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Lucius1)oder der magische Esel.


Ich machte einmal eine Reise nach Thessalien, um ein von meinem Vater geerbtes Geldgeschäfte mit einem Manne, der in diesem Lande angesessen war, abzuthun. Ein einziges Pferd trug mich und meinen Mantelsack, und ein einziger Bedienter folgte mir zu Fuße. Unterweges traf ich auf einige Thessalier von Hypata, die im Begriff waren nach ihrer Vaterstadt zurückzukehren; wir wurden eins in Gesellschaft zu reisen, und so legten wir diesen beschwehrlichen Weg um so leichter zurück. Wir waren schon nahe bey der Stadt, als ich meine Thessalier fragte, ob sie einen Einwohner von Hypata, der Hipparchus heisse, kennten? Denn an diesen Mann hatte ich ein Empfehlungsschreiben von Hause, welches mir den Vortheil bey ihm zu wohnen verschaffen sollte. Ihre Antwort war: der Hipparchus, den ich meynte, und die Gegend der Stadt wo er wohne, sey ihnen ganz wohl bekannt; er habe viel Geld, sey aber so begierig dessen immer mehr zu haben, und ein so großer Feind vom ausgeben, daß seine ganze Haushaltung in einer Frau und einer einzigen Magd bestehe. Unter diesen Reden erreichten wir die Stadt. Meine Gefährten zeigten mir einen Garten mit einem leidlichen Häuschen, wo Hipparchus wohne, nahmen hierauf Abschied von mir, und giengen ihres Weges; ich hingegen gehe hin und klopfe an die Thür. Ich mußte ziemlich lange warten und mehr als einmal klopfen, bis die Frau endlich zum Vorschein kam. Ist Hipparchus zu Hause? fragte ich. Ja, war die Antwort: aber wer bist du, und was für eine Ursache hast du, nach ihm zu fragen? Ich bringe ihm einen Brief von dem Sophisten Dekrianus von Paträ, erwiederte ich. So warte hier einen Augenblick, versetzte sie, schloß mir die Thür vor der Nase zu, und gieng wieder hinein. Endlich kommt sie wieder und heißt mich hereinkommen. Ich gehe hinein, grüße meinen Mann und überreiche ihm den Brief. Ich fand ihn eben im Begriff seine Abendmahlzeit zu halten; er lag auf einem ziemlich schmalen Ruhebettchen; seine Frau saß neben ihm, und vor ihnen stand ein Tischgen, worauf aber noch nichts zu essen war. Er überlaß den Brief und sagte darauf: das ist ja recht schön von meinem werthen und berühmten Freunde Dekrianus, daß er soviel Zutrauen zu mir hat und mir seine guten Freunde so ohne Umstände zuschickt. Mein Häuschen ist freylich klein, wie du siehest, lieber Lucius, und nur eben für seinen Bewohner zureichend; indessen wirst du ein großes Haus daraus machen, wenn du so viel Geduld haben willst, dich darin zu behelfen. Er rief hierauf seiner Magd: Palästra, sprach er, zeige meinem Freunde sein Schlafzimmer, und trage das Gepäcke dahin, das er etwa mitbringt; hernach führe ihn ins Bad; denn er hat einen weiten Weg hieher gemacht.

Diesem Befehl zufolge nahm mich das Mädchen sogleich mit sich, und zeigte mir ein sehr schönes Gemach. Hier, sagte sie, auf diesem Bette wirst du schlafen, und für deinen Burschen will ich eine Britsche hier zu rechte machen, und auch ein Kopfküssen darauf legen. Ich gab dem Mädchen Geld um etwas Gerste für mein Pferd zu kaufen, und verfügte mich ins Bad; inzwischen trug sie alle meine Sachen hinein und schaffte sie in mein Zimmer. Sobald ich aus dem Bade zurückkam, gieng ich gerade zum Hipparchus. Er nahm mich bey der Hand, und hieß mich neben ihm Platz nehmen. Das Nachtessen war nicht das schlechteste, und der Wein gut und alt. Nach der Mahlzeit brachten wir den übrigen Abend, wie es bey Aufnahme eines Gastes gebräuchlich ist, mit trinken und schwatzen zu, und giengen hierauf schlafen. Am folgenden Morgen fragte mich Hipparchus, wo mein Weg nun weiter hin gienge, oder wie viele Tage ich zu Hypata bleiben würde? Ich gehe nach Larissa, war meine Antwort, und gedenke etwa drey bis vier Tage hier zu bleiben.

