch sich selbst percipirt wird, und
dass sie auch nicht auf Grund von Linien undWinkeln
oder irgend etwas damit in nothwendiger Verbindung
Stehendem aufgefasst oder beurtheilt wird, sondern
vielmehr uns zum Bewusstsein durch gewisse
sichtbare Ideen und das Sehen begleitende
Wahrnehmungen gelangt, welche an sich selbst keine
Aehnlichkeit mit oder Beziehung zu Entfernung und
entfernten Dingen haben, vermöge einer Verbindung
aber, welche wir durch Erfahrung kennen lernen, uns
zu reichen für Entfernung und entfernte Dinge werden
und uns diese ins Bewusstsein rufen, in derselben
Weise, wieWorte irgend einer Sprache die Ideen, zu
deren Vertretung sie gebildet worden sind, ins Bewusstsein
rufen. So erklärt es sich, dass ein Blindgeborner,
der später zum Sehen befähigt wird, anfänglich
nicht glaubt, dass die Dinge, die er sieht, ausserhalb
seines Geistes oder in irgend einer Entfernung
von ihm selbst seien. Siehe Section XLI. der erwähnten
Abhandlung.

XLIV. Die Ideen des Gesichts- und des Tastsinnes
machen zwei ganz verschiedene und unähnliche Species
aus. Die ersteren sind Zeichen und Prognostica
der letzteren. Dass die eigenthümlichen Objecte des
Gesichtssinnes weder ausserhalb des Geistes existiren,
noch Bilder von äusseren Dingen sind, haben wir
auch in jener Abhandlung gezeigt, obschon in derselben
vorausgesetzt wird, dass das Gegentheil von den
tastbaren Objecten gelte, nicht als ob die Zustimmung
zu diesem vulgären Irrthum erforderlich sei, um die
dort aufgestellten Ansichten zu begründen, sondern
nur weil es ausserhalb meines Planes lag, denselben
in einer Abhandlung über das Sehen zu prüfen und zu
widerlegen. Streng genommen ist demnach von den
Gesichtswahrnehmungen, wenn wir durch sie Entfernung
und entfernte Dinge auffassen, zu sagen, dass
sie uns nicht Dinge, die gegenwärtig in einer Entfernung
existiren, bekunden oder zum Bewusstsein bringen,
sondern uns nur darauf aufmerksam machen,
welche Tastideen in unserem Geiste entstehen werden
nach bestimmten Zeitabschnitten und in Folge bestimmter
Handlungen. Es ist, sage ich, offenbar nach
dem, was in den früheren Theilen dieser Schrift gesagt
worden ist, wie auch in Section CXLVII. und an anderen
Stellen des »Versuchs über das Sehen«, dass
sichtbare Ideen die Sprache sind, wodurch der herrschende
Geist, von dem wir abhängig sind, uns belehrt,
was für tastbare Ideen er uns einzuprägen in Begriff
stehe, falls wir diese oder jene Bewegung in unserem
eigenen Körper hervorrufen. Wer jedoch eine
vollständigere Belehrung über diesen Punkt sucht,
den verweise ich auf den »Versuch« selbst.

XLV. Viertens wird eingewandt werden, es folge
aus den obigen Principien, dass die Dinge in jedem
Augenblick vernichtet und neugeschaffen werden. Die
sinnlichen Dinge existiren nur, wenn sie percipirt
werden, die Bäume also sind in dem Garten oder die
Stühle in dem Zimmer nicht länger, als Jemand da ist,
der sie wahrnimmt. Schliesse ich meine Augen, so
wird Alles, was sich auf der Strasse befindet, auf
nichts reducirt, und wenn ich nur dieselben öffne, so
wird es von Neuem geschaffen. Zur Antwort auf alles
dies verweise ich den Leser auf das, was in Section
III, IV etc. gesagt worden ist, und wünsche, er möge
erwägen, ob er unter der wirklichen Existenz einer
Idee etwas verstehe, was von ihrem Percipirt werden
verschieden ist. Ich meinestheils bin nach der genauesten
Untersuchung, die ich anstellen konnte, nicht im
Stande gewesen, irgend etwas Anderes zu entdecken,
was dieseWorte bedeuten. Und ich bitte noch einmal
den Leser, seine eigenen Gedanken zu erforschen und
sich nicht durch Worte täuschen zu lassen. Wenn er
es als möglich denken kann, dass entweder seine
Ideen oder deren Urbilder existiren, ohne percipirt zu
werden, dann vertheidige ich meinen Satz nicht mehr;
kann er dies aber nicht, so muss er zugeben, dass er
nicht vernunftgemäss verfährt, indem er sich zum
Vertheidiger von - er weiss nicht was - aufwirft und
mir als eine Ungereimtheit vorwirft, dass ich Sätzen
nicht beistimme, die im Grunde sinnlos sind.

XLVI. Es darf nicht unbemerkt bleiben, in welchem
Maasse den herrschenden philosophischen Principien
selbst die vorgeblichen Ungereimtheiten sich
vorwerfen lassen. Es wird für eine gar ungereimte Ansicht
gehalten, dass, wenn ich meine Augen schliesse,
alle sichtbaren Objecte in meiner Umgebung auf
nichts sich reduciren sollen, und ist es nicht doch eben
dies, was die Philosophen durchgängig zugeben,
indem sie allseitig darin übereinkommen, dass Licht
und Farben, die einzigen eigentlichen und unmittelbaren
Objecte des Sehens, blosse sinnliche Empfindungen
sind, die nicht länger existiren, als sie percipirt
werden? Ferner mag es Einigen vielleicht sehr unglaublich
scheinen, dass die Dinge jeden Augenblick
erschaffen werden; aber eben dieser Satz ist die gewöhnliche
Lehre der Schulen. Denn die Schulphilosophen
sind, obschon sie die Existenz der Materie anerkennen
und annehmen, dass das ganzeWeltgebäude
aus ihr gebildet sei, nichtsdestoweniger der Ansicht,
dass dieselbe nicht ohne die göttliche Erhaltung bestehen
könne, die von ihnen für ein fortwährendes
Schaffen erklärt wird.

XLVII. Ferner wird einiges Nachdenken uns zeigen,
dass wenn schon die Existenz der Materie oder
körperlichen Substanz zugegeben wird, doch unabweisbar
aus den Principien, die jetzt allgemein anerkannt
sind, folgt, dass die einzelnen Körper, von welcher
Art dieselben auch sein mögen, sämmtlich nicht
existiren, so lange sie nicht percipirt werden. Denn
aus Section XI ff. geht hervor, dass die Materie, deren
Existenz die Philosophen behaupten, ein unbegreifliches
Etwas ist, welches keine solchen Eigenschaften
hat, durch welche die unseren Sinnen wahrnehmbaren
Körper sich von einander unterscheiden. Um dies aber
genauer zu erklären, muss ich bemerken, dass die unendliche
Theilbarkeit der Materie jetzt allgemein angenommen
wird, wenigstens von den anerkanntesten
und ausgezeichnetsten Philosophen, die auf Grund der
angenommenen Grundlehren dieselbe unwiderleglich
darthun. Hieraus folgt, dass unendlich viele Theile in
jedem Theile der Materie seien, die nicht sinnlich
wahrgenommen werden. Demgemäss ist der Grund,
weshalb irgend ein einzelner Körper von einer begrenzten
Grösse zu sein scheint oder nur eine endliche
Zahl von Theilen den Sinnen zeigt, nicht der, dass er
nicht mehr Theile enthielte, da er ja an sich selbst eine
unendliche Zahl von Theilen enthalten soll, sondern
der, dass der Sinn nicht scharf genug ist, dieselben zu
unterscheiden. In dem Maasse, wie der Sinn schärfer
wird, percipirt er demnach eine grössere Zahl von
Theilen in dem Object, d.h. das Object erscheint grösser
und seine Gestalt ändert sich, da die Theile an seinen
Enden, welche zuvor unwahrnehmbar waren, jetzt
es in Linien undWinkeln begrenzen, die sehr verschieden
von den früher durch den stumpferen Sinn
wahrgenommenen sind. Und zuletzt muss, nach verschiedenen
Aenderungen der Grösse und Gestalt,
wenn der Sinn unendlich scharf wird, der Körper als
unendlich erscheinen. Während aller dieser Vorgänge
findet keine Aenderung in dem Körper statt, sondern
nur in dem denselben wahrnehmenden Sinne.
Demnach ist jeder Körper, an sich selbst betrachtet,
unendlich ausgedehntes, und demzufolge ohne alle
Gestalt oder Figur. Hieraus ergiebt sich, dass, wenn
schon die Existenz der Materie als noch so gewiss zugegeben
würde, es doch ebenso gewiss ist, dass die
Materialisten selbst durch ihre eigenen Principien genöthigt
sind anzuerkennen, dass weder die einzelnen
sinnlich wahrgenommenen Körper, noch irgend
etwas, das denselben ähnlich wäre, ausserhalb des
Geistes existire. Die Materie, sage ich, und jedes
Theilchen von ihr ist nach der Consequenz ihrer Principien
unendlich und gestaltlos, und der Geist ist es,
der alle die Mannichfaltigkeit von Körpern gestaltet,
welche die sichtbare Welt ausmachen, und von welchen
jeder beliebige nicht länger existirt, als er percipirt
wird.

XLVIII. Sehen wir genauer zu, so zeigt sich, dass
der in Section XLV. vorgetragene Einwurf nicht mit
Recht gegen unsere oben aufgestellten Principien gerichtet
wird, und dass er überhaupt nicht irgendwie
als ein Einwurf gegen dieselben gelten kann. Denn
obschon wir in der That die Sinnesobjecte für nichts
anderes halten als für Ideen, die nicht unpercipirt existiren
können, so dürfen wir doch hieraus nicht
schliessen, dass sie nur so lange eine Existenz haben,
als sie durch uns percipirt werden, weil ein anderer
Geist existiren kann, der sie percipirt, wenn auch wir
dies nicht thun. Wird gesagt, Körper existiren nicht
ausserhalb des Geistes, so darf dies nicht so verstanden
werden, als wäre dieser oder jener einzelne Geist
gemeint sondern alle Geister, welche es auch seien.
Demgemäss folgt nicht aus den vorstehenden Principien,
dass die Körper in jedem Augenblick vernichtet
und geschaffen werden oder überhaupt gar nicht während
der Intervalle zwischen unseren Perceptionen
existiren.

XLIX. Fünftens wird vielleicht eingewandt werden,
wenn Ausdehnung und Figur nur in dem Geiste
existiren, so folge, dass der Geist ausgedehnt und gestaltet
sei; denn Ausdehnung sei ein Modus oder ein
Attribut, das (um in der Schulsprache zu reden) von
dem Subject (Substrat), in welchem es existirt, prädicirt
werde. Ich antworte: diese Qualitäten sind in dem
Geiste nur insofern, als sie durch ihn percipirt werden,
d.h. nicht in der Weise eines Modus oder Attributs,
sondern nur in der Weise einer Idee, und es folgt
ebenso wenig, dass die Seele oder der Geist ausgedehnt
sei, weil Ausdehnung in ihm existirt, wie dass
er roth oder blau sei, weil diese Farben, wie allseitig
zugegeben wird, in ihm und nirgendwo sonst existiren.
Was die Philosophen über Subject (Substrat) und
Modus sagen, das scheint sehr grundlos und unverständlich
zu sein. Sie wollen z.B., dass in dem Satze:
ein Würfel ist hart, ausgedehnt und eckig, dasWort
Würfel ein Subject oder eine Substanz bezeichne, die
von der Härte, Ausdehnung und Figur, welche davon
ausgesagt werden und darin existiren, verschieden sei.
Dies kann ich nicht verstehen; mir scheint einWürfel
nichts von dem, was als seine Modi oder Accidentien
bezeichnet wird, Verschiedenes zu sein. Sagt man: ein
Würfel ist hart, ausgedehnt und eckig, so heisst das
nicht, dass man diese Eigenschaften einem von ihnen
verschiedenen Subject, das sie trage, zuschreibe, sondern
es ist nur eine Erklärung dessen, was man unter
demWorte Würfel verstehe.

L. Sechstens werdet ihr sagen, es sei sehr vieles
durch Materie und Bewegung erklärt worden; wer
diese wegnehme, zerstöre die ganze Corpuscular-Philosophie
und untergrabe jene mechanischen Principien,
die mit so beträchtlichem Erfolge zur Erklärung
der Erscheinungen angewandt worden seien. Alle
Fortschritte, die in der Naturforschung durch alte oder
neuere Philosophen gemacht worden seien, fliessen
sämmtlich aus der Voraussetzung her, dass die körperliche
Substanz oder Materie wirklich existire.
Hierauf antworte ich, dass nicht eine einzige Erscheinung
durch diese Voraussetzung erklärt wird, die
nicht ebenso gut ohne dieselbe erklärt werden könne,
wie dies leicht durch eine (inductive) Zusammenstellung
des Einzelnen gezeigt werden kann. Die Phänomene
erklären heisst dasselbe, wie zeigen, warum wir
bei bestimmten Anlässen mit bestimmten Ideen afficirt
werden. Aber wie Materie auf einen Geist wirken
oder irgend eine Idee in ihm hervorbringen möge, das
zu erklären, wird sich kein Philosoph anheischig machen
Demgemäss ist offenbar, dass die Annahme der
Existenz der Materie von keinem Nutzen in der Naturlehre
ist. Auch gründen die, welche die Dinge erklären
wollen, ihre Erklärungsversuche nicht auf die
körperliche Substanz, sondern auf Figur, Bewegung
und andere Eigenschaften, die inWahrheit blosse
Ideen sind und demgemäss nicht Ursache von irgend
etwas sein können, wie schon gezeigt worden ist.
Siehe Section XXV.

LI. Siebentens wird hierbei gefragt werden, ob es
nicht ungereimt zu sein scheine, mit Aufhebung von
Naturursachen jegliches der unmittelbarenWirkung
von Geistern zuzuschreiben.Wir müssen diesen Principien
gemäss nicht mehr sagen, dass Feuer heiss
macht, Wasser kühlt, sondern dass der Geist heiss
macht und so fort. Würde nicht Jemand, der sich in
dieser Weise ausdrücken wollte, gebührend verlacht
werden? Ich antworte: ja, er würde es werden. In solchen
Dingen müssen wir denken mit den Gelehrten
und sprechen mit dem Volke. Die, welche durch Beweisführung
von der Wahrheit des Copernicanischen
Systems überzeugt worden sind, sagen nichtsdestoweniger:
die Sonne geht auf, geht unter, erreicht den
Meridian, und erkünstelten sie eine entgegengesetzte
Ausdrucksweise in der gewöhnlichen Rede, so würde
das ohne Zweifel als sehr lächerlich erscheinen. Ein
wenig Nachdenken über das hier Gesagte wird zeigen,
dass der gemeine Sprachgebrauch in keiner Art eine
Aenderung oder Störung durch die Annahme unserer
Principien erfahren würde.

LII. In den gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens
mögen übliche Ausdrücke so lange beibehalten
werden, als sie in uns die geeigneten Empfindungen
oder Zustände hervorrufen, vermöge deren wir so handeln,
wie es für unser Wohlsein erforderlich ist, so
falsch sie auch immer sein mögen, wenn sie in einem
strengen theoretischen Sinne genommen werden. Ja,
dieses Verhältniss ist unvermeidlich, da der eigentliche
Sinn der Ausdrücke durch den Gebrauch bestimmt
wird und die Spräche daher den herrschenden
Meinungen sich anschliesst, welche nicht immer die
wahrsten sind. Hiernach ist es unmöglich selbst in
den strengsten philosophischen Betrachtungen, niemals
durch Abweichung von der Tendenz und dem
Geiste der Sprache, in der wir reden, Spitzfindlern
Anlass zu geben, angebliche Schwierigkeiten undWiderspruche
bei uns zu finden. Aber ein wohlgesinnter
und unbefangener Leser wird den Sinn aus dem Ziel
und Fortgang und Zusammenhang eines Vertrags entnehmen,
und die ungenauen Redeweisen gestatten,
welche der Sprachgebrauch unvermeidlich macht.

LIII.Was die Ansicht betrifft, dass es keine körperlichen
Ursachen gebe, so ist diese schon früher
durch einige Scholastiker vertreten worden, wie neuerdings
durch einige der modernen Philosophen, welche,
obschon sie annehmen, dass Materie existire,
doch wollen, dass Gott allein die unmittelbar wirkende
Ursache von Allem sei. Diese Männer haben
richtig erkannt, dass unter allen Sinnesobjecten keine
seien, die irgend eine Kraft besässen oder eine Thätigkeit
zu üben vermöchten, und dass demgemäss das
Gleiche von allen Körpern, deren Existenz ausserhalb
des Geistes sie voraussetzen, ebenso gelte wie von
den unmittelbaren Sinnesobjecten. Aber wenn sie nun
annehmen, dass es eine unzählige Menge geschaffener
Dinge gebe, die doch nach ihrer eigenen Ansicht nicht
fähig sind, irgend eineWirkung in der Natur hervorzubringen,
und die daher zu gar keinem Zweck geschaffen
sind, da Gott Jegliches ebenso gut auch ohne
dieselben hätte bewirken können: so ist dies, meine
ich, auch wenn es als möglich zugegeben würde, doch
gewiss eine sehr vernunftwidrige und ausschweifende
Annahme.

LIV. Achtens. Die allgemeine einmüthige Anerkennung
der Menschen mag von Einigen für ein unüberwindliches
Argument zu Gunsten der Materie
oder der Existenz äusserer Dinge gehalten werden.
Sollen wir annehmen, dass alle Welt im Irrthum sei,
und wenn dem so ist, welche Ursache kann dann angegeben
werden für einen so weit verbreiteten und
herrschenden Irrthum? Ich antworte: Erstens. Durch
eine genaue Untersuchung wird vielleicht gefunden
werden, dass nicht so Viele, wie man sich vorstellt,
wirklich an die Existenz von Materie oder Dingen ausserhalb
des Geistes glauben. Streng genommen ist es
unmöglich, an das zu glauben, was einen Widersprach
in sich schliesst oder sinnlos ist, und ob die
vorerwähnten Ausdrücke von dieser Art seien oder
nicht, gebe ich der unparteiischen Prüfung des Lesers
anheim. In einem Sinne kann in der That gesagt werden,
dass die Menschen an die Existenz der Materie
glauben, d.h. sie handeln so, als ob die unmittelbare
Ursache ihrerWahrnehmungen, welche sie in jedem
Augenblicke afficirt und ihnen so nahe und gegenwärtig
ist, ein empfindungsloses undenkendesWesen
wäre. Aber es ist mir undenkbar, dass sie irgend einen
klaren Sinn mit diesenWorten verknüpfen und daraus
eine bestimmte theoretische Ansicht bilden sollten. Es
ist dies nicht der einzige Fall einer Selbsttäuschung
der Menschen vermöge der Einbildung, dass sie Sätze
glaubten, die sie oft gehört haben, obschon sie im
Grunde keinen bestimmten Gedanken damit verknüpfen.

LV. Ich antworte aber zweitens: dass, wenn auch
zugestanden werden muss, dass einer Vorstellung eine
sehr allgemeine und entschiedene Zustimmung zu
Theil werde, hierin doch nur ein schwaches Argument
ihrer Wahrheit für einen Jeden liegt, der in Betracht
zieht, welch' einer grossen Zahl von Vorurtheilen und
falschen Meinungen mit der äussersten Zähigkeit der
nicht reflectirende Theil der Menschheit (welcher der
weitaus grössere ist) anhange. Es gab eine Zeit, zu
welcher die Gegenfüssler und die Erdbewegung als
monströse Ungereimtheiten selbst von Gelehrten betrachtet
wurden, und wenn wir erwägen, welch' einen
geringen Theil diese von der gesammten Menschheit
ausmachen, so werden wir finden, dass bis auf den
heutigen Tag diese Begriffe nur noch sehr wenig in
der Welt festen Fuss gefasst haben.

LVI. Aber man fordert, wir sollen eine Ursache
dieses Vorurtheils angeben und seine Verbreitung in
der Welt erklären. Ich antworte hierauf, dass die Menschen,
da sie wissen, dass sie manche Ideen percipiren,
deren Urheber sie nicht selbst sind, da dieselben
nicht von innen her angeregt werden, noch auch von
ihren eigenenWillensacten abhangen, in Folge hiervon
annehmen, diese Ideen oder Objecte derWahrnehmung
hätten eine vom Geiste unabhängige Existenz
ausserhalb desselben, ohne dass sie es sich jemals
auch nur im Traum in den Sinn kommen lassen,
dass in diesenWorten ein Widerspruch liege. Da aber
Philosophen klar erkannt hatten, dass die unmittelbaren
Objecte derWahrnehmung nicht ausserhalb des
Geistes existiren, so corrigirten sie in gewissem Maasse
den Irrthum der Menge, fielen aber gleichzeitig in
einen andern, der nicht weniger ungereimt scheint,
nämlich, dass es gewisse Objecte gebe, die wirklich
ausserhalb des Geistes seien oder eine von ihrem Percipirtwerden
verschiedene Subsistenz haben, Objecte,
von welchen unsere Ideen nur Bilder oder Aehnlichkeiten
seien, die durch diese Dinge dem Geiste eingeprägt
würden. Diese Vorstellung der Philosophen verdankt
ihren Ursprung der nämlichen Ursache; wie die
vorhin erwähnte, nämlich dem Bewusstsein, dass sie
nicht selbst die Urheber ihrer eigenenWahrnehmungen
seien, von denen sie mit Evidenz erkennen, dass
sie ihnen von aussen eingeprägt seien, und die demnach
eine von den Geistern, denen sie eingeprägt sind,
verschiedene Ursache haben müssen.

LVII.Warum sie aber annehmen, die sinnlichen
Ideen würden von Dingen, die denselben ähnlich
seien, hervorgerufen und nicht lieber auf einen Geist
recurriren, der doch allein wirken kann, davon mag
der Grund darin liegen: 1) dass sie nicht denWiderspruch
bemerken, welcher ebensowohl in der Voraussetzung
liegt, dass es ausserhalb des Geistes existirende
Dinge gebe, die unseren Ideen ähnlich seien, als
auch in der Annahme, dass diesen Kraft oder
Thätigkeit zukomme; 2) dass der höchste Geist, der
jene Ideen in unseren Geistern hervorruft, unserm
Blick nicht bezeichnet und begrenzt wird durch irgend
eine einzelne beschränkte Gruppe sinnlicher Ideen,
wie menschliche wirkendeWesen uns bezeichnet werden
durch ihre Grösse, ihr Aussehen, ihre Glieder und
Bewegungen; 3) dass seineWirkungen regelmässig
und gleichförmig sind; denn jedesmal, wenn der Lauf
der Natur durch einWunder unterbrochen wird, sind
die Menschen bereit, die Gegenwart eines höheren
wirkendenWesens anzuerkennen; sehen wir aber die
Dinge ihren gewöhnlichen Verlauf nehmen, dann
regen sie uns nicht zum Nachdenken an; ihre Ordnung
und Verkettung ist zwar in der That ein Beweis der
grösstenWeisheit, Macht und Güte ihres Schöpfers,
ist aber so beständig und uns etwas so Gewöhnliches,
dass wir sie nicht als die unmittelbarenWirkungen
eines freien Geistes denken, besonders weil Unbeständigkeit
und Veränderlichkeit beim Handeln, obwohl
diese in der That eine Unvollkommenheit sind, uns
doch als ein Zeichen von Freiheit zu gelten pflegen.

LVIII. Zehntens wird eingewandt werden, dass die
von uns aufgestellten Begriffe nicht mit gewissen
wohlbegründetenWahrheiten in der Philosophie und
Mathematik zusammenbestehen können. So sei z.B.
jetzt die Bewegung der Erde von den Astronomen allgemein
als eine auf die klarsten und überzeugendsten
Beweise gegründeteWahrheit anerkannt; aber nach
den obigen Principien könne es etwas Derartiges gar
nicht geben. Denn da Bewegung nur eine Idee sei, so
folge, dass dieselbe, wenn sie nicht wahrgenommen
werde, nicht existire; die Erdbewegung aber werde
nicht sinnlich wahrgenommen. Ich antworte: man
wird finden, dass jene Annahme, wenn sie recht verstanden
wird, den oben dargelegten Principien nicht
widerstreitet; denn die Frage, ob die Erde in Bewegung
sei oder nicht, läuft inWahrheit nur darauf hinaus,
ob wir Grund haben, aus den astronomischen Beobachtungen
zu schliessen, dass, wenn wir unter gewissen
Verhältnissen auf einem gewissen Standpunkt
in einer bestimmten Entfernung von der Erde und
Sonne ständen, wir die Erde inmitten des Chors der
Planeten sich bewegen und in jedem Betracht als
einen derselben erscheinen sehen würden, und dies
wird nach den festgestellten Naturgesetzen, denen wir
nicht Ursache haben zu misstrauen, vernunftgemäss
aus den Erscheinungen geschlossen.

LIX.Wir können oft nach der Erfahrung, die wir
von dem Lauf und der Aufeinanderfolge unserer Ideen
gemacht haben, nicht etwa ungewisse Vermuthungen,
sondern sichere und wohlbegründete Voraussagen
über die Ideen machen, die wir in Folge einer grossen
Menge von Handlungen haben werden, und wir können
im Stande sein richtig darüber zu urtheilen, was
uns erschienen sein würde, im Fall wir in Lagen
wären, welche sehr verschieden von denjenigen sind,
in welchen wir uns gegenwärtig befinden. Hierin besteht
die Naturerkenntniss, die ihren Nutzen und ihre
Gewissheit in sehr guter Uebereinstimmung mit dem
oben Gesagten behalten kann. Es wird leicht sein,
dies auf alle Einwürfe gleicher Art anzuwenden, welche
auch immer es seien, die man aus der Grösse der
Sterne oder irgend welchen anderen Entdeckungen in
der Astronomie und der Naturwissenschaft überhaupt
entnehmen kann.

LX. Elftens wird gefragt werden, wozu die merkwürdige
Organisation der Pflanzen und der bewunderungswürdige
Mechanismus in den Theilen der Thiere
diene. Könnten nicht Pflanzen wachsen und Blätter
und Blüthen treiben, und Thiere alle ihre Bewegungen
vollziehen, auch ohne dass sie versehen wären mit
allen jenen mannigfachen inneren Theilen, die so
hübsch eingerichtet und zusammengefügt sind, und
die, wenn sie Ideen sind, keine Kraft oder Wirksamkeit
in sich haben und in keiner nothwendigen Verbindung
mit denWirkungen stehen, die ihnen zugeschrieben
werden? Bringt ein Geist unmittelbar durch
ein »Fiat« oder einen Act seines Willens jegliche
Wirkung hervor, so müssen wir annehmen, dass alles
Feine und Kunstvolle in denWerken der Menschen
und der Natur zwecklos sei. Nach dieser Lehre müsste
ein Künstler, obschon er Feder und Räder und das
ganze Getriebe einer Uhr gemacht und alles in solcher
Art eingerichtet hätte, wie er wusste, dass dadurch,
die beabsichtigten Bewegungen bewirkt würden, doch
glauben, dass dies alles zu nichts diene, und dass eine
Intelligenz den Zeiger richte und gemäss der Tagesstunde
stelle. Ist es so, warum sollte dann nicht die
Intelligenz dies thun, ohne dass der Künstler sich die
Mühe machte das Getriebe anzufertigen und zusammenzustellen?
Warum ist nicht ein leeres Gehäuse
ausreichend? Und wie geschieht es, dass, wenn irgend
ein Fehler im Gang der Uhr ist, eine entsprechende
Unordnung im Getriebe gefunden wird, und dass,
nachdem eine geschickte Hand die Reparatur vollzogen
hat, alles wieder in Ordnung ist? Das Gleiche
kann gesagt werden von dem Uhrwerk der Natur, das
grossentheils so wundervoll fein und zart ist dass es
kaum durch das beste Mikroskop zu erkennen ist.
Kurz, es wird gefragt werden, wie nach unseren Principien
uns auch nur irgendwie befriedigende Erklärung
gegeben oder ein Zweck bezeichnet werden
könne von der Existenz unzähliger Körper und Maschinen,
die mit der ausgesuchtesten Kunst gebildet
sind, und die doch nach der gewöhnlichen philosophischen
Theorie eine sehr angemessene Verwendung
finden und eine Fülle von Erscheinungen zu erklären
dienen.

LXI. Auf alles dies antworte ich erstens, dass,
wenn auch in Bezug auf das Verfahren der Vorsehung
und die Zwecke, die sie einigen Theilen der Natur gesetzt
hat, einige Schwierigkeiten übrig blieben, die
ich nicht durch die vorstehenden Principien zu lösen
vermöchte, dennoch dieser Einwurf von geringem Gewicht
sein würde gegen die Wahrheit und Gewissheit
von Dingen, die mit der grössten Evidenz a priori bewiesen
werden können. Zweitens sind aber auch die
herrschenden Principien nicht frei von den gleichen
Schwierigkeiten; denn es kann dabei ebensowohl die
Frage aufgeworfen werden, zu welchem Zweck Gott
jenen Umweg einschlage, durch Instrumente und Maschinen
Dinge zubewirken, die er, wie Niemand leugnen
kann, durch das blosse Gebot seinesWillens
ohne jenen Apparat hätte bewirken können; ja, wenn
wir näher die Sache betrachten, so werden wir finden,
dass der Einwurf mit grosser Kraft gegen die zurückgewendet
werden kann, welche annehmen, dass jene
Maschinen ausserhalb des Geistes bestehen, denn es
ist überzeugend nachgewiesen worden, dass Solidität,
Grösse, Figur, Bewegung und Aehnliches keine Activität
oderWirkungskraft in sich tragen, wodurch sie
fähig wären irgend eineWirkung in der Natur hervorzubringen.
S. Section XXV.Wer also annimmt, dass
sie unwahrgenommen existiren (die Möglichkeit hiervon
zugegeben), thut dies offenbar zwecklos, da der
einzige Zweck, der ihnen in ihrer unwahrgenommenen
Existenz zugeschrieben wird, der ist, jene wahrnehmbaren
Erfolge hervorzubringen, die in Wahrheit nur
einem Geiste zugeschrieben werden können.

LXII. Um aber die Schwierigkeit näher in's Auge
zu fassen, muss bemerkt werden, dass, mag auch die
Production aller jener Theile und Organe nicht durchaus
nothwendig zur Hervorbringung irgend einer Wirkung
sein, sie doch dazu erforderlich ist, in einer constanten,
regelmässigen Weise den Naturgesetzen gemäss
die Dinge hervorzubringen. Es giebt gewisse
allgemeine Gesetze, die durch die ganze Kette von
Naturerfolgen hindurchgehen; diese lernt man durch
Beobachtung und Studium der Natur kennen und
wendet sie an ebensowohl zur Bildung von Kunstproducten
zum Behuf des Nutzens und Schmuckes des
Lebens, wie zur Erklärung der verschiedenen Phänomene;
diese Erklärung besteht nur darin, dass man die
Uebereinstimmung nachweist, in welcher irgend eine
einzelne Erscheinung mit den allgemeinen Gesetzen
der Natur steht, oder, was dasselbe ist, dass man die
Gleichmässigkeit entdeckt, mit welcher die natürlichenWirkungen
erfolgen; dies wird Jedem einleuchten,
der auf die verschiedenen Fälle achtet, in welchen
Philosophen von Naturerscheinungen Rechenschaft zu
geben behaupten. Dass ein grosser Nutzen in diesen
regelmässigen, constantenWeisen des Handelns liegt,
welche der höchsteWirkende beobachtet, ist in Section
XXXI. gezeigt worden. Auch ist es nicht weniger
einleuchtend, dass eine bestimmte Grösse, Figur, Bewegung
und Anordnung von Theilen erforderlich ist
obschon nicht absolut zur Hervorbringung irgend
einer Wirkung, doch zur Hervorbringung derselben
gemäss den beständigen mechanischen Gesetzen der
Natur. So kann es z.B. nicht geleugnet werden, dass
Gott oder die höchste Intelligenz, welche den geordneten
Lauf der Dinge aufrechterhält und beherrscht,
falls er einWunder thun wollte, alle die Bewegungen,
die über dem Zifferblatt einer Uhr erfolgen, hervorbringen
konnte, auch wenn Niemand das Getriebe bearbeitet
und eingefügt hätte; will er aber gemäss den
Gesetzen des Mechanismus bandeln, die von ihm zu
weisen Zwecken bei der Schöpfung begründet sind
und aufrechterhalten werden, so ist es nothwendig,
dass jene Handlungen des Uhrmachers, die Anfertigung
und angemessene Einrichtung des Getriebes, der
Hervorbringung der erwähnten Bewegungen vorausgehen,
ebenso wie auch, dass irgend welche Unregelmässigkeit
in diesen Bewegungen verbunden sei mit
derWahrnehmung irgend welcher Unordnung im Getriebe,
nach deren Beseitigung alles wieder in Ordnung
ist.

LXIII. Es kann in der That bei gewissen Anlässen
erforderlich sein, dass der Urheber der Natur seine
oberherrliche Macht bekunde durch Hervorbringung
einer Erscheinung ausserhalb der geordneten Reihe
der Dinge. Solche Ausnahmen von den allgemeinen
Gesetzen der Natur sind geeignet zu überraschen und
die Menschen im ehrerbietigen Anerkennung des Daseins
Gottes zu bringen; aber dann darf von diesem
Mittel nur selten Gebrauch gemacht werden, weil andernfalls
zu erwarten steht, dass es seineWirkung
verfehle. Zudem will Gott, so scheint es, lieber unsere
Vernunft von seinen Eigenschaften durch dieWerke
der Natur überzeugen, die so viele Harmonie und
Kunst in ihrem Bau bekunden und so deutlich die
Weisheit und Güte ihres Urhebers bezeugen, als uns
durch Erregung von Erstaunen mittelst ausserordentlicher
und überraschender Ereignisse zum Glauben an
sein Dasein bringen.

LXIV. Um diesen Gegenstand in ein noch helleres
Licht zu setzen, bemerke ich, dass das, was in Section
LX. eingeworfen worden ist, in der That nur auf Folgendes
hinausläuft. Ideen werden nicht auf irgend eine
beliebige Art und ordnungslos erzeugt; es ist zwischen
ihnen eine bestimmte Ordnung und Verbindung
gleich der zwischen Ursache undWirkung; es giebt
auch verschiedene in einer sehr regelmässigen und
künstlichenWeise gebildete Ideengruppen, die wie
Instrumente in der Hand der Natur erscheinen, welche,
gleichsam hinter der Scene verborgen, eine
geheime Wirkung bei der Production der Erscheinungen
haben, die auf dem Schauplatze derWelt gesehen
werden, während sie selbst nur dem nachspürenden
Auge des Forschers erkennbar sind. Aber da eine Idee
nicht die Ursache einer andern sein kann, wozu dient
denn diese Verbindung? Und da diese Instrumente als
blosse unwirksame Perceptionen in dem Geiste nicht
zur Hervorbringung natürlicher Wirkungen dienen, so
wird gefragt, warum sie gebildet werden oder mit andernWorten,
was für ein Grund angeführt werden
könne, warum Gott uns bei einer sorgsamen Betrachtung
seiner Werke eine so grosse Mannigfaltigkeit
von so kunstvoll und so gesetzmässig mit einander
verknüpften Ideen zeige, da es doch nicht glaublich
sei, dass er (so zu sagen) den Aufwand aller dieser
Kunst und Regelmässigkeit zwecklos mache.

LXV. Auf alles dies ist meine Antwort, erstens:
dass die Verbindung der Ideen nicht das Verhältniss
von Ursache undWirkung in sich schliesst, sondern
nur das Verhältniss eines Merkmals oder Zeichens zu
dem bezeichneten Object. Das Feuer, welches ich
sehe, ist nicht die Ursache des Schmerzes, den ich
empfinde, wenn ich mich ihm nähere, sondern das
Merkmal, welches mich davor warnt. In gleicher Art
ist das Geräusch, das ich höre, nicht dieWirkung dieser
oder jener Bewegung oder des Zusammenstosses
von Körpern in unserer Umgebung, sondern nur das
Zeichen davon. Zweitens: der Grund, warum Ideen zu
Maschinen gestaltet sind, d.h. zu künstlichen und regelmässigen
Verbindungen, ist der nämliche, wie der
Grund der Verbindung von Buchstaben zuWorten.
Damit einige wenige primitive Ideen dazu verwendet
werden können, eine grosse Zahl vonWirkungen und
Handlungen zu bezeichnen, ist erforderlich, dass sie
mannigfach mit einander combinirt seien, und damit
ihr Nutzen ein beständiger und allgemeiner sei, müssen
diese Combinationen nach Gesetzen und planmässig
gemacht werden. Auf dieseWeise wird uns
eine Fülle von Belehrung gegeben über das, was wir
von bestimmten Handlungen zu erwarten haben und
welches Verfahren jedesmal einzuhalten sei, um bestimmte
Ideen hervorzurufen, und dies ist in der That
alles, was ich als klaren Sinn der Aussage erkenne,
dass wir durch Erkenntniss der Figur, Zusammenfügung
und des Mechanismus der inneren Theile von
natürlichen oder künstlichen Körpern dahin gelangen
können, die verschiedenen davon abhängigen Erfolge
und Eigenschaften oder die Natur des Dinges zu erkennen.

LXVI. Hieraus ist offenbar, dass die Dinge, welche
unter dem Begriff einer mitwirkenden oder zur
Hervorbringung vonWirkungen beitragenden Ursache
gänzlich unerklärbar sind und uns in grosse Ungereimtheiten
verwickeln, sehr naturgemäss sich
erklären lassen und einen eigenthümlichen und naheliegenden
Nutzen bekunden, wenn sie nur als Merkmale
oder Zeichen, die zu unserer Belehrung dienen,
betrachtet werden. Und eben darin sollte die Aufgabe
des Naturforschers bestehen, diese durch den Urheber
der Natur begründeten Zeichen aufzusuchen und nach
dem Verständniss derselben zu streben; sie liegt nicht
in der Erklärung von Vorgängen durch körperliche
Ursachen, welche Lehre so sehr den Geist der Menschen
von jenem activen Princip, jenem höchsten und
weisen Geiste abgelenkt zu haben scheint, »in dem
wir leben, weben und sind«.

LXVII. Zwölftens wird vielleicht eingewandt werden,
dass, wenn schon aus dem Bisherigen klar sei, es
könne so etwas, wie eine unthätige, unempfindliche,
ausgedehnte, solide, gestaltete, bewegliche Substanz,
die ausserhalb des Geistes existire, wie von Philosophen
die Materie beschrieben werde, nicht geben,
doch nicht einleuchte, dass nicht möglicherweise eine
Materie existire, wenn diesesWort so verstanden
werde, dass man daraus die positiven Ideen Ausdehnung,
Figur, Solidität und Bewegung weglasse und
darunter nur verstehe eine unthätige unempfindliche
Substanz, die ausserhalb des Geistes oder unpercipirt
existire und die Ursache unserer Ideen sei oder bei
deren Gegenwart es Gott gefalle, Ideen in uns hervorzurufen.
Hierauf antworte ich erstens: dass es nicht
weniger ungereimt zu sein scheint, eine Substanz
ohne Accidentien, wie Accidentien ohne eine Substanz
vorauszusetzen. Aber zweitens: auch wenn wir
zugäben, dass diese unbekannte Substanz möglicherweise
existire, so fragt sich doch, wo sie denn etwa
sein könne. Dass sie nicht im Geiste existire, ist zugegeben,
und dass sie nicht an einem Orte sei, ist nicht
minder gewiss, da alle Ausdehnung nur im Geiste existirt,
wie schon bewiesen worden ist. Es bleibt also
übrig, dass sie überhaupt nirgendwo existire.

LXVIII. Lasst uns ein wenig die Beschreibung
prüfen, die uns hier von der Materie gegeben wird.
Diese ist weder wirkend noch percipirend, noch wird
sie percipirt; denn nur eben dies ist gemeint, wenn gesagt
wird, sie sei eine träge, unempfindliche, unbekannte
Substanz; diese Definition besteht ganz aus
Negationen, nur mit Ausnahme des relativen Begriffs
des Drunterstehens oder Tragens; es muss aber dann
bemerkt werden, dass die Materie überhaupt nichts
trägt, und wie nahe dies der Beschreibung eines
Nichtseienden kommt, möge doch erwogen werden.
Aber, sagt ihr, sie ist die unbekannte Veranlassung,
bei deren Gegenwart Ideen in uns durch den Willen
Gottes hervorgerufen werden. Nun möchte ich gern
wissen, wie irgend etwas uns gegenwärtig sein könne,
das weder durch sinnliche, noch durch innere Wahrnehmung
percipirbar, noch auch fähig ist, irgend eine
Idee in uns hervorzubringen, noch auch ausgedehnt
ist, noch auch irgend eine Form hat, noch auch an irgend
einer Stelle existirt. DieWorte gegenwärtig sein
müssen, wenn sie so angewandt werden, nothwendig
in irgend einem abstracten und seltsamen Sinne genommen
werden, den ich nicht fähig bin zu verstehen.

LXIX. Lasst uns ferner prüfen, was unter Veranlassung
verstanden werde. So viel ich aus dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch entnehmen kann, bezeichnet
diesesWort entweder das Wirkende, das irgend
einen Erfolg hervorbringt, oder andernfalls
etwas, das in dem gewöhnlichen Laufe der Dinge als
den Erfolg begleitend oder demselben vorausgehend
beobachtet wird. Wird aber dasWort auf die Materie,
wie diese oben beschrieben worden ist, angewandt, so
kann es in keiner von diesen Bedeutungen genommen
werden. Denn da die Materie passiv und unthätig sein
soll, so kann sie nicht etwasWirkendes oder eine hervorbringende
Ursache sein; da sie aber auch unpercipirbar
ist, indem ihr alle sinnlich wahrnehmbaren
Qualitäten fehlen, so kann sie nicht die Veranlassung
unserer Perceptionen in dem letzteren Sinne sein, wie
wenn gesagt wird, dass ich mir den Finger verbrannt
habe, sei die Veranlassung des Schmerzes, den ich
daran empfinde.Was kann demnach gemeint sein,
wenn jene Materie eine Veranlassung genannt wird?
Dieser Terminus wird dann entweder überhaupt in
keinem Sinne gebraucht oder in einem solchen, der
von seiner üblichen Bedeutung weit absteht.