Dieß sagte ich aber nicht im Ernste; denn in der That war ich gesonnen, so lange in Hypata zu bleiben, bis ich mein Verlangen befriediget hätte, eine von den Weibern zu finden, die sich mit magischen Künsten abgeben, und mit ihrer Hülfe einen fliegenden oder versteinerten Menschen oder irgend etwas unglaubliches dieser Art zu sehen. Ganz von der Begierde nach einem solchen Schauspiel eingenommen, lief ich in der ganzen Stadt herum, ohne zu wissen wie ichs anfangen sollte, um zu dem, was ich suchte, zu gelangen. Während ich nun so herum irrte, sehe ich eine junge Frau auf mich zugehen, die, dem äusserlichen Anschein nach, unter die reichsten und angesehensten in der Stadt gehörte; denn sie gieng prächtig gekleidet, war mit vielem Golde behangen, und hatte eine Menge Bedienten hinter sich her. Wie ich ihr näher kam, grüßte sie mich, und sagte mir: sie wäre die Abröa, die ich vermuthlich als eine vertraute Freundin meiner Mutter nennen gehört hätte. Die Kinder meiner Freundin, fuhr sie fort, sind mir nicht weniger lieb als meine eignen. Wie kommt es denn daß du nicht bey mir einkehrst, mein Sohn? - Ich bin dir sehr verbunden, antwortete ich: aber da ich mich in keinem Stücke über den Freund, der mich aufgenommen, zu beklagen habe, so trage ich Bedenken sein Haus zu verlassen. Indessen werde ich wenigstens in Gedanken bey einer so liebenswürdigen Freundin wohnen. - Und wo hältst du dich denn auf? fragte sie. - Beym Hipparch. - Wie? Bey dem Geizhalse? - Sage das nicht, meine Mutter, erwiederte ich; mich wenigstens hat er so vornehm und köstlich bewirthet, daß man ihn eher beschuldigen könnte zuviel als zu wenig in diesem Stücke zu thun. - Sie lächelte, und sagte, indem sie mich bey der Hand auf die Seite zog: Nimm dich ja, so viel du nur immer kannst, vor seiner Frau in Acht; denn sie ist eine Erzzauberin, und dabey von einem so verliebten Temperamente, daß keine junge Mannsperson vor ihr sicher ist. Wer ihr nicht in gutem zu Willen ist, an dem rächt sie sich durch ihre Kunst; sie hat schon viele in Thiere verwandelt, ja einige gänzlich zu Grunde gerichtet. Du bist jung, mein Kind, und schön genug um ihr in die Augen zu stechen, überdieß fremd, und also in desto größerer Gefahr, weil man sich gegen einen Fremden immer mehr erlaubt als gegen einheimische2).

Wie ich hörte, daß ich etwas, das ich schon so lange suchte, zu Hause hätte, hörte ich kein Wort mehr von allem was mir die gute Abröa sagte. Ich machte mich, sobald als möglich, von ihr loß, und, indem ich nach Hause gieng, hielt ich dieses Gespräch mit mir selbst. Wohlan also, Freund Lucius, wenn es wahr ist daß du so begierig bist etwas übernatürliches zu sehen, so nimm dich nun zusammen, und erfinde irgend einen klugen Ausweg zum Ziele deiner Wünsche zu gelangen! Wie wenn du deine Kunst an der jungen Palästra versuchtest? - Denn der Frau deines Wirthes und Freundes bleibe mir ja so weit vom Leibe als du kannst! - Bey jener hast du desto freyern Spielraum, - kurz, in den Armen der Magd wirst du am sichersten hinter die Geheimnisse der Frau kommen. Denn die Bediente sind doch immer die Leute, die das Gute und Böse ihrer Herrschaften am besten kennen.

Unter diesem Selbstgespräche langte ich in meinem Quartier wieder an, fand aber weder den Hipparchus noch seine Frau zu Hause, sondern Palästren allein, die in der Küche beschäfftiget war, unser Abendessen zu recht zu machen. Ich blieb stehen, und ergriff diese gute Gelegenheit besser mit ihr bekannt zu werden. Da sie eben daran war, etwas in einem Topfe umzurühren, sagte ich ihr, mit einer Anspielung auf ihren Nahmen, die ihr nicht zu mißfallen schien, etwas schmeichelhaftes über ihre Gestalt, und über die reizende Art, womit sie ihre runden Hüften bey dieser Arbeit hin und her wirbelte, ohne ihr ein Geheimniß aus der sympathetischen Wirkung zu machen, die ein so schlüpfriger Anblick auf die meinigen hatte, oder ihr die Wünsche zu verbergen, die er in mir rege machte3). Das Mädchen, die ein überaus schnippisches und buhlerisches kleines Ding war, erwiederte mir gleich im nehmlichen Tone: junger Herr, wenn du klug bist und dein Leben liebst, so rathe ich dir meinem Feuer nicht zu nahe zu kommen: ich will dich ehrlich und redlich gewarnt haben! Denn, du wagst mehr als du vielleicht glaubst. Es braucht nur einen Augenblick, so würdest du dich so übel verbrannt haben, daß dich kein anderer Mensch wieder heilen könnte, als ich allein; der Gott der Ärzte selbst würde dir nicht helfen können; und was noch das wunderbarste ist, ich würde dich immer noch kränker machen, und du würdest die Schmerzen der Heilung mit so vielem Vergnügen aushalten, daß du dich sogar mit Steinen von der Quelle einer so süßen Pein nicht wegjagen ließest. - Du lachst noch? Aber du irrst dich sehr, junger Herr, wenn du mich nur für eine gewöhnliche Köchin ansiehst. Ich weiß nicht bloß dergleichen gemeine schlechte Speisen zuzurichten, wie diese hier; auch in der Kunst das vornehmste und schönste Wildpret, den Mann, zu schlachten, abzuziehen, zu zerstücken und weich zu kochen, bin ich, wie du mich hier siehst, eine Meisterin; und besonders mache ich mir gern mit ihren Eingeweiden und Herzen zu schaffen. - Alles was du da sagst, ist nur gar zu wahr, versetzte ich; denn du hast mich schon hier von weitem, und ohne daß ich dir nahe gekommen bin, nicht nur angebrannt, zum Jupiter! sondern über und über in Flammen gesetzt, und ich brate und dorre bey dem unsichtbaren Feuer, das du durch meine Augen in mein Eingeweide geworfen hast, ohne zu wissen womit ich eine solche Grausamkeit um dich verdient habe. Also, um aller Götter willen! versuche die bittersüße Kur an mir, wovon du sagtest; und da du mich bereits geschlachtet hast, so ziehe mir nun vollends die Haut über die Ohren, und mache mit mir was du willst. - Sie brach über diese sonderbare Liebeserklärung in ein unmäßiges Gelächter aus; aber das Ende davon war, daß ich sie gewonnen hatte, und daß wir eins wurden, sobald sie ihre Herrschaft zu Bette gebracht hätte, wollte sie auf mein Zimmer kommen, und die Nacht bey mir zubringen.