LXX. Vielleicht werdet ihr sagen, die Materie
werde, wenn schon nicht durch uns percipirt, doch
percipirt durch Gott, für den sie die Veranlassung sei,
Ideen in unsern Geistern hervorzurufen. Denn, sagt
ihr, da wir beobachten, dass unsere Sinneswahrnehmungen
in einer geordneten und sich gleich bleibendenWeise
hervorgerufen werden, so ist es nur vernunftgemäss
vorauszusetzen, dass bestimmte sich
gleichbleibende und regelmässige Veranlassungen zu
ihrem Hervorgebrachtwerden bestehen. Das besagt,
dass es bestimmte beharrliche und von einander unterschiedene
Theile der Materie gebe, die unseren Ideen
entsprechen, und die, obschon sie dieselben nicht in
unseren Geistern hervorrufen oder uns irgendwie unmittelbar
afficiren, da sie durchaus passiv und uns unpercipirbar
sind, nichtsdestoweniger für Gott, durch
den sie percipirt werden, gleichsam ebensoviele Anlässe
sind ihn zu erinnern, wann Ideen und was für
Ideen unseren Geistern einzuprägen seien, damit so
die Dinge in einer beständigen und gleichmässigen
Weise geschehen.

LXXI. Zur Antwort hierauf bemerke ich, dass, wie
hier der Begriff der Materie gefasst ist, die Frage
nicht länger die Existenz eines von Geist und Idee,
vom Percipirenden und Percipirtwerdenden
verschiedenen Dinges betrifft, sondern darauf geht, ob
es nicht gewisse Ideen von ich weiss nicht was für
einer Art in Gottes Geiste gebe, welche eben so viele
Merkmale oder Zeichen seien, die ihn dazu leiten,
Sinnesempfindungen in unseren Geistern nach einer
sich gleichbleibenden und regelmässigen Methode
hervorzurufen, zum guten Theil in derselbenWeise,
wie ein Musiker durch die Musiknoten bei der Erzeugung
jener harmonischen Folge und Verbindung von
Tönen geleitet wird, die ein Tonstück genannt wird,
obschon die, welche die Musik hören, die Noten nicht
wahrnehmen und vielleicht gar nichts von ihnen wissen.
Aber dieser Begriff der Materie scheint zu ausschweifend
zu sein, um eineWiderlegung zu verdienen.
Zudem bildet derselbe in der That keinen Einwurf
gegen das von uns Behauptete, dass es nämlich
keine empfindungslose unpercipirte Substanz gebe.

LXXII. Folgen wir dem Lichte der Vernunft, so
werden wir aus der beständigen gleichförmigenWeise
unserer Sinneswahrnehmungen auf die Güte und
Weisheit des Geistes schliessen, der dieselben in uns
hervorruft. Aber dies ist alles, was ich vernünftiger
Weise daraus schliessen kann. Mir, sage ich, ist es
einleuchtend, dass das Sein eines unendlich weisen,
guten und mächtigen Geistes völlig zureichend ist,
alle Erscheinungen der Natur zu erklären. Mit einer
unthätigen empfindungslosenMaterie aber hat nichts
von dem, was ich begreife, das Mindeste zu thun,
nichts leitet meine Gedanken darauf hin. Und ich
möchte gern sehen, wie Jemand auch nur die geringste
Naturerscheinung dadurch erkläre oder irgend einen
Grund aufzeige, möge derselbe auch nur den geringsten
Grad vonWahrscheinlichkeit besitzen, warum er
die Existenz derselben annehme, oder dass auch nur
dieser Annahme in einer irgend erträglichenWeise ein
Sinn oder eine Bedeutung gegeben werde. Denn wird
gesagt, jene Materie sei eine Veranlassung, so haben
wir, denke ich, deutlich gezeigt, dass dieselbe für uns
dies nicht ist; sie müsste also für Gott die Veranlassung
sein, Ideen in uns hervorzurufen, und worauf
dies hinauslaufe, hat sich uns jetzt eben gezeigt.

LXXIII. Es ist der Mühe werth, ein wenig über die
Motive nachzudenken, welche die Menschen bewegen
haben, die Existenz einer materiellen Substanz anzunehmen,
so dass wir, nachdem wir das stufenweise
Hinschwinden und den Untergang dieser Motive oder
Gründe beobachtet haben, in gleichem Verhältniss die
Zustimmung aufheben können, welche auf dieselben
gegründet worden war. Zuerst also glaubte man, dass
Farbe, Figur, Bewegung und die übrigen sinnlichen
Qualitäten oder Accidentien wirklich ausserhalb des
Geistes existiren, und aus diesem Grunde schien es
erforderlich, ein gewisses nicht denkendes Substrat
oder eine Substanz vorauszusetzen, worin sie
Existenz hätten, da sie nicht als an sich selbst existirend
gedacht werden konnten. Als hernach, im Fortgange
der Zeit, man sich überzeugte, dass Farben,
Töne und die übrigen »secundären Qualitäten« nicht
ausserhalb des Geistes existiren, streifte man diesem
Substrat oder der materiellen Substanz jene Qualitäten
ab und liess ihm nur die primären übrig: Figur,
Bewegung und ähnliche, von denen man immer noch
annahm, dass sie ausserhalb des Geistes existirten
und demgemäss eines materiellen Trägers bedürften.
Da nun aber gezeigt worden ist, dass auch von diesen
Eigenschaften keine anders, als in einem Geiste oder
einer Seele, wodurch sie percipirt werde, existiren
könne, so folgt, dass wir nicht länger irgend einen
Grund haben, das Dasein einer Materie vorauszusetzen,
ja dass es durchaus unmöglich ist, dass etwas
Derartiges existire, so lange dieses Wort in dem Sinne
genommen wird, worin es ein undenkendes Substrat
von Eigenschaften oder Accidentien bezeichnet, in
welchem diese ausserhalb des Geistes existiren.

LXXIV. Aber obschon es von den Materialisten
selbst zugegeben wird, dass die Materie nur zu dem
Zweck, als Trägerin von Accidentien zu dienen, angenommen
werde, und obschon man erwarten dürfte,
dass, da der Grund ganz wegfalle, der Geist natürlich
auch, und zwar ohne irgend einWiderstreben, den
Glauben an das, was ausschliesslich auf denselben
gebaut war, aufgeben werde, so ist doch das Vorurtheil
so tief in unser Denken eingedrungen, dass wir
uns schwer von ihm losmachen können und demgemäss
geneigt sind, da die Sache selbst unhaltbar ist,
wenigstens den Namen beizubehalten, den wir dann
auf ich weiss nicht was für abstracte und unbestimmte
Begriffe eines Seienden oder einer Veranlassung anwenden,
obschon ohne irgend einen auch nur anscheinenden
Grund, so viel ich wenigstens sehen kann.
Denn was für einen Anhalt haben wir, oder was percipiren
wir unter allen Ideen, Sinneswahrnehmungen,
Begriffen welche unserm Geiste durch die Sinne oder
durch Selbstbetrachtung eingeprägt sind, woraus sich
die Existenz einer trägen, gedankenlosen, unpercipirten
Veranlassung erschliessen liesse? Und andererseits,
was kann es bei einem allgenugsamen Geiste
geben, das uns glauben oder auch nur vermuthen liesse,
derselbe werde durch ein träges Ding geleitet, das
für ihn die Veranlassung sei, Ideen in unserm Geiste
hervorzurufen?

LXXV. Es ist ein sehr auffälliger Beweis der Stärke
des Vorurtheils und etwas sehr Beklagenswerthes,
dass der Geist der Menschen trotz aller Vernunftevidenz
eine so grosse Vorliebe für ein stupides gedankenloses
Etwas behält, durch dessen Einschiebung er
sich, wenn ich so sagen darf, gegen die göttliche Vorsehung
decken und Gott weiter von den
Angelegenheiten der Welt entfernen möchte. Aber
mögen wir auch das Aeusserste thun, was wir können,
um den Glauben an eine Materie zu sichern, mögen
wir auch versuchen, wenn Vernunftgründe uns im
Stich lassen, unsere Meinung auf die blosse Möglichkeit
des Dinges zu gründen, und mögen wir dabei
auch, um diese blosse Möglichkeit herauszubringen,
unserer Phantasie den vollen Spielraum gestatten, den
sie findet, wenn sie nicht durch die Vernunft geleitet
wird, so ist doch das Endresultat nur, dass es gewisse
unbekannte Ideen im Geiste Gottes gebe; denn dies,
wenn überhaupt irgend etwas, ist alles, was ich als
den Sinn von Veranlassung in Bezug auf Gott zu verstehen
vermag. Und dies heisst im Grunde nicht länger
für die Sache, sondern für den Namen kämpfen.

LXXVI. Ob es nun solche Ideen im Geiste Gottes
gebe, und ob sie durch den Namen Materie zu bezeichnen
seien, darüber werde ich nicht streiten. Aber
wenn ihr festhaltet an dem Begriff einer undenkenden
Substanz oder eines Trägers von Ausdehnung, Bewegung
und anderen sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften,
dann finde ich es offenbar unmöglich, dass
ein solches Ding existire, denn es ist ein voller Widerspruch,
dass jene Eigenschaften in einer nicht percipirenden
Substanz existiren oder durch eine solche getragen
werden.

LXXVII. Aber, sagt ihr, mag es auch zuzugeben
sein dass es kernen nicht denkenden Träger von Ausdehnung
und den anderen Qualitäten oder Accidentien
gebe, die wir percipiren, so giebt es doch vielleicht
eine gewisse träge nicht percipirende Substanz oder
ein Substrat gewisser anderer Qualitäten, welche uns
eben so unerkennbar sind, wie einem Blindgebornen
die Farben, weil wir keinen auf sie eingerichteten
Sinn haben. Hätten wir aber einen neuen Sinn, so
würden wir dann wohl ebenso wenig an ihrer Existenz
zweifeln, als ein Blinder, nachdem er sehend geworden
ist, an der Existenz von Licht und Farben zweifelt.
Ich antworte, erstens: wenn das, was ihr unter
demWorte Materie versteht, nur der unbekannte Träger
unbekannter Qualitäten ist, so ist es gleichgültig,
ob ein solches Ding existirt oder nicht, da es uns
nichts angeht, und ich sehe nicht, welchen Nutzen
eine Disputation über etwas, wovon wir nicht wissen,
was, noch warum es sei, gewähren könne.

LXXVIII. Zweitens aber, hätten wir einen neuen
Sinn, so könnte derselbe uns nur mit neuen Ideen oder
Sinnesempfindungen versehen, und wir hätten dann
den nämlichen Grund gegen ihre Existenz in einer
nicht percipirenden Substanz, der bereits in Betreff
der Gestalt, Bewegung, Farbe etc. vorgebracht worden
ist. Qualitäten sind, wie gezeigt worden ist, nichts
anderes, als Sinneswahrnehmungen oder Ideen, welche
nur in einem Geiste existiren, der sie percipirt,
und dies gilt nicht nur von den Ideen, die wir zur Zeit
besitzen, sondern gleichermassen von allen möglichen
Ideen, von welcher Art auch immer dieselben sein
mögen.

LXXIX. Doch werdet ihr behaupten, wenn sich
auch der Glaube an die Existenz der Materie auf keinen
Grund stützen, wenn sich auch kein Zweck der
Materie angeben und nichts durch sie erklären lasse,
wenn selbst sich nicht der Sinn diesesWortes begreifen
lasse, so sei es doch keinWiderspruch, zu sagen,
dass Materie existire und dass diese Materie eine
Substanz im Allgemeinen oder eine Veranlassung von
Ideen sei, obschon in der That der Fortgang zur Entwickelung
dieser Meinung oder die Zustimmung zu
irgend einer besonderen Erklärung jenerWorte mit
grossen Schwierigkeiten verbunden sein möge. Ich
antworte: wennWorte ohne Sinn gebraucht werden,
dann könnt ihr dieselben nach Belieben zusammenstellen,
ohne Gefahr, in einenWiderspruch zu verfallen.
Ihr dürft z.B. sagen, dass zweimal zwei gleich
sieben sei, so lange ihr erklärt, dass ihr nicht die
Worte dieses Satzes in ihrem üblichen Sinne nehmt,
sondern als Zeichen für etwas, wovon ihr nicht wisst,
was es sei. In derselben Art dürft ihr sagen, es gebe
eine träge gedankenlose Substanz ohne Accidentien,
welche die Veranlassung zu unseren Ideen sei. Wir
werden durch den einen Satz gerade eben so sehr
belehrt werden, wie durch den andern.

LXXX. Zuletzt werdet ihr sagen: wie aber, wenn
wir die Behauptung, es existire eine materielle Substanz,
aufgeben, und unter der Materie ein unbekanntes
Etwas verstehen, das weder Substanz, noch Accidens,
weder Geist noch Idee, trag, gedankenlos, untheilbar,
unbeweglich, unausgedehnt ist und an keinem
Orte existirt? Denn, sagt ihr, was auch immer gegen
Substanz oder Veranlassung oder irgend einen andern
positiven oder Relationsbegriff von Materie eingewandt
werden mag, findet gar keine Anwendung
mehr, so lange diese negative Definition der Materie
festgehalten wird. Ich antworte: ihr mögt, wenn euch
das gut dünkt, das Wort Materie in dem nämlichen
Sinne gebrauchen, worin Andere dasWort Nichts gebrauchen,
so dass beide Worte nach eurer Redeweise
mit einander vertauscht werden können. Denn dies
scheint mir, nach allem, das Ergebniss dieser Definition
zu sein; wenn ich mit Aufmerksamkeit die Theile
derselben insgesammt oder einzeln betrachte, so finde
ich nicht, dass dadurch irgend eineWirkung auf meinen
Geist geübt würde, die verschieden wäre von der,
welche dasWort Nichts hervorruft.

LXXXI. Vielleicht werdet ihr entgegnen, es liege
in der vorstehenden Definition etwas, was einen ausreichenden
Unterschied von dem Nichts begründe,
nämlich die positive abstracte Idee derWesenheit, des
Seins oder der Existenz. In der That, ich erkenne an,
dass die, welche sich die Fähigkeit zuschreiben, abstracte
allgemeine Ideen zu bilden, so reden, als hätten
sie eine solche Idee, welche, wie sie sagen, der abstracteste
und allgemeinste von allen Begriffen ist,
d.h. für mich der unbegreiflichste von allen. Ich sehe
keinen Grund zu leugnen, dass es eine grosse Mannigfaltigkeit
von Geistern verschiedenen Ranges und
verschiedener Befähigung gebe, die eine weit grössere
Zahl von Kräften und weit umfassendere Kräfte besitzen,
als die, welche der Urheber meines Seins mir verliehen
hat und wollte ich mich anheischig machen,
nach meinen eigenen geringen, eingeschränkten, nicht
weit reichenden Perceptionsweisen zu bestimmen,
was für Ideen die unerschöpfliche Macht des höchsten
Geistes ihnen einpräge, so wäre dies gewiss die äusserste
Thorheit und Anmaassung. Denn es kann, so
weit ich darüber zu urtheilen vermag, unzählige Arten
von Ideen oder Sinnesempfindungen geben, die eben
so verschieden von einander und von allem, was ich
percipirt habe, sind, wie Farben von Tönen. Wie sehr
ich aber auch bereit bin, die Beschränktheit meiner
Erkenntnisskraft in Betracht der endlosen Mannigfaltigkeit
von Geistern und Ideen, welche möglicherweise
existiren, anzuerkennen, so ist es doch, vermuthe
ich, ein völliger Widerspruch, dass irgend einer dieser
Geister einen Begriff eines Seins oder einer Existenz
haben könne, wobei von Geist und Idee, Percipiren
und Percipirtwerden abstrahirt wäre. - Nun bleibt uns
noch übrig, die Einwürfe zu erwägen, welche möglicherweise
im Namen der Religion erhoben werden.

LXXXII. Es giebt Personen, welche dafür halten,
dass, wenn schon zugegeben werden müsse, die aus
der Vernunft entnommenen Argumente für die wirkliche
Existenz von Körpern seien nicht beweiskräftig,
doch die heilige Schrift über diesen Punkt so klar sei,
dass dies zureiche, jeden guten Christen davon zu
überzeugen, dass Körper inWirklichkeit existiren
und etwas mehr seien, als blosse Ideen, da ja in der
Bibel unzählige Thatsachen erzählt werden, welche
offenbar die Realität von Holz und Stein, Bergen und
Flüssen, Städten und menschlichen Leibern voraussetzen.
Hierauf antworte ich: dass keine Art von
Schriften, seien es heilige oder profane, welche diese
und derartige Worte in ihrer gewöhnlichen Bedeutung
gebrauchen oder doch so, dass ein Sinn darin liege, in
die Gefahr komme, dass ihre Wahrheit durch unsere
Lehre in Frage gestellt werde. Dass alle jene Dinge
wirklich existiren, dass es Körper gebe, selbst körperliche
Substanzen, falls diesesWort im vulgären Sinne
gebraucht wird, stimmt, wie bewiesen worden ist, mit
unseren Principien zusammen, und der Unterschied
zwischen Dingen und Ideen, Realitäten und Chimären
ist deutlich erklärt worden (Sect. XXIX. XXX.
XXXIII. XXXVI. etc.). Und ich denke, dass weder
das, was die Philosophen Materie nennen, noch die
Existenz von Objecten ausserhalb des Geistes irgendwo
in der Schrift erwähnt wird.

LXXXIII. Ferner, mag es, äussere Dinge geben
oder nicht, so wird doch allseitig anerkannt, dass der
eigentliche Zweck derWorte darin besteht, unsere Begriffe
zu bezeichnen, oder die Dinge nur so zu bezeichnen,
wie sie uns bekannt und von uns aufgefasst
seien. Hieraus folgt offenbar, dass in den oben dargelegten
Sätzen nichts ist, was mit dem richtigen Gebrauch
und der Bedeutung der Sprache nicht zusammen
bestände und dass jede Ausdrucksweise, von
welcher Art sie auch sei, sofern sie einen verständlichen
Sinn hat, unangegriffen bleibt. Jedoch dies alles
scheint nach dem, was früher schon auseinandergesetzt
worden ist, so handgreiflich zu sein, dass es
nicht nöthig ist, länger dabei zu verweilen.

LXXXIV. Doch es wird eingewandt werden, dass
die Wunder zum mindesten viel von ihrerWichtigkeit
und Bedeutung durch unsere Principien verlieren.
Was müssen wir von Mose's Stabe denken, wurde
derselbe nicht wirklich in eine Schlange verwandelt,
und fand nur einWechsel von Ideen in den Geistern
der Zuschauer statt? Und darf man annehmen, dass
unser Erlöser auf der Hochzeit zu Kana nicht mehr
that, als auf Gesicht, Geruch und Geschmack der
Gäste so einwirken, dass er in ihnen die Erscheinung
oder Idee Wein erschuf? Das Nämliche kann von allen
andernWundern gesagt werden, die, den vorstehenden
Principien zufolge, als ebenso viele Täuschungen
oder Illusionen der Phantasie angesehen werden müssen.
Hierauf antworte ich, dass der Stab in eine wirkliche
Schlange und das Wasser in wirklichenWein
verwandelt wurde. Dass dies nicht im Mindesten dem,
was ich anderswo gesagt habe, widerstreite, wird aus
Section XXXIV und XXXV einleuchten. Aber dies,
wie es um reell und imaginär stehe, ist schon so deutlich
und vollständig erklärt, es ist so oft darauf Bezug
genommen worden, und die aufgeworfenen Zweifel
lassen sich so leicht lösen, dass es den Verstand des
Lesers beleidigen hiesse, wenn an dieser Stelle die Erklärung
auf's Neue vorgebracht werden sollte. Ich will
nur bemerken, dass, wenn bei Tisch alle Anwesenden
Wein sehen und riechen und schmecken und trinken,
und dieWirkungen desselben vorfinden, nach mir
kein Zweifel an der Realität desselben bestehen kann,
so dass im Grunde der die Realität derWunder betreffende
Zweifel nicht unsere, sondern nur die herrschenden
Principien betrifft und folglich eher für als gegen
das Gesagte spricht.

LXXXV. Nachdem wir mit den Einwürfen uns abgefunden
haben, die ich in das hellste Licht zu stellen
und denen ich alle mögliche Kraft und Stärke zu
geben versuchte, gehen wir nun zunächst dazu fort,
einen Blick auf die Consequenzen unserer Sätze zu
werfen. Einige von diesen springen sofort in die
Augen. Mehrere schwierige und dunkle Probleme, an
welche ein Uebermaass von Speculation verschwendet
worden ist, werden gänzlich aus der Philosophie
verbannt. Kann eine körperliche Substanz empfinden?
Ist die Materie in's Unendliche theilbar? Und wie
wirkt sie auf den Geist? Mit diesen und ähnlichen Untersuchungen
haben sich Philosophen zu allen Zeiten
unablässig unterhalten. Da dieselben aber durch die
Existenz der Materie bedingt sind, so können sie nach
unseren Principien nicht mehr stattfinden. Es giebt sowohl
in Betracht der Religion, als derWissenschaften
noch manche andere Vortheile, die leicht ein Jeder aus
dem Vorstellenden entnehmen kann. Doch dies wird
in dem Folgenden deutlicher werden.

LXXXVI. Aus den vorgetragenen Principien folgt,
dass die menschliche Erkenntniss naturgemäss in
zwei Hauptklassen eingetheilt werden kann, nämlich
in die Erkenntniss von Ideen und die von Geistern.
Von einer jeden derselben werde ich ordnungsgemäss
handeln. Was zuerst die Ideen oder undenkenden
Dinge betrifft, so ist unsere Erkenntniss derselben
sehr verdunkelt und verwirrt und wir sind zu sehr gefährlichen
Irrthümern verleitet worden durch die Voraussetzung
einer zweifachen Existenz der
Sinnesobjecte, einer intelligibeln in dem Geiste und
einer realen ausserhalb des Geistes, wobei angenommen
wurde, dass undenkende Dinge eine natürliche
Existenz an sich selbst hätten, die verschieden wäre
von ihrem Percipirtwerden durch Geister. Dies, was,
wenn ich mich nicht ganz täusche, als eine durchaus
grundlose und ungereimte Vorstellung erwiesen worden
ist, ist der geradeWeg zum Scepticismus; denn
so lange man dafür hielt, dass reale Dinge ausserhalb
des Geistes existiren, und dass der Erkenntniss derselben
nur in so weit Realität zukomme, als sie realen
Dingen conform sei, musste folgen, dass es uns nicht
gewiss sein könne, dass wir irgend eine reale Erkenntniss
überhaupt besitzen. Denn wie kann erkannt werden,
dass die Dinge, welche percipirt werden, jenen
andern conform seien, welche nicht percipirt werden
oder ausserhalb des Geistes existiren.

LXXXVII. Farbe, Gestalt, Bewegung, Ausdehnung
etc. sind, sofern wir sie nur als eben so viele
sinnlicheWahrnehmungen in dem Geiste betrachten,
vollkommen bekannt, da nichts in ihnen ist, was nicht
percipirt würde. Werden sie aber als Merkmale oder
Bilder betrachtet, die in Beziehung stehen zu Dingen
oder Urbildern, welche ausserhalb des Geistes existiren,
dann verfallen wir Alle in Scepticismus. Wir
sehen nur die Erscheinungsweisen und nicht die realen
Qualitäten der Dinge.Was Ausdehnung, Figur
oder Bewegung irgend eines Dinges wirklich und absolut
oder an sich seien, ist uns unmöglich zu erkennen;
wir erkennen nur das Verhältniss oder die Beziehung,
worin sie zu unseren Sinnen stehen. Während
die Dinge unverändert bleiben, wechseln unsere
Ideen, und welche von diesen die wirklich in dem
Dinge existirende wahre Qualität repräsentiren, oder
ob irgend welche derselben überhaupt diese repräsentiren,
ist eine uns nicht erreichbare Erkenntniss, so
dass, so weit wir darüber zu urtheilen vermögen,
alles, was wir sehen, hören und fühlen, ein blosses
Phantom und eine eitle Chimäre sein und nicht im
mindesten mit den wirklichen Dingen, welche in
rerum natura existiren, übereinstimmen mag. Alle
diese Anzweifelung folgt aus der Voraussetzung, dass
ein unterschied zwischen Dingen und Ideen bestehe,
und dass die ersteren ein Bestehen ausserhalb des
Geistes oder unwahrgenommen haben. Es wäre leicht,
ausführlich über dieses Thema zu handeln und zu zeigen,
wie die von den Sceptikern zu allen Zeiten vorgebrachten
Argumente von der Voraussetzung äusserer
Objecte abhangen.

LXXXVIII. So lange wir undenkenden Dingen
eine wirkliche Existenz zuschreiben, welche von
ihrem Percipirtwerden verschieden sei, ist es uns nicht
bloss unmöglich, mit Evidenz die Natur irgend eines
wirklichen undenkenden Dinges zu erkennen, sondern
auch nur dies, dass ein solches existire. Daher geschieht
es, dass wir gewisse Philosophen ihren Sinnen
misstrauen und an der Existenz von Himmel und
Erde, von jeglichem Ding, das sie sehen und fühlen,
selbst von ihrem eigenen Körper zweifeln sehen. Und
nach all' ihrer mühvollen Gedankenarbeit sind sie genöthigt
einzugestehen, dass wir gar keine an sich
selbst evidente oder durch einen Beweis gesicherte
Erkenntniss von der Existenz sinnlicher Dinge zu erlangen
vermögen. Aber alle diese Ungewissheit, die
so sehr den Geist irre führt und verwirrt und die Philosophie
lächerlich macht in den Augen derWelt,
verschwindet, wenn wir einen Sinn mit unserenWorten
verknüpfen und uns nicht selbst durch die Termini
absolut, äusserlich, existiren und ähnliche täuschen,
welche etwas bezeichnen, wovon wir nicht wissen,
was es ist. Ich kann ebensowohl an meinem eigenen
Sein zweifeln, wie an dem Sein jener Dinge, die ich
thatsächlich durch den Sinn wahrnehme, da es ein offenbarerWiderspruch
wäre, dass irgend ein sinnliches
Ding unmittelbar durch das Gesicht oder Getast wahrgenommen
werde und doch gleichzeitig keine wirkliche
Existenz habe, da die wirkliche Existenz eines undenkenden
Dinges gerade in seinem Percipirtwerden
besteht.

LXXXIX. Nichts scheint von grösserer Wichtigkeit
zur Begründung eines festen Systems gesunder
und echter Erkenntniss zu sein, die probehaltig gegenüber
den Angriffen des Scepticismus befunden werde,
als das Ausgehen von einer bestimmten Erklärung,
was verstanden werde unter Ding, Realität, Existenz,
denn vergeblich werden wir über die reelle Existenz
von Dingen disputiren oder irgend etwas darüber zu
wissen behaupten, so lange wir nicht den Sinn dieser
Worte festgestellt haben. Ding oder Seiendes ist der
allgemeinste aller Samen; darunter fallen zwei völlig
von einander verschiedene und heterogene Klassen,
welche nichts mit einander gemein haben, nämlich
Geister und Ideen. Die ersteren sind thätige, untheilbare
Substanzen, die andere träge, vergängliche, abhängige
Dinge, die nicht an sich existiren, sondern getragen
sind von oder existiren in Geistern oder spirituellen
Substanzen.Wir erkennen unsere eigene Existenz
durch ein inneresWahrnehmen (einen inneren
Sinn) oder »Reflection« und die Existenz anderer Geister
durch Schliessen. Man darf sagen, dass wir in
einem gewissen Sinn eine Kenntniss oder Vorstellung
von unserm eigenen Gemüthe, von Geistern und activen
Dingen haben, wovon wir nicht Ideen im strengen
Sinne besitzen. In gleicher Art kennen wir Beziehungen
zwischen Dingen oder Ideen und haben eine Vorstellung
von diesen Beziehungen, welche von den auf
einander bezogenen Dingen oder Ideen verschieden
sind, sofern die letzteren von uns percipirt werden
können, ohne dass wir die ersteren percipiren. Mir
scheint, dass Ideen, Geister und Beziehungen in allen
ihren Arten den Gegenstand der menschlichen Erkenntniss
und das, wovon geredet wird, ausmachen,
und dass der Ausdruck Idee nur uneigentlich in einem
so weiten Sinne gebraucht werden könne, dass er zur
Bezeichnung von allem diene, was wir erkennen, oder
wovon wir irgend eine Vorstellung (notion) haben.

XC. Ideen, welche den Sinnen eingeprägt sind,
sind wirkliche Dinge oder existiren wirklich; dies
leugnen wir nicht; aber wir leugnen, dass sie ausserhalb
der Geister, welche sie percipiren, selbständig
bestehen, oder dass sie Abbilder von Urbildern seien,
welche ausserhalb des Geistes existiren, da das wirkliche
Sein einer Sinneswahrnehmung oder Idee in
ihrem Percipirtwerden besteht und eine Idee nur einer
Idee ähnlich sein kann. Ferner mögen die durch die
Sinne percipirten Dinge äussere genannt werden mit
Rücksicht auf ihren Ursprung, sofern sie nicht von
innen her, durch den Geist selbst, erzeugt, sondern
durch einen Geist, der von dem sie percipirenden verschieden
ist, diesem eingeprägt werden. Ebenso
mögen sinnlich wahrnehmbare Objecte noch in einem
andern Sinne ausserhalb des Geistes befindlich genannt
werden, nämlich, wenn sie in irgend einem andern
Geiste existiren. So können, wenn ich meine
Augen schliesse, die Dinge, welche ich sah, noch
existiren, aber sie müssen dann in einem andern Geiste
existiren.

XCI. Es wäre ein Missverständniss, wenn man annähme,
das hier Gesagte thue im Mindesten der Realität
der Dinge Eintrag. Nach der herrschenden Doctrin
wird anerkannt, dass Ausdehnung, Bewegung, mit
EinemWort, alle sinnlichen Qualitäten eines Trägers
bedürfen, da sie nicht für sich selbst subsistiren können.
Dass aber die sinnlich percipirten Objecte nur
Combinationen von solchen Qualitäten seien und
demgemäss nicht für sich subsistiren können, wird
zugegeben. In so weit stimmen Alle miteinander überein.
Wenn wir also negiren, dass die sinnlich percipirten
Dinge eine von einer Substanz oder einem Träger,
worin sie existiren, unabhängige Existenz haben, so
entziehen wir nichts der herrschenden Annahme ihrer
Realität und machen uns in diesem Betracht keiner
Neuerung schuldig. Die ganze Differenz liegt darin,
dass nach uns die undenkenden sinnlich percipirten
Dinge keine von ihrem Percipirtwerden verschiedene
Existenz haben, und dass sie demgemäss in keiner andern
Substanz existiren können, als in jenen unausgedehnten
untheilbaren Substanzen oder Geistern, welche
handeln und denken und sie percipiren, wogegen
die Philosophen in der Regel annehmen, dass die sensiblen
Qualitäten in einer trägen, ausgedehnten, nicht
percipirenden Substanz, welche sie Materie nennen,
existiren, in einer Substanz, der sie eine natürliche
selbständige Existenz ausserhalb aller denkenden
Wesen zuschreiben, welche verschieden sei von dem
Percipirtwerden durch einen Geist, welcher es auch
sein möge, selbst durch den ewigen Geist des Schöpfers,
in dem sie nur Ideen der von ihm geschaffenen
körperlichen Substanzen voraussetzen, wenn anders
sie überhaupt das Geschaffensein dieser Substanzen
zugeben.

XCII. Denn wie wir gezeigt haben, dass die Lehre
von der Materie oder körperlichen Substanz die
Hauptstütze und Säule des Scepticismus gewesen ist,
ebenso sind auch aus dem nämlichen Grunde alle jene
unfrommen Systeme des Atheismus und der Religionsverwerfung
hervorgegangen. Ja, es ist als so
schwierig erschienen zu begreifen, dass Materie aus
Nichts geschaffen sei, dass selbst die berühmtesten
derjenigen alten Philosophen, die das Sein eines Gottes
annahmen, die Materie für ungeschaffen und
gleich ewig mit ihm gehalten haben.Wie sehr die materielle
Substanz den Atheisten aller Zeiten werth gewesen
ist, bedarf nicht der Erwähnung. Alle ihre monströsen
Systeme stehen in einer so offenbaren und
nothwendigen Abhängigkeit von ihr, dass, ist dieser
Eckstein einmal weggenommen, das ganze Gebäude
nothwendig zusammenstürzen muss, so sehr, dass
sich nicht länger der Zeitaufwand lohnen wird, eine
besondere Betrachtung auf die Absurditäten einer
jeden nichtswürdigen Secte von Atheisten zu richten.

XCIII. Dass unfromme und weltlich gesinnte Personen
leicht auf solche Systeme fallen, welche ihre
Neigungen begünstigen, indem sie die Annahme einer
immateriellen Substanz verspotten und voraussetzen,
die Seele sei theilbar und dem Untergang ebensowohl,
wie der Körper unterworfen, Systeme, die alle Freiheit,
Intelligenz und Absicht aus der Bildung der
Dinge ausschliessen und statt dessen eine von selbst
existirende, stupide, nicht denkende Substanz Zur
Wurzel und zum Ursprung aller Dinge machen, dass
sie auf solche horchen, die eine Vorsehung oder Aufsicht
eines höheren Geistes auf die Dinge der Welt
leugnen und die ganze Reibe der Ereignisse entweder
einem blinden Zufall oder einer verhängnissvollen
Nothwendigkeit zuschreiben, die aus der Einwirkung
der Körper aufeinander entspringe, - das alles ist sehr
natürlich. Und wenn andererseits Männer von besseren
Principien bemerken, dass die Feinde der Religion
ein so grosses Gewicht auf eine nicht denkende Materie
legen, und dass sie alle so viele Mühe und Kunst
aufwenden, alles auf dieselbe zu reduciren, so sollte
ich denken, jene müssten sich freuen, ihre Gegner
ihres mächtigen Halts beraubt und aus jener einzigen
Festung vertrieben zu sehen, ausserhalb welcher die
Epikureer, Hobbisten und ähnlich Denkende auch
nicht einmal den Schatten eines Vorwands haben,
sondern über sie auf's Einfachste und Leichteste der
Sieg errungen wird.

XCIV. Die Existenz einer Materie oder unwahrgenommener
Körper ist nicht nur die Hauptstütze der
Atheisten und Fatalisten gewesen, sondern auf dem
nämlichen Princip ruht ebenso auch der Götzendienst
in allen seinen mannigfachen Formen. Möchten die
Menschen nur erwägen, dass Sonne, Mond und Sterne
und alle anderen Sinnesobjecte nur eben so viele
Wahrnehmungen in ihren Geistern seien, die keine andere
Existenz als ihr blosses Percipirtwerden haben,
so würden sie gewiss nicht niederfallen und ihre eigenen
Ideen anbeten, sondern vielmehr ihre Huldigung
jenem ewigen unsichtbaren Geiste darbringen, der
alle Dinge hervorbringt und erhält.

XCV. Das nämliche ungereimte Princip hat, indem
er sich mit den Artikeln unsers Glaubens mischte,
Christen nicht geringe Schwierigkeiten verursacht.
Wie viele Zweifel und Einwürfe sind nicht z.B. in Betreff
der Wiederauferstehung von Socinianern und
Anderen erhoben worden! Aber hangen nicht die
plausibelsten derselben von der Voraussetzung ab,
dass ein Körper der nämliche genannt werde nicht in
Betracht seiner Form oder dessen, was durch die
Sinne percipirt wird, sondern der materiellen Substanz,
welche unter mancherlei Formen die nämliche
bleibe? Wird diese materielle Substanz hinweggenommen,
um deren Identität der ganze Streit sich
dreht, und wird unter Körper verstanden, was jede
schlichte gewöhnliche Person unter diesemWorte
versteht, nämlich das unmittelbar Gesehene und Gefühlte,
was nur eine Verbindung von sinnlichen Eigenschaften
ist, so reduciren sich jene unbeantwortbaren
Einwürfe auf nichts.

XCVI. Ist einmal die Materie aus der Natur ausgetrieben,
so nimmt sie mit sich fort so manche skeptische
und unfromme Vorstellungen, solch' eine unglaubliche
Zahl von Streitigkeiten und verwirrenden
Fragen, die sowohl für Theologen als Philosophen
Dornen gewesen sind und den Menschen so viele
fruchtlose Arbeit gemacht haben, dass, wenn die
Gründe, die wir dagegen aufgestellt haben, nicht beweiskräftig
gefunden werden (was sie meines Erachtens
doch offenbar sind), ich doch dessen gewiss bin,
dass alle Freunde der Erkenntniss, des Friedens und
der Religion Grund haben zu wünschen, sie wären es.

XCVII. Neben der vermeintlichen äusseren Existenz
der Sinnesobjecte ist eine andere reiche Quelle
von Irrthümern und Schwierigkeiten in Betreff der
Ideenerkenntniss die Lehre von abstracten Ideen, wie
dieselbe in der Einleitung auseinandergesetzt worden
ist. Die einfachsten Dinge von derWelt, mit denen
wir auf's Genaueste vertraut sind, und die wir
vollkommen kennen, erscheinen, wenn sie in einer abstracten
Weise betrachtet werden, auf eine seltsame
Art schwierig und unbegreiflich. Zeit, Raum und Bewegung
sind, wenn sie im Einzelnen oder concret genommen
werden, einem Jeden bekannt; sind sie aber
durch den Kopf eines Metaphysikers gegangen, so
werden sie zu abstract und fein, um von Menschen
mit gewöhnlicher Auffassungskraft verstanden zu
werden. Sagt euerm Diener, er solle euch zu einer gewissen
Zeit an einem gewissen Orte erwarten, so wird
er sich nicht mit einer Ueberlegung aufhalten, was mit
diesenWorten gemeint sei; er findet nicht die mindeste
Schwierigkeit darin, sich die einzelne Zeit und den
Ort vorzustellen oder die Bewegung, durch welche er
sich dorthin zu begeben hat. Wird aber Zeit mit Ausschluss
aller jener einzelnen Handlungen und Ideen,
die Abwechselung in den Tag bringen, bloss als Fortsetzung
der Existenz oder Dauer in abstracte genommen,
dann wird es vielleicht auch einem Philosophen
Mühe machen den Sinn zu erfassen.

XCVIII. Jedesmal, wenn ich versucht habe, eine
einfache, von der Ideenfolge in meinem Geist abstrahirte
Idee der Zeit zu bilden, die gleichmässig verfliesse,
und an der alle Dinge Theil haben, habe ich
mich in unauflösbare Schwierigkeiten verwickelt und
verloren. Ich habe überhaupt keinen Begriff von ihr,
und höre nur Andere sagen, sie sei in's unendliche
theilbar, und so über sie reden, dass ich zu wunderlichen
Gedanken über meine Existenz veranlasst werde,
da diese Lehre ihrem Bekenner durchaus die Nothwendigkeit
auferlegt zu denken, entweder, dass er unzählige
Zeitalter hindurch ohne einen Gedanken fortdauere,
oder andererseits, dass er in einem jeden Augenblick
seines Lebens vernichtet werde, was doch
beides gleich ungereimt zu sein scheint. Da also die
Zeit nichts ist, wenn wir absehen von der Ideenfolge
in unserm Geist, so folgt, dass die Dauer eines endlichen
Geistes nach der Zahl der Ideen oder der Handlungen
abgeschätzt werden muss, die einander in eben
diesem Geiste oder Gemüthe folgen. Hieraus ist eine
offenbare Consequenz, dass die Seele immer denkt,
und in der That wird ein Jeder, der in seinen Gedanken
oder durch Abstraction die Existenz eines Geistes
von dessen Denken abzusondern unternimmt, den
Versuch, wie ich glaube, nicht leicht finden.

XCIX. Ebenso verlieren wir, wenn wir versuchen,
Ausdehnung und Bewegung von allen andern Eigenschaften
abzulösen und für sich zu betrachten, dieselben
aus dem Gesicht und verfallen in sehr ausschweifende
Meinungen, was die Folge einer zweifachen
Abstraction ist, indem erstens vorausgesetzt wird,
dass z.B. die Ausdehnung sich von allen anderen
sinnlichen Eigenschaften abtrennen lasse, und zweitens,
dass das Sein (die Entität) der Ausdehnung sich
von ihrem Percipirtwerden durch Abstraction sondern
lasse. Aber ein Jeder, der nachdenken und Sorge tragen
will zu verstehen, was er sagt, wird, wenn ich
nicht irre, anerkennen, dass alle sinnlichen Qualitäten
gleichermaassen Sinnesempfindungen und alle gleichermaassen
real sind, dass, wo Ausdehnung ist,
auch Farbe ist, d.h. in seinem Geiste, und dass ihre
Urbilder nur in einem andern Geiste existiren können,
und dass die sinnlich wahrnehmbaren Dinge nichts
anderes als verbundene, gemischte oder (wenn man so
sagen darf) zusammengewachsene (concrete) Sinnesempfindungen
sind, von welchen allen keiner eine unpercipirte
Existenz zugeschrieben werden darf.

C. Was es heisse, Jemand sei glücklich, oder ein
Object sei gut, mag ein Jeder zu wissen glauben. Aber
auf die Bildung einer abstracten Idee von Glück, die
von aller einzelnen Lust abgelöst wäre, oder von
Güte, die von jeglichem Ding, das gut ist, abgesondert
wäre, könnenWenige Anspruch machen. Ebenso
kann Jemand gerecht und tugendhaft sein, ohne genaue
Ideen von Gerechtigkeit und Tugend zu besitzen.
Die Meinung, dass diese und ähnlicheWorte für
allgemeine Begriffe stehen, welche von allen einzelnen
Personen und Handlungen abstrahirt seien,
scheint die Sittenlehre schwierig und das Studium
derselben für die Menschen minder nützlich gemacht
zu haben. Und in der That hat die Lehre von der
Abstraction nicht wenig dazu beigetragen, den nützlichsten
Theil der Wissenschaft zu schädigen.

CI. Die beiden grossen Abtheilungen theoretischer
Wissenschaft, die auf sinnlich gegebene Ideen und
deren Relationen gehen, sind Naturbetrachtung (natural
philosophy) und Mathematik. In Bezug auf jede
derselben will ich Einiges bemerken, und zwar zuerst
in Bezug auf die Naturbetrachtung. Auf diesem Gebiete
triumphiren die Skeptiker. Der ganze Vorrath
von Argumenten, welche sie vorbringen, um unsere
Fähigkeiten herabzusetzen und die Menschen als unwissend
und schwach erscheinen zu lassen, ist besonders
aus der Grundannahme geflossen, dass wir in Betreff
der wahren und wirklichen Natur der Dinge von
einer unbesiegbaren Blindheit seien. Dies urgiren sie
und lieben es sich darüber zu verbreiten. Wir werden,
sagen sie, auf eine kläglicheWeise von unseren Sinnen
irre geführt und getäuscht mit der blossen Aussenseite
und Erscheinung der Dinge. Das wirkliche
Wesen, die inneren Eigenschaften, und die Einrichtung
eines jeden, auch des geringsten Objects ist unserm
Blick verborgen; es ist etwas in jedemWassertropfen,
in jedem Sandkorn, das zu ergründen oder zu
begreifen die Kraft des menschlichen Verstandes
übersteigt. Es ist aber aus dem Nachgewiesenen offenbar,
dass all diese Klage grundlos ist, und dass wir
nur unter dem Einfluss falscher Principien zu dem
Grade des Misstrauens gegen unsere Sinne gelangen,
dass wir glauben, wir wüssten nichts von den Dingen,
die wir vollkommen begreifen.