  1. Lucius. Die gemeine Meynung der Gelehrten ist, dieses Stück, das in den Handschriften den Titel LoukioV h onoV führt, sey ein Auszug eines größern Werkes, welches ein gewisser Lucius von Paträ (nach der Angabe des Photius no. 242. seines Myriobiblos) unter dem Titel MetamorjwsewV logoi diajoroi in zwey Büchern verfaßt, und woraus Apuleius (ein Zeitgenosse Lukians) seinen Goldnen Esel, wiewohl nach einem ganz andern Plan, und mit vielen Veränderungen, Zusätzen und Episoden, in eilf Büchern verfertiget habe. Es ist sonderbar und beynahe unbegreiflich, daß ein Mann von Lukians seltnen Gaben auf den Einfall gekommen seyn sollte, einem Lucius von Paträ eine von diesem verfertigte Milesische Fabel zu stehlen, Wort für Wort abzuschreiben, und für sein eigen Werk auszugeben, ohne etwas anders dabey gethan zu haben, als den bestohlnen Autor abzukürzen. Von welcher Seite man die Sache ansieht, wird man sie mehr als unwahrscheinlich finden. Das kürzeste Mittel aus der Schwierigkeit zu kommen wäre nun freylich, mit Tanaquil Faber gerade weg zu läugnen, daß Lukian diese Eselsgeschichte geschrieben habe. Dazu aber ist in dem Werkchen selbst nicht der geringste Grund, sondern gerade das Gegentheil. Zum Glücke findet sich noch ein anderer Weg, unsern Autor von der Makel eines so unverschämten Plagiats zu befreyen: da er aber für eine Note zu weitläuftig ist, so werde ich das Resultat meiner Untersuchung über diese Materie in einem eigenen kleinen Aufsatze auf gegenwärtiges Stück folgen lassen. Über den Inhalt und die obscönen Stellen desselben weiß ich mich nicht besser als mit den Worten des englischen Übersetzers des Thom. Franklin zu erklären. Lukians Esel (sagt er) hat, um ihm sein Recht anzuthun, ein gutes Theil muntre Laune und Unterhaltendes: aber, wie es die Art dieses Thieres ist, sich zuweilen etwas unartig aufzuführen, so sah ich mich genöthiget, ihn (um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen) ein wenig zu stutzen, ehe er mit einiger Anständigkeit in guter Gesellschaft erscheinen konnte. -
  1. Vorläufig bemerke ich nur noch, daß unter allen Schriften Lukians keine unter den Händen der Abschreiber mehr gelitten zu haben scheint als dieser arme Esel. Ich bin nicht gelehrt genug den Text restituiren zu können: aber da ich wenigstens eine Nase habe (wie die Lateiner sagen) so habe ich kein Bedenken getragen, ihr überall zu folgen, wo sie eine Verfälschung des Textes witterte; so wie meinem Auge, wo ich offenbare Lücken zu sehen glaubte. Hanc veniam petimus damusque vicissim. Zurück
     

  2. Der Text sagt: kai xenoV, pragma eukatajronhton, ohne die geringste Andeutung, daß es gerade in Thessalien oder zu Hypala Sitte sey, sich nicht viel aus den Fremden zu machen, wie Franklin und Massieu diese Stelle übersetzen. Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Fremder, als solcher, überall viele Nachtheile hat, zumal wenn er sich mit gefährlichen Personen einläßt. Zurück
     
  3. Hier ist die erste Stelle, wo der Esel ein wenig gestutzt werden mußte. Zurück

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Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.

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