CII. Uns selbst als unwissend über die Natur der
Dinge zu bekennen, dazu liegt eine grosse Verleitung
in der herrschenden Meinung, dass jegliches Ding in
sich die Ursache seiner Eigenschaften trage, oder dass
in einem jeden Dinge ein inneresWesen sei, welches
die Quelle seiner unterscheidbaren Eigenschaften
bilde, und wovon diese abhängig seien. Einige haben
sich anheischig gemacht, Rechenschaft von den Erscheinungen
durch verborgene Qualitäten zu geben,
die aber neulich (in jüngster Zeit) meistens in mechanische
Ursachen aufgelöst worden sind, d.h. in Figur,
Bewegung, Gewicht und derartige Qualitäten unwahrnehmbarer
Theilchen, während doch in Wahrheit es
keine andere thätige oder wirkende Ursache giebt, als
Geist, da es offenbar ist, dass Bewegung ebensowohl,
wie alle anderen Ideen, durchaus trag ist (s. Section
XXV). Daher muss der Versuch, die Hervorbringung
von Farben oder Tönen durch Figur, Bewegung, Grösse
und Aehnliches zu erklären, nothwendigerweise
eine vergebliche Arbeit sein. Und demgemäss sehen
wir, dass die hierauf abzielenden Versuche durchaus
nicht befriedigen. Dies mag im Allgemeinen über jene
Bezeichnung einer Idee oder Eigenschaft als der Ursache
einer andern gesagt sein. Ich brauche nicht zu
sagen, wie viele Hypothesen und Speculationen durch
diese Lehre wegfallen, und wie sehr das Naturstudium
durch dieselbe vereinfacht wird.

CIII. Das grosse mechanische Princip, welches
jetzt in Ansehen steht, ist die Attraction. - Dass ein
Stein zur Erde fällt oder die See zum Monde hin anschwillt,
mag Einigen hierdurch zureichend erklärt zu
sein scheinen. Aber wie sind wir denn aufgeklärt,
wenn uns gesagt wird, dies geschehe durch Anziehung?
Zeigt dieses Wort die Weise des Strebens an,
und bedeutet es, dass die Annäherung durch einen gegenseitigen
Zug der Körper erfolge, und nicht dadurch,
dass sie zu einander hin gestossen oder gedrängt
werden? Aber es ist nichts über die Weise oder
Thätigkeit festgestellt, und diese kann vielleicht (so
viel wir wissen) mit gleicherWahrheit als Impuls
oder Fortstossung, wie als Anziehung bezeichnet
werden. Ferner sehen wir, dass die Theile des Stahls
fest an einander haften, und auch dies wird durch die
Attraction erklärt; aber in diesem Falle, wie in den
übrigen, finde ich nicht, dass irgend etwasWeiteres,
als der Erfolg selbst bezeichnet sei; die Art undWeise
der Thätigkeit, wodurch derselbe hervorgebracht
wird, oder die Ursache, welche ihn hervorbringt, wird
dadurch auch nicht einmal muthmasslich bestimmt.

CIV. In der That können wir, wenn wir einen Blick
auf die verschiedenen Phänomene werfen und sie
miteinander vergleichen, einige Aehnlichkeit und
Uebereinstimmung zwischen ihnen finden. Z.B. in
dem Fall eines Steines auf den Boden, in der Erhebung
der See gegen den Mond hin, in der Cohäsion
und Krystallisation ist etwas Aehnliches, nämlich eine
Vereinigung oder gegenseitige Annäherung von Körpern,
so dass eine jede von diesen oder den ähnlichen
Erscheinungen demjenigen nicht befremdlich oder
überraschend sein mag, der genau die Naturwirkungen
beobachtet und miteinander verglichen hat; denn
dafür wird nur dasjenige gehalten, was ungewöhnlich
oder ein für sich dastehendes und ausserhalb des gewöhnlichen
Verlaufs unserer Beobachtung liegendes
Ding ist. Dass Körper zum Mittelpunkte der Erde hin
streben, wird nicht für etwas Seltsames gehalten, weil
es etwas ist, das wir in einem jeden Augenblick unseres
Lebens beobachten. Dass sie aber eine gleiche
Gravitation zum Mondmittelpunkte hin haben, wird
den meisten Menschen als wunderlich und unerklärbar
erscheinen, weil es nur bei der Ebbe und Fluth beobachtet
wird. Aber ein Naturforscher, dessen Gedanken
einen grösseren Kreis von Naturvorgängen umfassen,
hat eine gewisse Aehnlichkeit unter himmlischen
und irdischen Erscheinungen beobachtet, welche
bekundet, dass unzählige Körper eine Tendenz
haben, sich einander zu nähern; diese bezeichnet er
durch den allgemeinen Namen Attraction und glaubt
nun, dass von allem, was daraus zurückgeführt werden
kann, eine genügende Rechenschaft gegeben sei.
So erklärt er die Ebbe und Fluth durch das Angezogenwerden
der Erdkugel zum Monde hin, welches
ihm nicht als wunderlich oder gesetzlos erscheint,
sondern nur als ein einzelnes Beispiel einer allgemeinen
Regel oder eines Naturgesetzes.

CV. Wenn wir demgemäss den Unterschied, der
zwischen Naturforschern und Andern hinsichtlich
ihrer Erkenntniss der Erscheinungen besteht, näher
in's Auge fassen, so werden wir finden, dass derselbe
nicht in einer genaueren Kenntniss der wirkenden Ursache,
welche die Erscheinungen hervorbringt, besteht,
denn diese kann nur der Wille eines Geistes
sein, sondern nur in einer grösseren Breite der Auffassung,
wodurch Aehnlichkeiten, Harmonien, Uebereinstimmungen
in den Naturwerken entdeckt und die einzelnen
Erscheinungen erklärt, d.h. auf allgemeine Regeln
zurückgeführt werden (s. Section LXII), welche
Regeln, gegründet auf die in der Hervorbringung der
natürlichen Wirkungen beobachtete Aehnlichkeit und
Gleichförmigkeit, dem Geiste höchst erfreulich sind
und von ihm gesucht werden, und zwar darum, weil
sie unsern Blick über das hinaus, was gegenwärtig
und uns nahe ist, erweitern und uns befähigen, sehr
wahrscheinliche Vermuthungen über Dinge aufzustellen,
die in sehr weiten zeitlichen und räumlichen
Entfernungen sich ereignet haben mögen, ebenso wie
Zukünftiges vorauszusagen, und diese Art von Hinstreben
zur Allwissenheit wird von dem Geiste sehr
geliebt.

CVI. Aber wir sollten vorsichtig bei solcher Forschung
verfahren; denn wir sind geneigt, zu grosses
Gewicht auf Analogien zu legen und zum Nachtheil
derWahrheit jenem ungestümen Dränge des Geistes
nachzugeben, seine Kenntnisse zu allgemeinen Theoremen
zu erweitern. So sind z.B. Einige sofort geneigt,
Gravitation oder gegenseitige Anziehung, weil
dieselbe sich in vielen Fällen zeigt, für allgemein auszugeben
und anzunehmen, dass das Anziehen und
das Angezogenwerden durch jeden andern Körper
eine wesentliche Eigenschaft sei, die allen Körpern,
welche es auch seien, innewohne. Wogegen es doch
scheint, dass die Fixsterne kein solches Zueinanderstreben
haben, und so weit ist jene Gravitation davon
entfernt, den Körpern wesentlich zu sein, dass in einigen
Fällen ein gerade entgegengesetztes Princip sich
zu bekunden scheint, wie in demWachsen der Pflanzen
nach oben und in der Elasticität der Luft. Es ist
nichts Nothwendiges oderWesentliches in dem Vorgang,
sondern dieser hängt gänzlich von demWillen
des herrschenden Geistes ab, der verursacht, dass gewisse
Körper sich fest zusammenschliessen oder zu
einander hinstreben gemäss verschiedenen Gesetzen,
während er andere in einer fixirten Entfernung hält,
und einigen giebt er eine völlig entgegengesetzte Tendenz,
auseinander zu fliehen, gerade wie er es passend
findet.

CVII. Nach dem Vorstehenden dürfen wir, denke
ich, folgende Schlüsse ziehen: 1) Es ist klar, dass die
Philosophen sich selbst fruchtlos täuschen, wenn sie
eine natürliche wirkende Ursache suchen, die von
einer Seele oder einem Geist verschieden sei. 2) In
Anbetracht dessen, dass die gesammte Schöpfung das
Werk eines weisen und guten wirkendenWesens ist,
sollte es als Aufgabe der Forscher gelten, ihre Gedanken
(im Gegensatz zu dem, was Einige fordern) auf
die Zweckursachen der Dinge zu richten, und ich
muss gestehen, dass ich keinen Grund sehe, warum
eine Aufzeigung der verschiedenen Zwecke, zu welchen
Naturobjecte bestimmt sind, und denen gemäss
sie uranfänglich mit unaussprechlicherWeisheit eingerichtet
worden sind, nicht für eine gute Weise, Rechenschaft
über sie zu geben, gelten solle, die eines
Forschers durchaus würdig sei. 3) Aus dem Obigen
kann kein Grund entnommen werden, warum fernerhin
nicht die Naturgeschichte studirt und Beobachtungen
und Versuche gemacht werden sollten; dass aber
diese den Menschen zum Nutzen gereichen und uns
befähigen, Schlüsse zu ziehen, ist nicht das Ergebniss
irgend welcher unveränderlichen Eigenschaften, oder
Beziehungen zwischen den Dingen selbst, sondern allein
der göttlichen Güte und Freundlichkeit gegen die
Menschen in der Leitung derWelt (s. Section XXX.
und XXXI). 4) Durch eine sorgsame Beobachtung der
in unsern Gesichtskreis fallenden Erscheinungen können
wir die allgemeinen Gesetze der Natur erkennen
und aus ihnen die anderen Erscheinungen herleiten,
ich sage nicht als nothwendig erweisen (deduciren,
nicht demonstriren); denn alle Herleitungen (Deductionen)
dieser Art sind abhängig von von der Voraussetzung,
dass der Urheber der Natur stets gleichmässig
handle unter beständiger Beobachtung jener Regeln,
die wir für Principien ansehen, und das können
wir doch nicht mit Sicherheit wissen.

CVIII. Die, welche allgemeine Regeln aus den Erscheinungen
entnehmen und hernach die Erscheinungen
aus diesen Regeln ableiten, scheinen vielmehr
Zeichen, als Ursachen zu betrachten. Jemand kann
natürliche Zeichen wohl verstehen, ohne ihre Analogie
zu kennen oder sagen zu können, nach was für
einem Gesetz ein Ding so oder anders sei. Und gleich
wie es sehr wohl möglich ist, incorrect zu schreiben
durch eine zu strenge Befolgung allgemeiner grammatischer
Regeln, so ist es bei Schlüssen aus allgemeinen
Naturgesetzen nicht unmöglich, durch zu weite
Ausdehnung der Analogie zu irren.

CIX. Wie bei dem Lesen anderer Bücher ein
weiser Mann seine Gedanken vielmehr auf den Sinn
richten und denselben sich zu Nutzen zu machen streben,
als dieselben zu grammatischen Bemerkungen
über die Sprache verwenden wird, so scheint es bei
der Lesung des Buchs der Natur unter derWürde des
Geistes zu sein, allzusehr nach Exactheit in der Zurückführung
jeder einzelnen Erscheinung auf allgemeine
Gesetze oder in dem Nachweis, wie sie aus
denselben folge, zu streben. Wir sollten uns edlere
Ziele stecken, unsern Geist erfrischen und erheben
durch einen Blick auf die Schönheit, Ordnung, Fülle
und Mannigfaltigkeit der Naturobjecte, dann durch
richtig hierauf gebaute Schlüsse unsere Begriffe von
der Grösse, Weisheit und Güte des Schöpfers erweitern,
und zuletzt die verschiedenen Theile der Schöpfung,
so weit dies bei uns steht, den Zwecken dienstbar
machen, zu welchen sie bestimmt sind, nämlich
Gottes Ehre und Erhaltung und Schmückung des Lebens
für uns und unsere Mitgeschöpfe.

CX. Dass den besten Aufschluss über die vorhin
erwähnte naturwissenschaftliche Erkenntniss der Regelmässigkeit
in den Erscheinungen ein gewisser berühmter
Tractat über die Mechanik gewähre, wird
man zweifellos anerkennen. In der Einleitung dieses
mit Recht bewunderten Tractats werden Zeit, Raum
und Bewegung eingetheilt in die absolute und relative,
wahre und anscheinende, mathematische und
vulgäre; diese Unterscheidung setzt, wie ihr Verfasser
dies ausführlich erklärt, voraus, dass jene Grössen
eine Existenz ausserhalb des Geistes haben, und dass
sie gewöhnlich in Beziehung zu den sinnlichen Dingen
betrachtet werden, zu welchen sie jedoch ihrer eigenen
Natur nach überhaupt keine Beziehung haben.

CXI.Was die Zeit betrifft, wie sie hier in einem
absoluten oder abstracten Sinne genommen wird, als
die Dauer oder Beharrung der Existenz der Dinge, so
habe ich nichts dem hinzuzufügen, was hierüber
schon Section XCVII und XCVIII gesagt worden ist.
Uebrigens hält dieser berühmte Schriftsteller dafür, es
gebe einen absoluten Raum, der, als nicht durch die
Sinne percipirbar, an sich gleichförmig und unbeweglich
bleibe, und einen relativen Raum, der das Maass
des absoluten sei; dieser relative Raum sei beweglich
und bestimmt durch seine Lage in Rücksicht der sinnlich
wahrnehmbaren Körper, werde aber gewöhnlich
für den unbeweglichen Raum genommen. Den Ort definirt
er als den Theil des Raumes, den ein Körper
einnehme. Ebenso, wie der Raum theils absolut, theils
relativ sei, sei dies auch der Ort. Absolute Bewegung
ist der Uebergang eines Körpers aus einem absoluten
Ort an einen andern absoluten Ort, relative Bewegung
der Uebergang aus einem relativen Ort an einen andern.
Da die Theile des absoluten Raumes nicht in die
Sinneswahrnehmung fallen, so sind wir genöthigt,
statt ihrer ihre sinnfälligen Maasse zu gebrauchen,
und somit Ort und Bewegung mit Rücksicht auf Körper
zu bestimmen, welche wir als unbeweglich betrachten.
Aber es wird gesagt, wir müssen in philosophischen
Betrachtungen von unseren Sinnen abstrahiren,
weil es sein kann, dass keiner von den Körpern,
die zu ruhen scheinen, wirklich ruht, und dass das
nämliche Ding, welches relativ in Bewegung ist, in
Wirklichkeit ruht. Ebenso kann ein und derselbe Körper
in relativer Ruhe und Bewegung oder selbst
gleichzeitig in entgegengesetzter relativer Bewegung
sein, jenachdem sein Ort verschieden bestimmt wird.
Alle diese Vieldeutigkeit wird in den anscheinenden
Bewegungen gefunden, aber durchaus nicht in der
wahren oder absoluten Bewegung, welche demgemäss
allein in der Philosophie betrachtet werden sollte. Die
wahre Bewegung, wird uns gesagt, ist von den anscheinenden
oder relativen Bewegungen durch folgende
Eigenschaften zu unterscheiden. 1) In der wahren
oder absoluten Bewegung nehmen alle die Theile,
welche die nämliche Lage in Beziehung auf das
Ganze behalten, an den Bewegungen des Ganzen
Theil. 2)Wird der Ort bewegt, so bewegt sich auch
das darin Befindliche, so dass ein Körper, der sich an
einem Orte bewegt, welcher selbst in Bewegung ist,
an der Bewegung seines Ortes Theil nimmt. 3)Wahre
Bewegung wird niemals anders erzeugt oder
abgeändert, als durch eine auf den Körper selbst einwirkende
Kraft. 4)Wahre Bewegung wird stets geändert
durch eine auf den bewegten Körper einwirkende
Kraft. 5) In einer nur relativen kreisförmigen Bewegung
ist keine Centrifugalkraft, die jedoch in der wahren
oder absoluten Bewegung der Quantität der Bewegung
proportional ist.

CXII. Aber ungeachtet dessen, was hier gesagt
worden ist, scheint mir keine Bewegung eine andere,
als eine relative, sein zu können, so dass wir, um uns
Bewegung vorzustellen, uns zum Mindesten zwei
Körper vorstellen müssen, deren Abstand oder gegenseitige
Lage sich ändert. Hiernach könnte, wenn überhaupt
nur Ein Körper existirte, dieser unmöglich in
Bewegung sein. Dies scheint einleuchtend zu sein, sofern
die Idee, die ich von Bewegung habe, nothwendig
eine Beziehung in sich schliesst.

CXIII. Aber obschon es bei jeglicher Bewegung
nothwendig ist, mehr als Einen Körper zu denken, so
kann es doch geschehen, dass nur Einer bewegt ist,
nämlich der, auf welchen die Kraft wirkt, die den
Wechsel des Abstandes verursacht, oder, mit anderen
Worten, der, auf welchen die Thätigkeit gerichtet ist.
Denn wenn gleich Einige die relative Bewegung so
definiren, dass darunter die Aenderung des Abstandes
eines Körpers von irgend einem andern Körper zu
verstehen sei, mag die Kraft oder Thätigkeit, welche
diese Aenderung bewirkt, auf ihn gerichtet worden
sein oder nicht: so scheint es doch, dass, da die relative
Bewegung diejenige ist, welche sinnlich percipirt
und bei den gewöhnlichen Vorgängen im Leben beobachtet
wird, Jedermann, der gesunden Menschenverstand
hat, ebensowohl, wie der beste Philosoph wisse,
was sie sei; nun frage ich einen jeden Beliebigen, ob
nach dem Sinne, worin er Bewegung nimmt, die Steine,
über die er schreitet, wenn er durch die Strassen
geht, bewegt genannt werden können, weil sie ihren
Abstand von seinen Füssen ändern? Mir scheint, dass,
obwohl Bewegung eine Beziehung eines Dinges auf
ein anderes in sich schliesst, doch nicht nothwendig
sei, dass jede veränderte Beziehung Bewegung genannt
werde. Wie ein Mensch über etwas denken
kann, was selbst nicht denkt, so kann ein Körper zu
einem andern Körper hin oder von demselben weg
sich bewegen, ohne dass doch darum der letztere
selbst in Bewegung ist.

CXIV.Wenn der Ort auf verschiedeneWeise bestimmt
wird, so ändert sich die auf ihn bezügliche Bewegung.
Von einem Menschen, der in einem Schiffe
ist, kann man sagen, er ruhe in Bezug auf die Seiten
des Fahrzeugs und bewege sich doch in Bezug auf das
Land, oder er könne sich ostwärts in dem einen und
westwärts in dem andern Betracht bewegen. Im gemeinen
Leben denken die Menschen niemals über die
Erde hinaus, um den Ort irgend eines Körpers zu bestimmen;
was in Bezug auf die Erde ruht, wird als absolut
ruhend angesehen. Aber Forscher, die einen grösseren
Gedankenkreis umfassen und richtigere Begriffe
von dem Ganzen der Dinge haben, entdecken, dass
auch die Erde selbst in Bewegung ist. In der Absicht
also, ihre Gedanken zu fixiren, scheinen sie die körperlicheWelt
als begrenzt zu denken und deren äusserste
unbewegte Grenze oder ihre Hülse als den Ort
sich vorzustellen, wonach sie wahre Bewegungen abschätzen.
Prüfen wir unsere eigenen Begriffe, so werden
wir, denke ich, finden, dass alle die absolute Bewegung,
von der wir uns eine Idee bilden können, im
Grunde nichts anderes ist, als in dieser Art bestimmte
relative Bewegung. Denn wie schon bemerkt worden
ist, absolute Bewegung ist, wenn man alle Beziehung
auf Aeusseres ausschliesst, undenkbar, und auf diese
Art relativer Bewegung passen, wie man, wenn ich
nicht irre, finden wird, alle die oben erwähnten Eigenschaften,
Ursachen undWirkungen, welche man der
absoluten Bewegung zuschreibt. Was das über die
Centrifugalkraft Gesagte betrifft, dass dieselbe nicht
bei relativer Kreisbewegung vorkomme, so sehe ich
nicht, wie dies aus dem Experiment folge, welches
zum Beweise beigebracht worden ist. Siehe Philosophiae
naturalis principia mathematica, im Schol. zu
Defin. VIII. Denn dasWasser in dem Gefässe hat zu
der Zeit, wo ihm die grösste relative Bewegung zugeschrieben
wird, meiner Meinung nach gar keine Bewegung,
wie aus der vorigen Section hervorgeht.

CXV. Denn um einen Körper bewegt zu nennen,
ist erforderlich: 1) dass derselbe seinen Abstand oder
seine Lage in Beziehung auf einen andern Körper ändere,
2) dass die diese Aenderung veranlassende Kraft
oder Thätigkeit auf ihn gerichtet sei. Bleibt eine dieser
beiden Bedingungen unerfüllt, so entspricht es,
denke ich, nicht der gewöhnlichen Auffassung, noch
auch dem Sprachgebrauch, einen Körper bewegt zu
nennen. Ich gebe zwar zu, dass es uns möglich ist,
einen Körper, den wir seinen Abstand von einem andern
ändern sehen, als bewegt zu denken, obschon
keine Kraft auf ihn gerichtet ist (in welchem Sinne anscheinende
Bewegung vorhanden sein mag); dann
aber geschieht dies darum, weil die Kraft, welche den
Abstandswechsel verursacht, von uns vorgestellt wird
als gerichtet oder bezogen auf den Körper, den wir als
bewegt denken, was in der That zeigt, dass wir des
Irrthums fähig sind, ein Ding, welches unbewegt ist,
sei in Bewegung; das ist alles, was sich folgern lässt.

CXVI. Ans dem Gesagten folgt, dass die philosophische
Betrachtung der Bewegung nicht das Dasein
eines absoluten Raumes involvirt, der verschieden
wäre von dem durch die Sinne percipirten und auf
Körper bezüglichen Raume; dass dieser letztere nicht
ausserhalb des Geistes existiren kann, ist klar vermöge
derselben Principien, welche das Gleiche von allen
anderen Sinnesobjecten beweisen und vielleicht werden
wir bei genauer Untersuchung finden, dass wir
nicht einmal eine Idee eines reinen Raumes mit Ausschluss
aller Körper bilden können. Ich muss bekennen,
dass mir dies als unmöglich erscheint, weil diese
Idee höchst abstract wäre. Rufe ich eine Bewegung in
einem Theile meines Körpers hervor und lässt sich
dieselbe frei oder ohneWiderstand vollziehen, so
sage ich, es ist dort Raum; finde ich aber einenWiderstand,
so sage ich, es sei dort ein Körper, und in
dem Maasse, wie derWiderstand, gegen die Bewegung
geringer oder grösser ist, sage ich, der Raum sei
mein- oder weniger frei. Es muss also, wenn ich von
freiem oder leerem Raume spreche, nicht vorausgesetzt
werden, dasWort Raum stehe für eine Idee, die
von Körper und Bewegung gesondert oder ohne diese
denkbar wäre. Freilich sind wir geneigt zu glauben,
dass jedes Nomen substantivum eine bestimmte Idee
vertrete, die von allen anderen gesondert werden
könne, was unzählige Irrthümer veranlasst hat. Wenn
ich also annehme, die ganzeWelt werde vernichtet
ausser meinem eigenen Körper, so sage ich, es bleibe
noch der blosse Raum; hiermit ist nichts anderes gemeint,
als dass ich es als möglich denke, dass die
Glieder meines Leibes nach allen Seiten hin ohne den
geringsten Widerstand sich bewegen; wäre aber auch
noch mein Leib vernichtet, dann konnte keine Bewegung
und folglich kein Raum sein. Vielleicht glauben
Einige, der Gesichtssinn liefere ihnen die Idee des
blossen Raumes; aber es geht aus dem, was wir anderweitig
gezeigt haben, klar hervor, dass die Ideen
Raum und Entfernung nicht durch diesen Sinn erlangt
werden. Siehe den Versuch über das Sehen.

CXVII. Das hier Vorgetragene scheint alle jene
Disputationen und jene Bedenken aufzuheben, die
unter den Gelehrten in Betreff der Natur des leeren
Raumes sich erhoben haben. Der Hauptvortheil aber,
der daraus hervorgeht, besteht darin, dass wir von
jenem gefährlichen Dilemma befreit werden, in welches
Einige, die ihre Gedanken auf diesen Gegenstand
gerichtet haben, sich selbst verstrickt glauben, nämlich
entweder annehmen zu müssen, dass der reale
Raum Gott sei, oder andernfalls, dass es etwas von
Gott Verschiedenes gebe, das ewig, ungeschaffen, unendlich,
untheilbar, unveränderlich sei; und beide
Vorstellungen scheinen doch verderblich und ungereimt
zu sein. Es ist gewiss, dass nicht wenige Theologen
ebensowohl, wie Philosophen von grossem Ansehen
aus der Schwierigkeit, welche sie darin fanden,
Grenzen des Raums oder Vernichtung des Raumes zu
denken, den Schluss gezogen haben, derselbe müsse
göttlich sein. In jüngster Zeit haben Einige sich
besonders bemüht, zu zeigen, dass dies nicht imWiderstreit
zu den unmittheilbaren Attributen Gottes
stehe. Wie sehr auch diese Lehre derWürde der göttlichen
Natur widerstreiten mag, so sehe ich doch
nicht, wie wir von ihr loskommen können, so lange
wir den herrschenden Meinungen anhangen.

CXVIII. So viel über Naturphilosophie; wir wenden
uns nun zu einigen Untersuchungen, welche den
andern Hauptzweig theoretischer Erkenntniss, nämlich
die Mathematik betreffen. Wie sehr diese auch
wegen ihrer Klarheit und der Sicherheit der Beweisführung
gepriesen werden mag, die schwerlich auf irgend
einem andern Gebiete wiedergefunden wird, so
kann sie dennoch nicht für durchaus frei von Irrthümern
gehalten werden, sofern in ihren Principien ein
versteckter Irrthum sitzt, der den Vertretern dieser
Wissenschaft mit den anderen Menschen gemeinsam
ist. Obwohl die Mathematiker ihre Theoreme aus sehr
einleuchtenden Fundamentalsätzen ableiten, so gehen
doch ihre Principien nicht über die Betrachtung der
Quantität hinaus, und sie steigen nicht auf bis zu einer
Betrachtung jener die Schranken der Einzelwissenschaften
überschreitenden (transscendentalen) Grundsätze,
welche auf eine jede der Einzelwissenschaften
Einfluss haben; jede von diesen, die Mathematik nicht
ausgenommen, muss demgemäss von Irrthümern, die
in diesen Grundsätzen liegen, mitbetroffen werden.
Wir leugnen nicht, dass die von den Mathematikern
aufgestellten Principien wahr seien, und dass ihre
Weise der Ableitung aus jenen Principien klar und
unanfechtbar sei. Wir halten aber dafür, es gebe gewisse
irrthümliche allgemeine Sätze, die weiter reichen,
als das Object der Mathematik, und die aus diesem
Grunde in dieser Wissenschaft durchgängig nur
stillschweigend vorausgesetzt, aber nicht ausdrücklich
erwähnt werden; wir glauben, dass die üblen Wirkungen
jener verborgenen ungeprüften Irrthümer durch
alle Zweige der Mathematik hindurch sich erstrecken.
Um deutlich zu reden: wir vermuthen, die Mathematiker
seien ebensowohl, wie andere Menschen, an den
Irrthümern betheiligt, welche aus der Lehre herfliessen,
dass es abstracte allgemeine Ideen gebe, und
dass Objecte ausserhalb des Geistes existiren.

CXIX. Man hat dafür gehalten, die Arithmetik
habe zu ihrem Object abstracte Zahlideen. Die Eigenschaften
und gegenseitigen Verhältnisse abstracter
Zahlen zu verstehen, wird für keinen geringen Theil
theoretischer Erkenntniss gehalten. Die Meinung,
dass den Zahlen in abstracto ein reines, durch den
Verstand erkennbaresWesen zukomme, hat sie in Ansehen
bei solchen Philosophen gesetzt, welche eine
ungewöhnliche Feinheit und Erhebung des Denkens
sich zum Ziele gesetzt zu haben scheinen. Der grösste
Werth ward den nichtigsten Zahlenspeculationen
zugeschrieben, von denen sich keine nützliche Anwendung
machen lässt, sondern die nur zur Ergetzung
dienen, und Einige gingen in Folge davon so weit,
von hohen Mysterien zu träumen, die in den Zahlen
lägen, und mittelst derselben die Naturobjecte erklären
zu wollen. Wenn wir aber unsere eigenen Gedanken
durchforschen und das oben Gesagte erwägen, so
werden wir wohl jene hohen Gedankenflüge und Abstractionen
gering achten und alle Untersuchungen
über Zahlen nur als eben so viele mühvolle Spielereien
(difficiles nugae) betrachten, so weit sie nicht der
Praxis dienen und den Vortheil des Lebens befördern.

CXX. Die Einheit in abstracto haben wir oben in
Section XIII betrachtet; daraus und aus dem in der
Einleitung Gesagten folgt offenbar, dass es gar keine
solche Idee giebt. Da aber die Zahl als eine Zusammenfassung
von Einheiten definirt wird, so dürfen wir
schliessen dass, wenn es nichts Derartiges, wie Einheit
oder Eins in abstracto giebt, es keine abstracten
Zahlideen gebe, welche durch die Zahlworte und Ziffern
bezeichnet werden. Werden also die Theorien in
der Arithmetik von denWorten und Ziffern durch Abstraction
abgesondert, wie gleicherweise auch von
aller praktischen Anwendung und auch von den einzelnen
gezählten Objecten, so darf man annehmen,
dass sie ganz gegenstandslos seien. Hieraus ergiebt
sich, wie durchaus dieWissenschaft von den Zahlen
der Anwendung zu dienen hat, und wie nüchtern und
tändelnd sie wird, wenn man sie als etwas rein Theoretisches
betrachtet.

CXXI. Da es jedoch Einige giebt, die, getäuscht
durch den glänzenden Schein der Entdeckung abstracter
Wahrheiten, ihre Zeit an arithmetische Theoreme
und Probleme verschwenden, welche gar keinen Nutzen
bringen, so wird es nicht unangemessen sein, eine
vollständigere Betrachtung anzustellen und das Täuschende
jenes Scheines aufzudecken; es wird dieses
ganz offenbar werden, wenn wir einen Blick auf die
Arithmetik in ihrer Kindheit werfen und beobachten,
was es war, das ursprünglich die Menschen zum Studium
dieser Wissenschaft führte und auf welches Ziel
sie dabei ihr Streben richteten. Es ist eine naturgemässe
Annahme, dass die Menschen zuerst zur Unterstützung
des Gedächtnisses und Hülfe beim Zusammenzählen
Gebrauch von Rechenmarken gemacht
haben, oder beim Schreiben von einzelnen Strichen,
Punkten oder Aehnlichem, wovon ein Jedes bestimmt
war eine Einheit zu bezeichnen, d.h. ein gewisses einzelnes
Ding irgend welcher Art, das sie mit andern
zusammenzuzählen hatten. Später erfanden sie die
kürzereWeise, ein einzelnes Zeichen mehrere Striche
oder Punkte vertreten zu lassen. Zuletzt kamen die
arabischen oder indischen Zahlzeichen in Gebrauch,
wobei durchWiederholung einiger wenigen Zage oder
Figuren und durch Aenderung der Bedeutung eines
jeden Zeichens nach der Stelle, die es einnimmt, alle
Zählen auf's angemessenste ausgedrückt werden können;
dies scheint vermöge einer Nachahmung der
Sprache geschehen zu sein, so dass sich eine genaue
Aehnlichkeit zwischen der Bezeichnung durch Ziffern
und durchWorte beobachten lässt, indem die neun
einfachen Zahlzeichen den nenn ersten Zahlworten
entsprechen und die Stellen in der Zahlbezeichnung
der Benennung als Zehner, Hunderte etc. in den Zahlworten.
Gemäss jenen Bedingungen des einfachen
Werthes und des Stellenwerthes der Ziffern wurden
Methoden ersonnen, aus den gegebenen Ziffern oder
Zeichen der Theile zu finden, was für Ziffern und wie
gestellte Ziffern geeignet seien, das Ganze zu bezeichnen
und umgekehrt. Nachdem man die gesuchten Ziffern
gefunden und beobachtet hat, dass die nämliche
Regel oder Analogie durchgängig gelte, ist es leicht,
sie inWorte zu fassen, und so wird die Zahl vollständig
bekannt. Denn die Zahl irgend welcher einzelnen
Dinge heisst dann bekannt, wenn wir das Zahlwort
oder die Zahlzeichen (in ihrer richtigen Stellung) kennen,
welche gemäss der feststehenden Analogie denselben
zugehören. Denn wenn diese Zeichen bekannt
sind, so können wir durch die arithmetischen Operationen
die Zeichen irgend eines Theiles der einzelnen
durch sie bezeichneten Summen kennen lernen, und
indem wir so in Zeichen rechnen, können wir, zufolge
der zwischen ihnen und der bestimmten Menge von
Dingen, von welchen jedes als eine Einheit gilt, zu
Stande gebrachten Verbindung die Geschicklichkeit
erlangen, richtig zu summiren, zu theilen und Verhältnisse
zu bilden, welche auf die Dinge selbst Anwendung
finden, die wir der Rechnung zu unterwerfen beabsichtigen.

CXXII. In der Arithmetik werden demnach nicht
Dinge, sondern Zeichen betrachtet, welche jedoch
nicht um ihrer selbst willen, sondern darum, weil sie
uns zeigen, wie in Bezug auf die Dinge zu verfahren
sei, und wie über diese richtig zu verfugen sei, der
Untersuchung unterworfen werden. Nun geschieht es
hier ebenso, wie wir dies oben (Sect. XIX der Einleitung)
in Bezug auf dieWorte im Allgemeinen bemerkt
haben, dass man dafür hält, abstracte Ideen
würden durch Zahlworte oder Zahlzeichen bezeichnet,
indem sie in unserm Geiste nicht Ideen von einzelnen
Dingen anregen. Ich will jetzt nicht eine speciellere
Untersuchung hierüber führen, sondern nur bemerken,
dass aus dem Gesagten klar ist, dass das, was man als
abstracte Wahrheiten und Theoreme über Zahlen ansieht,
in Wahrheit auf kein Object geht, das von den
einzelnen zählbaren Dingen verschieden wäre, daneben
bloss auf Namen und Ziffern, die ursprünglich in
keinem andern Sinne betrachtet wurden, als sofern sie
Zeichen sind oder geeignet, auf eine angemessene
Weise alle einzelnen Dinge zu bezeichnen, welche
man zu zählen nöthig hatte. Hieraus folgt, dass, sie
um ihrer selbst willen zu studiren, eben so weise sein
und einem ebenso guten Zwecke dienen würde, wie
wenn Jemand mit Vernachlässigung des rechten Gebrauchs
oder der ursprünglichen Absicht und Aufgabe
der Sprache seine Zeit auf eine unschickliche Kritik
über Worte oder auf Erwägungen und Streitfragen,
die nurWorte betreffen, verwenden wollte.

CXXIII. Von den Zahlen gehen wir in unserer Betrachtung
zur Ausdehnung fort, die als relative das
Object der Geometrie ist. Die unendliche Theilbarkeit
endlicher Ausdehnung wird zwar nicht ausdrücklich
als Axiom oder als Theorem in den Elementen dieser
Wissenschaft ausgesprochen, wird aber in ihr überall
vorausgesetzt, und man denkt, sie stehe in einer so
untrennbaren und wesentlichen Verbindung mit den
geometrischen Principien und Demonstrationen, dass
die Mathematiker sie niemals in Zweifelziehen oder
irgend eine Untersuchung darauf richten. Da diese
Vorstellung die Quelle aller jener ergötzlichen geometrischen
Paradoxien ist, welche in so schroffemWiderstreit
zu dem schlichten Menschenverstande stehen,
und die ein noch nicht durch Gelehrsamkeit von
dem geraden Wege abgelenkter Geist nur mit so vielemWiderstreben
in sich aufnimmt, so ist sie der
Hauptanlass zu all' jener misslichen äussersten Subtilität,
welche das mathematische Studium so schwierig
und abstossend macht. Können wir also zeigen, dass
keine endliche Ausdehnung unendlich viele Theile
enthält oder in's Unendliche theilbar ist, so folgt, dass
hierdurch sofort die geometrische Wissenschaft von
einer Menge von Schwierigkeiten undWidersprüchen
befreit werden wird, welche stets der menschlichen
Vernunft zum Vorwurf gereicht haben, und dass zugleich
die Aneignung dieser Wissenschaft weniger
Zeit und Mühe kosten wird, als bisher.

CXXIV. Jede einzelne begrenzte Ausdehnung,
welche ein Object unseres Denkens werden kann, ist
eine Idee, die nur in dem Geiste existiren kann, und
demgemäss muss jeder Theil derselben percipirt werden.
Wenn ich also nicht unzählig viele Theile in irgend
einer begrenzten Ausdehnung, die ich betrachte,
percipiren kann, so ist gewiss, dass sie nicht darin
enthalten sind; es ist aber offenbar, dass ich nicht unzählig
viele Theile in irgend einer einzelnen Linie,
Fläche oder einem Körper unterscheiden kann, mag
ich diese Gebilde sinnlich wahrnehmen oder sie mir in
meinem Geiste vorstellen; hieraus schliesse ich, dass
dieselben darin nicht enthalten sind. Nichts kann mir
klarer sein, als dass die Ausdehnungen, die ich betrachte,
nichts anderes, als meine eigenen Ideen sind,
und es ist nicht weniger klar, dass ich die Ideen, die
ich habe, nicht in eine unendliche Zahl anderer Ideen
auflösen kann, d.h. dass sie nicht in's Unendliche
theilbar sind. Wenn unter endlicher Ausdehnung
etwas von einer endlichen Idee Verschiedenes gemeint
ist, so erkläre ich, dass ich nicht weiss, was das ist,
und dass ich demgemäss nichts davon behaupten,
noch auch negiren kann. Wenn aber die Termini Ausdehnung,
Theile und ähnliche in einem verständlichen
Sinne genommen werden, d.h. wenn sie Ideen bezeichnen,
dann ist es ein so offenbarerWiderspruch,
zu sagen, eine endliche Grösse oder Ausdehnung bestehe
aus unendlich vielen Theilen, dass ein Jeder auf
den ersten Blick anerkennt, dass es ein solcher sei.
Und es ist eben unmöglich, dass jener Aussage jemals
irgend ein denkendesWesen beistimme, wenn dasselbe
nicht durch geringe und allmälige Uebergänge
dahin gebracht worden ist, wie dass ein eben erst bekehrter
Heide an dasWunder der Transsubstantiation
glaube. Alte und eingewurzelte Vorurtheile erlangen
oft die Geltung von Principien, und solche Sätze, die
einmal die Kraft und das Ansehen eines Princips erlangt
haben, gelten nicht nur selbst, sondern mit ihnen
zugleich auch das, was sich aus ihnen ableiten lässt,
für erhaben über alle Prüfung. Keine Ungereimtheit
ist so gross, dass nicht der Geist auf dieseWeise bereit
gemacht werden könnte, sie hinzunehmen.

CXXV. Wer das Vorurtheil hegt, dass abstracte
allgemeine Ideen existiren, der kann auch die Annahme
billigen, dass (was auch immer von den sinnlichen
Ideen gelten möge) die Ausdehnung in abstracte in's
Unendliche theilbar sei, und wer dafür hält, dass die
Sinnesobjecte ausserhalb des Geistes existiren, wird
vielleicht auf Grund hiervon zu dem Zugeständniss
gebracht werden, dass eine Linie, die nur einen Zoll
lang ist, unzählig viele Theile enthalten Könne, welche
wirklich existiren, obwohl sie zu klein seien, um
unterschieden zu werden. Diese Irrthümer sind im
Geist der Geometer ebensowohl eingewurzelt, wie in
dem Geiste anderer Menschen, und haben den gleichen
Einfluss auf ihre Erwägungen, und es wäre nicht
schwer zu zeigen, wie darauf die geometrischen Argumente
beruhen, auf welche die unendliche Theilbarkeit
der Ausdehnung gestützt wird. Für jetzt wollen
wir nur im Allgemeinen bemerken, warum alle Mathematiker
diese Lehre so sehr lieben und mit solcher
Zähigkeit an ihr festhalten.

CXXVI. Es ist an einer andern Stelle (Sect. XV
der Einleitung) bemerkt worden, dass die geometrischen
Sätze und Beweise allgemeine Ideen betreffen;
es ist dort erklärt worden, in welchem Sinne dies zu
verstehen sei, nämlich, dass die einzelnen Linien und
Figuren in der Zeichnung so betrachtet werden, dass
sie unzählige andere von verschiedener Grösse vertreten,
oder mit andernWorten: der Geometer betrachtet
sie mit Abstraction von ihrer Grösse, was nicht in
sich schliesst, dass er eine abstracte Idee bilde, sondern
nur, dass er sich nicht darum kümmere, welches
die einzelne Grösse sei, ob eine bedeutende oder geringe,
sondern dieselbe als etwas für die Beweisführung
Gleichgültiges ansieht; hieraus folgt, dass von
einer in der Zeichnung enthaltenen Linie, obschon
dieselbe nur einen Zoll lang ist, so gesprochen werden
muss, als ob dieselbe zehntausend Theile enthielte,
weil sie nicht an sich, sondern als allgemein betrachtet
wird; allgemein aber ist sie nur in ihrer Bedeutung,
wonach sie unzählige Linien vertritt, die grösser sind,
als sie selbst, in welchen zehntausend und mehr Theile
unterschieden werden können, obschon sie selbst
nicht mehr, als einen Zoll lang sein mag. Demgemäss
werden die Eigenschaften der bezeichneten Linien
(nach einer sehr üblichen Redeweise) auf das Zeichen
übertragen und durch Missverständniss so betrachtet,
als ob sie diesem nach seiner eigenen Natur angehörten.

CXXVII. Da keine Zahl von Theilen so gross ist,
dass es nicht eine Linie geben konnte, die deren noch
mehrere enthielte, so wird gesagt, die Linie von einem
Zoll enthalte so viele Theile, dass deren Zahl jede angebbare
Zahl überschreite; dies ist wahr, nicht von
jener Linie an sich, sondern nur von dem durch sie
Bezeichneten. Hält man aber in seinem Denken diese
Unterscheidung nicht fest, so kommt man unvermerkt
zu dem Glauben, dass die kleine einzelne auf Papier
gezeichnete Linie in sich selbst unzählig viele Theile
habe. Es giebt nichts derartiges, wie den zehntausendsten
Theil eines Zolles, wohl aber einer Meile oder
des Erddurchmessers, welche durch jenen Zoll bezeichnet
werden können. Wenn ich also ein Dreieck
auf's Papier zeichne und eine Seite z.B., die nicht
über einen Zoll lang ist, als Radius nehme, so betrachte
ich diesen als getheilt in zehntausend oder in
hunderttausend Theile oder mehr. Denn obwohl der
zehntausendste Theil jener Linie an sich betrachtet
ganz und gar nichts ist und demgemäss ohne irgend
einen Irrthum oder Nachtheil vernachlässigt werden
kann, so folgt doch aus der Betrachtung dieser Linien
als blosser Zeichen für grössere Quantitäten, deren
zehntausendster Theil sehr beträchtlich sein kann,
dass, um beträchtliche Irrthümer in der Anwendung
zu vermeiden, der Radius als eine Linie von zehntausend
oder mehr Theilen genommen werden muss.

CXXVIII. Aus dem Gesagten ist klar, warum wir,
wenn ein Satz allgemein anwendbar werden soll, von
den auf das Papier hingezeichneten Linien so sprechen
müssen, als ob dieselben Theile enthielten, welche
sie in Wirklichkeit nicht enthalten. Thun wir dies,
so werden wir doch bei genauer Prüfung wohl finden,
dass wir dabei nicht einen Zoll selbst als bestehend
aus tausend Theilen oder als zerlegbar in tausend
Theile betrachten können, sondern nur eine gewisse
andere Linie, die weit grösser ist, als ein Zoll, und
durch diesen repräsentirt wird, und dass wir wenn wir
sagen, eine Linie sei in's Unendliche theilbar, eine unendlich
grosse Linie meinen müssen. In dem Erwähnten
scheint die Hauptursache zu liegen, warum man
die Voraussetzung der unendlichen Theilbarkeit endlicher
Ausdehnung in der Geometrie für erforderlich gehalten
hat.

CXXIX. Die vielen aus dieser Voraussetzung hervorgehenden
Ungereimtheiten undWidersprüche hätten,
sollte man denken, als ebensoviele Beweise
gegen dieselbe gelten sollen. Aber ich weiss nicht,
nach was für einer Logik man annimmt, dass Beweise
a posteriori gegen Sätze, die das Unendliche betreffen,
nicht zulässig seien. Als ob es nicht sogar für
einen unendlichen Geist unmöglich wäre, Widersprüche
mit einander zu vereinigen, oder als ob etwas Ungereimtes
undWidersprechendes in einer nothwendigen
Verbindung mit derWahrheit stehen oder aus ihr
herfliessen könnte. Vielmehr wird ein Jeder, der die
Schwäche dieses Vorgebens erkennt, denken, dass es
ersonnen ward der Trägheit des Geistes zu Gefallen,
der sich lieber bei einem gemächlichen Zweifel beruhigt,
als dass er die Mühe auf sich nähme, jene Voraussetzungen,
die er stets als wahr angenommen hat,
einer strengen Prüfung zu unterwerfen.

CXXX. In der jüngsten Zeit sind die Speculationen
über unendliche Grössen so weit getrieben worden
und haben so seltsame Vorstellungen erzeugt, dass
dadurch nicht geringe Zweifel und Disputationen
unter den Geometern der Gegenwart veranlagst worden
sind. Einige derselben, die in hohem Ansehen stehen,
begnügen sich nicht mit der Behauptung, dass
endliche Linien in eine unendliche Zahl von Theilen
zerlegt werden können, sondern behaupten ferner
noch, dass ein jeder dieser unendlich kleinen Theile
selbst wieder in eine unendliche Zahl anderer Theile
oder unendlich kleiner Grössen zweiter Ordnung zerlegbar
sei und so fort in infinitum. Diese, sage ich,
behaupten, es gebe unendlich kleine Theile unendlich
kleiner Theile unendlich kleiner Grössen, ohne dass
jemals ein Ende erreicht werde, so dass nach ihnen ein
Zoll nicht nur eine unendliche Zahl von Theilen enthält,
sondern eine Unendlichkeit einer Unendlichkeit
einer Unendlichkeit von Theilen, in's unendliche hin.
Andere halten dafür, dass alle Ordnungen von Infinitesimalgrössen
unterhalb der ersten gar nichts seien,
indem sie die Annahme mit gutem Grunde für absurd
halten, dass es irgend, eine positive Quantität oder
eine Theilgrösse einer Ausdehnung gebe, welche, obschon
unendlich vervielfacht, niemals der kleinsten
gegebenen Ausdehnung gleich werden könne. Und
doch scheint es andererseits nicht weniger absurd, anzunehmen,
dass das Quadrat, der Cubus oder eine andere
Potenz einer positiven realen Basis selbst gar
nichts sei, was diejenigen behaupten müssen, welche
Infinitesimalgrössen der ersten Ordnung, aber keine
der höheren Ordnungen annehmen.

CXXXI. Haben wir also nicht Recht, zu folgern,
dass sie beide im Unrecht seien, und dass es in der
That nichts Derartiges gebe, wie unendlich kleine
Theile oder eine unendliche Zahl von Theilen, die in
einer endlichen Grösse enthalten seien? Aber ihr werdet
sagen, wenn diese Lehre gälte, so würden die
Grundlagen der Geometrie zerstört werden, und die
grossen Männer, welche dieseWissenschaft zu einer
so erstaunlichen Hohe gebracht haben, hätten ein
Luftschloss gebaut. Hierauf kann entgegnet werden,
dass alles, was in der Geometrie nützlich ist und dem
menschlichen Leben Förderung gewährt, doch gesichert
und durch unsere Principien unerschüttert bleibt.
DieseWissenschaft wird, als eine praktische betrachtet,
eher Vortheil aus dem Gesagten ziehen, als irgend
eine Schädigung zu befürchten haben. Dies aber in
das rechte Licht zu stellen, mag die Aufgabe einer besondern
Untersuchung sein. Mag übrigens folgen,
dass einige der verwickeltsten und subtilsten Theile
der theoretischen Mathematik wegfallen werden ohne
irgend eine Benachtheiligung derWahrheit, so sehe
ich doch nicht, was für einen Schaden die Menschheit
davon haben werde. Im Gegentheil, es wäre sehr zu
wünschen, dass Männer von grossen Fähigkeiten und
ausdauerndem Fleiss ihre Gedanken von jenen Ergetzungen
ablenkten und dieselben dem Studium solcher
Dinge zuwendeten, die den Angelegenheiten des Lebens
näher liegen oder mehr directen Einfluss auf die
Sitten haben.

CXXXII.Wenn man sagt, dass einige unzweifelhaft
wahre Sätze durch Methoden, wobei von dem
Unendlichen Anwendung gemacht worden ist, entdeckt
worden seien, und dass dies nicht möglich gewesen
wäre, wenn die Existenz desselben einen Widerspruch
in sich schlösse, so antworte ich, dass bei
einer eindringenden Untersuchung nicht gefunden
werden wird, dass in irgend einem Falle unendlich
kleine Theile endlicher Linien gedacht oder angewandt
werden müssen oder auch nur Quantitäten, die
geringer wären, als das sinnlich wahrnehmbare Minimum;
ja es wird einleuchten, dass dies auch in der
That niemals geschehe, da es unmöglich ist.

CXXXIII. Aus dem Gesagten geht klar hervor,
dass sehr zahlreiche und folgenschwere Irrthümer aus
jenen falschen Principien hervorgegangen sind, die
wir in den vorstehenden Theilen dieser Abhandlung
bekämpft haben. Zugleich erweisen sich die denselben
entgegengesetzten Annahmen als die fruchtreichsten
Principien, aus welchen unzählige Consequenzen hervorgehen,
die der wahren Philosophie ebensowohl,
wie der Religion höchst vortheilhaft sind. Insbesondere
ist gezeigt worden, dass die Materie oder die absolute
Existenz körperlicher Objecte dasjenige sei,
worin die erklärtesten und verderblichsten Feinde
aller menschlichen oder göttlichen Erkenntniss immer
ihre Hauptstütze gesucht und worauf sie ihr Vertrauen
gesetzt haben. Und fürwahr, wenn durch Unterscheidung
der wirklichen Existenz nicht denkender Dinge
von ihrem Erkanntwerden und durch die Annahme,
dass sie eine Subsistenz an sich selbst ausserhalb der
Seelen oder Geister haben, kein einziges Ding in der
Natur erklärt wird, sondern im Gegentheil eine grosse
Zahl unlösbarer Schwierigkeiten entsteht; wenn die
Voraussetzung dass es Materie gebe, bloss eine prekäre
ist, da sie sich nicht auch nur auf einen einzigen
Grund stützt; wenn ihre Consequenzen nicht das
Licht der Prüfung und freien Forschung ertragen, sondern
sich durch die dunkle und unbestimmte Behauptung
der Unbegreiflichkeit des Unendlichen decken;
wenn zugleich die Beseitigung dieser Materie nicht
die geringste üble Folge nach sich zieht, wenn dieselbe
nicht einmal in derWelt vermisst wird, sondern
jegliches Ding eben so leicht, ja leichter ohne sie sich
begreifen lässt; wenn endlich sowohl Skeptiker, als
Atheisten durch die Voraussetzung, dass es nur
Geister und Ideen gebe, für immer zum Schweigen gebracht
werden, und diese Ansicht sowohl der Vernunft,
als der Religion gemäss ist: dann, denke ich,
sollte man erwarten, dass dieselbe gebilligt und entschieden
festgehalten werde, möchte sie auch nur als
eine Hypothese aufgestellt und die Existenz der Materie
als möglich zugegeben worden sein, während wir
doch, wie ich glaube, deutlich gezeigt haben, dass
dieselbe nicht möglich ist.

CXXXIV. Es ist wahr, dass zufolge der obigen
Principien verschiedene Disputationen und Speculationen,
die für nicht unwesentliche Theile der Gelehrsamkeit
gehalten werden, als nutzlos wegfallen. Wie
sehr dies aber auch gegen unsere Principien diejenigen
einnehmen mag, welche schon sehr in Studien
jener Art sich vertieft und grosse Fortschritte in denselben
gemacht haben, so wird doch, hoffen wir, von
Anderen nicht ein berechtigter Grund zur Verwerfung
der hier dargelegten Principien und Sätze darin gefunden
werden, dass dieselben die Mühe des Studiums
vermindern und die menschlichenWissenschaften
klarer, übersichtlicher und zugänglicher machen, als
sie zuvor waren.

CXXXV. Nach Erledigung dessen, was wir über
die Erkenntniss von Ideen zu sagen beabsichtigten,
haben wir, der oben aufgestellten Disposition zufolge,
zunächst von Geistern zu handeln; die Erkenntniss,
welche die Menschen von denselben haben, ist wohl
nicht so mangelhaft, wie man gewöhnlich annimmt.
Als Hauptgrund für die Ansicht, dass wir die Natur
der Geister nicht kennen, wird angeführt, dass wir
keine Idee davon haben. Aber es sollte doch fürwahr
nicht als ein Mangel des menschlichen Verstandes angesehen
werden, dass derselbe nicht die Idee Geist
percipirt, wenn es offenbar unmöglich ist, dass es eine
solche Idee gebe; dies aber ist, wenn ich nicht irre, in
Section XXVII bewiesen worden, wozu ich hier noch
füge, dass gezeigt worden ist, ein Geist sei die einzige
Substanz oder der Träger, worin die nichtdenkenden
Dinge oder Ideen existiren können, und dass es offenbar
eine ungereimte Annahme ist, diese Substanz,
welche Ideen trägt oder percipirt, sei selbst eine Idee
oder ähnlich einer Idee.

CXXXVI. Vielleicht wird gesagt werden, es fehle
uns ein Sinn, der (wie Einige sich eingebildet haben)
geeignet sei, auch Substanzen zu erkennen; besässen
wir denselben, so könnten wir unsere Seele eben so
gut erkennen, wie wir ein Dreieck erkennen. Hierauf
antworte ich: dass, wenn wir mit einem neuen Sinne
ausgestattet wären, wir dadurch doch nur gewisse
neue Sinneswahrnehmungen oder sinnliche Ideen erlangen
könnten. Niemand aber, wie ich glaube wird
sagen, was er unter den Ausdrücken Seele und Substanz
verstehe, sei nur eine besondere Art von Idee
oder Sinneswahrnehmung. Wir dürfen demgemäss
schliessen, dass, alles wohl erwogen, es ebensowenig
vernunftgemäss ist, unsere Kräfte darum, weil sie uns
nicht eine Idee von einem Geiste oder einer thätigen
denkenden Substanz liefern, für mangelhaft zu halten,
als es sein würde, sie wegen der Unfähigkeit zu tadeln,
ein rundes Viereck zu begreifen.

CXXXVII. Aus der Meinung, dass Geister nach
derWeise einer Idee oder Sinneswahrnehmung zu erkennen
seien, sind manche ungereimte und vom rechten
Glauben abweichende (heterodoxe) Annahmen
und Zweifel mancherlei Art in Betreff der Natur der
Seele entstanden. Es ist sogar wahrscheinlich, dass
diese Meinung Einige zu dem Zweifel geführt hat, ob
sie überhaupt irgend eine von ihrem Körper verschiedene
Seele haben, da sie bei der Untersuchung sich
nicht im Besitz einer Idee von ihr finden konnten.
Dass eine Idee, welche unthätig ist und deren Existenz
im Percipirtwerden besteht, das Abbild oder das
Gleichniss eines an sich bestehenden thätigenWesens
sei, scheint keiner andernWiderlegung zu bedürfen,
als der blossen Aufmerksamkeit auf das, was unter
jenenWorten verstanden werde. Vielleicht aber werdet
ihr sagen, wenn gleich eine Idee einem Geiste
nicht in dessen Denken, Handeln oder substantiellem
Bestehen gleichen könne, so könne sie ihm doch in
andern Beziehungen gleichen, und es sei nicht nöthig,
dass eine Idee oder ein Bild in allen Beziehungen seinem
Original gleiche.

CXXXVIII. Ich antworte: wenn nicht in den erwähnten
Beziehungen, dann unmöglich in irgend welchen
anderen. Nehmt die Fähigkeit des Wollens, Denkens
und der Ideenperception hinweg, so bleibt nichts
mehr übrig, worin eine Idee einem Geiste gleichen
könnte. Denn unter demWorte Geist verstehen wir
nur das, was denkt, will und percipirt; dies und nur
dies macht die Bedeutung diesesWortes aus. Ist es
also unmöglich, dass diese Vermögen in irgend einem
Grade in einer Idee repräsentirt seien, so ist es offenbar,
dass es keine Idee eines Geistes geben kann.

CXXXIX. Aber es wird entgegnet werden, wenn
es keine durch die Ausdrücke Seele, Geist und Substanz
bezeichneten Ideen gebe, so seien dieselben
gänzlich bedeutungslos oder ohne Sinn. Ich antworte:
diese Ausdrücke bedeuten oder bezeichnen ein wirkliches
Ding, welches weder eine Idee, noch einer Idee
ähnlich ist, sondern Ideen percipirt und in Bezug auf
sie will und denkt. Was ich selbst bin, was ich durch
den Terminus »Ich« bezeichne, ist identisch mit dem,
was unter »Seele« oder »geistige Substanz« zu verstehen
ist. Wird gesagt, dies heisse nur um einWort
rechten, und da die unmittelbaren Bedeutungen anderer
Namen mit allgemeiner Uebereinstimmung Ideen
genannt würden, so könne kein Grund angeführt
werden, warum das, was durch die Namen Geist oder
Seele bezeichnet werde, nicht ebenso genannt werden
solle, so antworte ich: alle nicht denkenden Objecte
des Geistes kommen darin miteinander überein, dass
sie gänzlich passiv sind, und dass ihre Existenz nur in
ihrem Percipirtwerden besteht, wogegen eine Seele
oder ein Geist ein actives Ding ist, dessen Existenz
nicht im Percipirtwerden, sondern im Percipiren von
Ideen und im Denken besteht. Es ist demgemäss zur
Vermeidung von Zweideutigkeit und von Nichtunterscheidung
völlig verschiedener und unähnlicher
Wesen erforderlich, zwischen Geist und Idee einen
Unterschied zu machen. Siehe Section XXVII.

CXL. In einem weiteren Sinne des Wortes mag gesagt
werden, dass wir eine Idee, oder vielmehr einen
Begriff (notion) von einem Geiste haben: d.h. wir verstehen
die Bedeutung des Wortes; andernfalls könnten
wir ja nichts davon bejahen oder verneinen. Wie wir
ferner die Ideen, welche in anderen Geistern sind, vermittelst
unserer eigenen, die, wie wir voraussetzen,
jenen ähnlich sind, verstehen, so erkennen wir andere
Geister vermittelst unserer eigenen Seele, welche in
diesem Sinne das Abbild oder die Idee jener ist,
indem sie eine gleiche Beziehung zu anderen Geistern
hat, wie Bläue oder Hitze, die ich percipire, zu den
gleichartigen, durch einen Andern percipirten Ideen.

CXLI. Man muss nicht meinen, dass die, welche
der Seele eine in ihremWesen begründete (natürliche)
Unsterblichkeit zuschreiben, dafür halten, dieselbe
Könne absolut nicht vernichtet werden, selbst nicht
durch die Allmacht ihres Schöpfers; sie behaupten
nur, sie sei nicht vermöge der gewöhnlichen Gesetze
der Natur oder der Bewegung dem Zerfallen oder Aufgelöstwerden
ausgesetzt. Diejenigen dagegen, welche
annehmen, die Seele eines Menschen sei nur eine
feine Lebensflamme oder ein System von materiellen
Lebensgeistern, lassen sie vergänglich und zerstörbar,
gleich, dem Körper sein, da nichts leichter zerstreut
werden kann, als solch' ein Ding, welches der Natur
gemäss unmöglich die Auflösung des umschliessenden
Gehäuses überleben kann. Und diese Vorstellung
ist begierig ergriffen und gehegt worden von dem
schlechtesten Theile der Menschen als das wirksamste
Gegenmittel gegen alle Eindrucke der Tugend und
Religion. Aber es ist deutlich gezeigt worden, dass
Körper, von welchem Bau oder Gefüge sie auch
seien, nur passive Ideen im Geiste sind, der von ihnen
weiter absteht und ihnen ungleichartiger ist, als das
Licht von der Finsterniss. Die Seele ist, wie wir gezeigt
haben, untheilbar, unkörperlich, unausgedehnt,
folglich auch unzerstörbar. Nichts kann deutlicher
sein, als dass der Naturlauf, d.h. die Bewegungen,
Wechsel, der Verfall und die Auflösung, wovon wir
stündlich Naturkörper betroffen sehen, unmöglich
eine thätige, einfache, unzusammengesetzte Substanz
betreffen kann; ein solches Ding ist demgemäss nicht
durch die Kraft der Natur zerstörbar, d.h. die menschliche
Seele hat eine natürliche Unsterblichkeit.

CXLII. Nach dem Gesagten ist es, denke ich, klar,
dass unsere Seelen nicht in derselben Weise, wie
empfindungslose unthätige Objecte oder in derWeise
einer Idee erkannt werden können. Geister und Ideen
sind so durchaus verschiedene Dinge, dass, wenn wir
sagen, sie existiren, sie werden erkannt, nicht angenommen
werden darf, dass diese Worte irgend etwas
beiden Wesen Gemeinsames bezeichnen; es giebt
nichts Aehnliches oder Gemeinsames in ihnen, und
die Erwartung, dass wir durch irgend eine Vermehrung
oder Erweiterung unserer Geisteskräfte befähigt
werden könnten, einen Geist so zu erkennen, wie wir
ein Dreieck erkennen, scheint mir ebenso ungereimt
zu sein, als wenn wir hofften, einen Ton zu sehen. Ich
betone dies, weil ich denke, dass es von Bedeutung ist
zur Klärung verschiedener wichtiger Fragen und zur
Vermeidung einiger sehr gefährlichen Irrthümer, welche
die Natur der Seele betreffen. Man kann, glaube
ich, streng genommen nicht sagen, dass wir eine Idee
von einem thätigen Ding oder von einer Thätigkeit
haben, obwohl man sagen kann, dass wir einen Begriff
(eine Vorstellung, notion) davon haben. Ich habe
eine gewisse Kenntniss oder einen Begriff von
meinem Geiste und seinen Thätigkeiten, die sich auf
Ideen beziehen, sofern ich weiss oder verstehe, was
mit jenenWorten gesagt werden soll. Was ich weiss,
davon habe ich einen Begriff. Ich schliesse nicht aus,
dass die Ausdrücke Idee und Begriff miteinander vertauschbar
gebraucht werden, wenn dieWelt es so
will. Aber es fördert doch die Klarheit und Bestimmtheit,
sehr verschiedene Dinge mit verschiedenen
Namen zu bezeichnen. Ebenso ist zu bemerken, dass,
da alle Beziehungen eine Thätigkeit des Geistes in
sich schliessen, nicht in strengem Sinn gesagt werden
kann, dass wir eine Idee, sondern vielmehr zu sagen
ist, dass wir einen Begriff von den Beziehungen oder
Verhältnissen zwischen den Dingen haben. Indess
wenn, wie es heute üblich ist, das Wort Idee auf Geister,
Beziehungen und Thätigkeiten mitbezogen wird,
so handelt es sich dabei schliesslich doch nur um den
Wortgebrauch.

CXLIII. Es wird nicht unpassend sein, hier noch
die Bemerkung beizufügen, dass die Lehre von den
abstracten Ideen keinen geringen Antheil daran gehabt
hat, die Wissenschaften, welche eigens von geistigen
Dingen handeln, verwickelt und dunkel zu machen.
Man hat sich vorgestellt, man könne abstracte
Begriffe von den Kräften und Thätigkeiten des Geistes
bilden und dieselben abgelöst ebensowohl von
der Seele oder dem Geiste selbst, wie von ihren
bezüglichen Objecten undWirkungen betrachten. In
Folge hiervon ist eine grosse Zahl von dunklen und
mehrdeutigen Ausdrücken, welche abstracte Begriffe
bezeichnen sollen, in die Metaphysik und Moral eingeführt
worden, und hieraus sind unzählige Verwirrungen
und Disputationen unter den Gelehrten erwachsen.

CXLIV. Aber nichts scheint mehr zum Aufkommen
von Streitigkeiten und Irrungen, welche die
Natur und die Thätigkeiten der Seele betreffen, beigetragen
zu haben, als der Gebrauch, von jenen Dingen
in Ausdrücken zu reden, die von sinnlichen Dingen
entnommen sind. So wird z.B. der Wille als die Bewegung
der Seele bezeichnet: dies flösst den Glauben
ein, der menschliche Geist sei wie ein Ball in Bewegung,
angestossen und bestimmt durch die Sinnesobjecte
mit gleicher Nothwendigkeit, wie dies durch den
Schlag eines Ballschlägels geschieht. Hieraus fliessen
endlose Zweifel und Irrthümer mit gefährlichen Folgen
auf dem Gebiete der Moral. Dieses alles kann, ich
zweifle daran nicht, geklärt werden und dieWahrheit
kann schlicht, einfach und in sich wohlgegründet erscheinen,
falls nur die Philosophen dazu bestimmt
werden könnten, in sich selbst einzukehren und aufmerksam
ihre eigenen Gedanken zu betrachten.

CXLV. Aus dem Gesagten geht klar hervor, dass
wir die Existenz anderer Geister auf keine andere
Weise, als durch ihre Thätigkeiten oder durch die von
ihnen in uns hervorgerufenen Ideen erkennen können.
Ich nehme verschiedene Bewegungen, Veränderungen
und Verknüpfungen von Ideen wahr, die mir bekunden,
dass es bestimmte einzelne thätigeWesen gleich
mir selbst giebt, welche damit in Verbindung stehen
und an der Hervorbringung derselben Theil haben.
Hiernach ist die Kenntniss, welche ich von anderen
Geistern habe, keine unmittelbare, wie die Kenntniss
meiner Ideen es ist, sondern sie ist durch Ideen vermittelt,
welche ich alsWirkungen oder begleitende
Zeichen auf thätigeWesen oder Geister beziehe, die
von mir selbst verschieden sind.

CXLVI. Aber obwohl es einige Dinge giebt, die
uns überzeugen, dass die Wirksamkeit menschlicher
Wesen an ihrer Hervorbringung betheiligt sei, so ist
es doch einem Jeden klar, dass die Dinge, welche wir
Naturproducte nennen, d.h. der weitaus grössere Theil
der von uns percipirten Ideen oder Sinneswahrnehmungen,
nicht durch menschlicheWillensacte hervorgebracht
oder von denselben abhängig ist. Es existirt
also ein anderer Geist, der sie verursacht, da die Annahme,
dass sie durch sich selbst bestehen, einenWiderspruch
in sich schliessen würde. Siehe Section
XXIX.Wenn wir aber aufmerksam jene beständige
Regelmässigkeit, Ordnung und Verkettung der Naturobjecte
betrachten, die erstaunliche Pracht, Schönheit
und Vollkommenheit der grösseren und die höchste
Kunst in der Bildung der kleineren Theile der Schöpfung,
zugleich mit der genauen Uebereinstimmung
und dem Zusammenhang aller Theile des Ganzen, und
vor Allem die niemals genug bewunderten Gesetze
des Schmerzes und der Lust und die Instincte oder
Naturtriebe, Bestrebungen und Affecte der Thiere:
wenn wir, sage ich, dieses alles in Betracht ziehen
und gleichzeitig den Sinn und die Bedeutung der Attribute
»Einer, ewig, unendlich weise, gut und vollkommen
« beachten, so werden wir klar erkennen,
dass sie dem vorhin erwähnten Geiste angehören, der
alles in allem wirkt und durch den alles besteht.

CXLVII. Hieraus leuchtet ein, dass Gott eben so
gewiss und unmittelbar erkannt wird, wie irgend ein
anderes psychischesWesen oder ein Geist, welcher es
auch sei, der von uns selbst verschieden ist. Wir dürfen
sogar behaupten, dass die Existenz Gottes weit
einleuchtender percipirt werde, als die Existenz von
Menschen, weil die Naturwirkungen unendlich zahlreicher
und beträchtlicher sind, als die, welche Menschen
zugeschrieben werden. Es giebt durchaus kein
Merkmal, das einen Menschen oder eine von ihm hervorgebrachteWirkung
bekundet, und das nicht noch
strenger das Sein jenes Geistes erwiese, welcher der
Urheber der Natur ist. Denn es leuchtet ein, dass bei
der Afficirung anderer Personen derWille eines
Menschen kein anderes Object hat, als nur die Bewegung
der Glieder seines Leibes; dass aber eine solche
Bewegung von irgend einer Idee im Geiste eines Andern
begleitet sei oder dieselbe hervorrufe, hängt
gänzlich von demWillen des Schöpfers ab. Er allein
ist der, welcher, da er alle Dinge trägt durch dasWort
seiner Macht, jene Beziehung zwischen Geistern aufrecht
erhält, wodurch sie fähig sind, ihre Existenz gegenseitig
zu erkennen. Dieses reine und helle Licht
aber, welches Jeglichen erleuchtet, ist selbst unsichtbar.

CXLVIII. Die Menge gedankenloser Personen
scheint ganz allgemein vorzuschützen, dass man Gott
nicht sehen könne. Könnten wir ihn nur sehen, sagen
diese Leute, wie wir einen Menschen sehen, so würden
wir glauben, dass er sei, und auf Grund dieses
Glaubens seinen Geboten gehorchen. Aber ach! wir
brauchen ja nur unsere Augen zu öffnen, um den
Oberherrn aller Dinge in vollerem Maasse und mit
höherer Klarheit zu schauen, als irgend eines unserer
Mitgeschöpfe. Ich stelle mir nicht vor, dass wir (wie
Einige wollen) Gott durch einen directen und unmittelbaren
Anblick sehen, oder dass wir körperliche
Dinge nicht durch sich selbst sehen, sondern durch
das, was sie imWesen Gottes repräsentirt, welche
Lehre, wie ich bekennen muss, mir unverständlich ist.
Doch ich will meine Meinung erläutern. Bin
menschlicher Geist, eine menschliche Person, wird
nicht sinnlich percipirt, da er nicht eine Idee ist; sehen
wir also die Farbe, Grösse, Gestalt und die Bewegungen
eines Menschen, so percipiren wir nur gewisse
Sinneswahrnehmungen oder Ideen in unseren eigenen
Geistern, und da diese unserem Blick in mehreren besonderen
Gruppen sich darstellen, so dienen sie dazu,
uns die Existenz von endlichen und geschaffenen Geistern,
die uns selbst ähnlich sind, anzuzeigen. Hieraus
ist klar, dass wir nicht einen Menschen sehen, wenn
unter Mensch etwas uns Aehnliches, das lebt, sich bewegt,
wahrnimmt und denkt, verstanden wird, sondern
nur einen solchen Ideencomplex, der uns anleitet,
zu denken, dass ein besonderes Denk- und Bewegungsprincip,
welches uns selbst gleiche, damit zugleich
vorhanden und dadurch repräsentirt sei. In der
nämlichenWeise sehen wir Gott; der ganze Unterschied
liegt darin, dass, während irgend eine endliche
und begrenzte Gruppe von Ideen einen einzelnen
menschlichen Geist anzeigt, wir jederzeit und überall,
wohin wir auch unsere Blicke richten mögen, deutliche
Spuren der Gottheit erblicken, da jegliches Ding,
das wir sehen, hören, fühlen oder irgendwie sinnlich
wahrnehmen, ein Zeichen oder eineWirkung der göttlichen
Macht ist, in eben derWeise, wie unsere Perceptionen
der von Menschen hervorgebrachten Bewegungen
uns als Zeichen dienen.

CXLIX. Es ist also klar, dass nichts offenbarer für
Jeden, der des geringsten Nachdenkens fähig ist, sein
kann, als die Existenz Gottes oder eines Geistes, der
unsern Geistern innerlich gegenwärtig ist, indem er in
ihnen alle jene Mannigfaltigkeit von Ideen oder Sinneswahrnehmungen
hervorbringt, die uns beständig
afficiren, eines Geistes, von dem wir absolut und
gänzlich abhängig sind, kurz, »in dem wir leben,
weben und sind«. Dass zur Entdeckung dieser grossen
Wahrheit, die dem Geiste so nahe liegt und so zugänglich
ist, nur die Vernunft soWeniger gelangt, ist
ein betrübender Beweis der Stumpfheit und Unaufmerksamkeit
der Menschen, die, obschon sie rings
umgeben sind von so klaren Selbstbezeugungen der
Gottheit, doch so wenig davon ergriffen werden, dass
es scheint, als seien sie gleichsam geblendet durch ein
Uebermaass von Licht.

CL. Aber, werdet ihr sagen, hat denn die Natur
keinen Antheil an der Hervorbringung von Naturobjecten
und müssen diese alle der unmittelbaren und alleinigenWirksamkeit
Gottes zugeschrieben werden?
Ich antworte: wird unter Natur nur verstanden die
sichtbare Reihe vonWirkungen oder von Sinneswahrnehmungen,
welche nach gewissen feststehenden und
allgemeinen Gesetzen unserm Geiste eingeprägt sind:
dann ist klar, dass die Natur in diesem Sinne des
Wortes überhaupt nichts hervorbringen kann. Wird
aber unter Natur ein sowohl von Gott, als auch von
den Naturgesetzen und sinnlich percipirten Dingen
verschiedenesWesen verstanden, so muss ich gestehen,
dass mir dann diesesWort ein leerer Schall ohne
irgend eine verständliche Bedeutung ist. Natur in diesem
Sinne ist ein eitles Wahngebilde, welche die Heiden
aufgebracht haben, die keinen richtigen Begriff
von der Allgegenwart und unendlichen Vollkommenheit
Gottes besassen. Unerklärlicher aber ist, dass es
Eingang finden konnte unter Christen, welche an die
heilige Schrift zu glauben bekannten, die doch beständig
der unmittelbaren Hand Gottes jeneWirkungen
zuschreibt, welche die heidnischen Philosophen als
Wirkungen der Natur zu erklären pflegen. »Der Herr
ziehet die Nebel auf vom Ende der Erde; er macht die
Blitze im Regen und lässt denWind kommen aus verborgenen
Orten« (Jerem. X, 13). »Er macht aus der
Finsterniss den Morgen und aus dem Tage die finstere
Nacht« (Amos V, 8). »Du suchest das Land heim und
wässerst es und machest es sehr reich. Du segnest
sein Gewächs, und krönest das Jahr mit Deiner Güte.
Die Anger sind voll Schaafe, und die Auen stehen
dick mit Korn« (Psalm LXV, 10 - 14). Obschon dies
aber die beständige Sprache der Schrift ist, so haben
wir doch, ich weiss nicht was für eine Abneigung, zu
glauben, dass Gott sich so direct mit unseren Angelegenheiten
befasse. Gern möchten wir ihn in einem
grossen Abstande von uns denken und eine blinde,
nicht denkende Vertretung an seine Stelle setzen, obschon
(wenn wir dem hl. Paulus glauben dürfen) »er
nicht fern ist von einem Jeglichen unter uns«.

CLI. Es wird ohne Zweiter entgegen werden, die
langsame und allmähliche Weise, die sich bei der Entstehung
von Naturobjecten beobachten lasse, scheine
zu ihrer Ursache nicht die unmittelbare Hand eines
allmächtigen wirkenden Wesens zu haben. Zudem
sind Monstra, unzeitige Geburten, nicht zur Entwicklung
gelangte Früchte, Regen in Wüsteneien, Unglücksfälle,
die das menschliche Leben treffen, eben
so viele Argumente dafür, dass der gesammte Bau der
Natur nicht unmittelbar durch einen Geist von unendlicherWeisheit
und Güte bewirkt und beaufsichtigt
werde. Die Antwort aber auf diesen Einwurf liegt grossentheils
schon in Section LXII. vor: es ist offenbar,
dass die vorerwähntenWirkungsweisen der Natur
durchaus erforderlich sind zu dem Zweck, nach den
einfachsten und allgemeinsten Gesetzen und auf eine
gleichförmige und beständigeWeise zu wirken, was
für Gottes Weisheit und Güte zeugt. Solcher Art ist
die kunstvolle Einrichtung des grossen Mechanismus
der Natur, dass, während ihre Bewegungen und mannigfachen
Erscheinungen unsere Sinne treffen, die
Hand selbst, welche das Ganze bewirkt, den fleischlichen
Menschen unwahrnehmbar ist. »Fürwahr« (sagt
der Prophet) »Du bist ein verborgener Gott« (Jesaias
XLV, 15). Aber wiewohl Gott sich den Sinnlichen
und Trägen verbirgt, die sich nicht im Geringsten mit
Denken bemühen wollen, so kann doch dem vorurtheilslosen
und aufmerksamen Geiste nichts deutlicher
erkennbar sein, als die Gegenwart eines allweisen
Geistes im Innersten der Dinge, der das System alles
Seienden gestaltet, ordnet und aufrecht erhält. Es ist
nach dem, was wir an anderen Stellen bemerkt haben,
offenbar, dass dasWirken nach allgemeinen und feststehenden
Gesetzen so nothwendig zu unserer Leitung
in den Geschäften des Lebens und Einweihung in das
Geheimniss der Natur ist, dass ohne dies auch der
umfassendste Verstand, aller menschliche Scharfsinn
und alle Ueberlegung zu gar keinem Zwecke dienen
könnten; es wäre sogar unmöglich, dass es solche
Vermögen oder Kräfte im Geiste gäbe. Siehe Section
XXXI. Diese eine Rücksicht wiegt reichlich alle einzelnen
Unzuträglichkeiten auf, die aus der Gesetzmässigkeit
hervorgehen mögen.

CLII.Wir sollten ferner in Betracht ziehen, dass gerade
die Flecken und Mängel der Natur nicht ohne
Nutzen sind, indem, sie eine angenehme Mannigfaltigkeit
bewirken und die Schönheit des übrigen Theiles
der Schöpfung erhöhen, wie Schatten in einem Gemälde
dazu dienen, die helleren und lichteren Theile
zu heben. Es wäre auch gut, wenn wir prüfen
möchten, ob unsere Auffassung der Ueberfülle an
Saamen und Keimen und der zufälligen Zerstörung
von Pflanzen und Thieren als eines unzweckmässigen
Verfahrens des Urhebers der Natur nicht dieWirkung
eines Vorurtheils sei, welches aus dem gewohnten
Verfahren schwacher und sparsamer Sterblichen hergeflossen
ist. Bei einemMenschen mag mit Recht
eine haushälterische Verwaltung solcher Dinge, die er
sich nicht ohne viele Mühe und Fleiss verschaffen
kann, für Weisheit gehalten werden. Aber wir dürfen
nicht uns vorstellen, dass der unerklärbar feine Mechanismus
eines Thieres oder einer Pflanze dem grossen
Schöpfer irgendwie mehr Mühe oder Sorge bei
dem Acte des Erschaffens, als ein Kiesel, koste, da
nichts einleuchtender ist, als dass ein allmächtiger
Geist gleichmässig ein jegliches Ding durch ein blosses
»Es werde« oder einen Act seines Willens hervorbringen
kann. Hiernach ist klar, dass der grossartige
Aufwand von Naturobjecten nicht als Schwäche
oder Verschwendung von Seiten des sie hervorbringenden
wirkendenWesens gedeutet werden, sondern
vielmehr als ein Beweis der Fülle seiner Macht gelten
sollte.

CLIII. Die Zumischung von Schmerz und Ungemach,
die in derWelt gemäss den Naturgesetzen und
den Handlungsweisen endlicher unvollkommener Geister
ist, ist in unserm gegenwärtigen Zustande
durchaus erforderlich für unser Wohlsein. Aber unser
Blick ist zu beschränkt: wir fassen z.B. die Idee irgend
eines einzelnen Schmerzes ins Auge und bezeichnen
denselben als ein Uebel; wenn wir dagegen
unsern Blick erweitern, so dass wir die verschiedenen
Zwecke, Verbindungen und Abhängigkeitsverhältnisse
der Dinge betrachten, und erwägen, bei was für
Gelegenheiten und in welchen Verhältnissen wir mit
Schmerz und Lust afficirt werden, wenn wir das
Wesen der menschlichen Freiheit und den Zweck, um
deswillen wir in dieWelt hineingesetzt worden sind,
begreifen: so werden wir uns genöthigt sehen, anzuerkennen,
dass jene einzelnen Dinge, die an sich als
Uebel erscheinen, die Natur eines Gutes haben, sofern
sie in ihrer Verbindung mit dem ganzen System der
Dinge betrachtet werden.

CLIV. Nach dem Gesagten wird es jedem Nachdenkenden
einleuchten, dass nur aus Mangel an Aufmerksamkeit
und umfassendem Denken einige Personen,
als Begünstiger des Atheismus oder auch der manichäischen
Häresie auftreten. Beschränkte und nicht
nachdenkende Geister mögen zwar die Werke der
Vorsehung, die Schönheit und Ordnung, die zu begreifen
sie nicht im Stande sind oder sich nicht die
Mühe geben wollen, herabsetzen. Aber wer auch nur
einigermaassen richtig und umfassend zu denken vermag,
und zugleich Uebung im Nachdenken hat, kann
niemals genug die Spuren der göttlichenWeisheit und
Güte bewundern, die aus der Einrichtung der Natur
hervorleuchten. Jedoch welcheWahrheit gäbe es
wohl, die so klar dem Geiste einleuchtete, dass wir
nicht durch eine Abkehr unseres Denkens, ein freiwilliges
Schliessen der Augen, ihrer Anerkennung zu
entgehen vermöchten? Darf man sich demnach wundem,
wenn man finden sollte, dass die grosse Menge
der Menschen, stets auf Geschäfte oder auf Vergnügen
ausgehend und wenig gewöhnt, die Augen ihres
Geistes zu öffnen und fest auf ein Object zu richten,
nicht die volle Ueberzeugung und Gewissheit von
dem Sein Gottes habe, welche bei vernünftigen
Wesen zu erwarten wäre?

CLV.Wir können uns nicht sowohl darüber wundern,
dass unachtsame Menschen unüberzeugt bleiben
von einer so einleuchtenden und wichtigenWahrheit,
als vielmehr darüber, dass Menschen gefunden werden
können, die so stumpf sind, unachtsam zu bleiben.
Und doch ist zu fürchten, dass nur zu viele Menschen,
welche Fähigkeiten und Müsse haben und in
christlichen Ländern leben, bloss durch eine trage, erschreckliche
Unachtsamkeit in einen gewissen Atheismus
verfallen sind. Denn es ist durchaus unmöglich,
dass eine von der vollen Empfindung der Allgegenwart,
Heiligkeit und Gerechtigkeit jenes allmächtigen
Geistes durchdrungene und erleuchtete Seele ohne
Gewissensbisse in einer Verletzung seiner Gesetze
beharre. Wir sollten also ernstlich und anhaltend
nachdenken über jene wichtigen Punkte, um so eine
völlig zweifellose Ueberzeugung davon zu gewinnen,
»dass die Augen des Herrn überall hinschauen auf
Böse und Gute, dass er mit Tina ist und uns schützt
überall, wohin wir gehen, und uns Brod zu essen
giebt und Kleidung anzuziehen«; dass er uns gegenwärtig
ist und unsere innersten Gedanken kennt, und
dass wir in der absolutsten und unmittelbarsten Abhängigkeit
vor ihm stehen. Ein klarer Blick auf diese
grossenWahrheiten muss nothwendig unsere Herzen
mit ehrfurchtsvoller Andacht und heiliger Furcht erfüllen,
welche der kräftigste Antrieb zur Tugend und
der beste Schutz gegen das Laster ist.

CLVI. Denn was im Grunde doch den Vorrang vor
allen unseren anderen Studien verdient, ist die Betrachtung
Gottes und unserer Pflicht. Diese zu befördern,
war die Hauptabsicht und das Ziel meiner Arbeit,
und ich werde diese für durchaus unnütz und
fruchtlos halten, wenn ich nicht durch das, was ich gesagt
habe, meine Leser mit einem frömmern Gefühl
der Gegenwart Gottes erfüllen und durch Aufzeigung
der Falschheit oder Leerheit jener unfruchtbaren Speculationen,
welche die Hauptbeschäftigung der Gelehrten
ausmachen, sie geneigter machen kann zur
ehrfurchtsvollen Annahme der heilsamen Wahrheiten
des Evangeliums, deren Erkenntniss und Ausübung
die höchste Vollendung des menschlichen Wesens ist.

 

Wer ist der Gewissenhafte ???

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